Klaus Weber betreut seit drei Jahrzehnten den Bolzplatz in der Elisabethenanlage. Sein Hund heißt Charly. Foto: red

Klaus Weber hilft Menschen, die es nötig haben – aus Überzeugung und weil es ihm gut geht.

S-West - Klaus Weber hat in der Elisabethenanlage viele Menschen kommen und gehen gesehen. Er hat von deren Schicksal erfahren, er hat mit ihnen gefeiert und den einen oder anderen Jugendlichen auch mal in seine Schranken verwiesen. Seit 30 Jahren schaut er in der Grünanlage mitten im Westen nach dem Rechten. Für sein langjähriges Bürgerengagement hat er nun die Ehrenmünze der Stadt Stuttgart verliehen bekommen.

Klaus Webers Geschichte beginnt vor 30 Jahren, als er den Schließdienst für den dortigen Bolzplatz übernimmt. Der war damals noch kleiner als der heutige und die Straßenbahn fuhr die Hasenbergstraße entlang. Der Platz war von Jugendlichen gut besucht, zum Leidwesen der Anwohner auch in den späten Abendstunden und zum Teil sogar nachts. „Das waren fast nur Migrantenkinder, die es aus ihrer Heimat gewohnt waren, zu spielen, wann sie wollten, ohne dass es jemanden stört“, erzählt Weber. „Hier war alles in Normen, es gab Grenzen, das waren sie nicht gewohnt.“

„Damals haben wir die Jugendlichen nicht richtig verstanden“

Als die Klagen überhand nahmen, regte Klaus Weber eine Bürgerversammlung an, die von der Stadt organisiert wurde. „Es war legendär, eine große Versammlung“, erinnert sich Weber. „Zwischen 200 und 300 Bürger waren gekommen.“ Klaus Weber fungierte als Sprecher der Anwohner und nach dem Beschluss, den Bolzplatz zu vergrößern, einzuzäunen und ein Tor anzubringen, übernahm er den Schließdienst. Das war 1982/83. Von da an war Klaus Weber täglich vor Ort.

„Anfangs sind die Kinder und Jugendlichen immer über den Zaun geklettert und ich hab sie wieder rausgescheucht“, erzählt er. Immer mal wieder rückte die Polizei an. Heute, meint Klaus Weber, würde er es vielleicht anders machen. „Damals haben wir die Jugendlichen nicht richtig verstanden, ihre Geschichten als Kinder von Gastarbeitern nicht gekannt.“

Dann brach Anfang der 1990er Jahre der Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien aus und Tausende von Flüchtlingen kamen – auch in den Stuttgarter Westen. „Zeitweise waren täglich um die 400 Menschen auf dem Bolzplatz und in der Elisabethenanlage“, erzählt Klaus Weber. Der kleine Park wurde zum Männertreff, die Frauen blieben zuhause. Viele Gastarbeiter hatten Flüchtlinge daheim aufgenommen. „Sie wohnten aber selbst sehr primitiv und weil daheim kein Platz war, trafen sie sich auf öffentlichen Plätzen“, so Weber.

Er war auch hilflos und überfordert

Abends, so erinnert sich der 73-Jährige, kamen die Frauen und brachten Essen. „Sie haben mich eingeladen, mitzuessen, und wir haben zusammen Lieder gesungen.“ Klaus Weber erinnert sich gern zurück. „Ich war gerührt und es war auch schön.“ Trotzdem war er auch hilflos und überfordert angesichts der Situation. „Ich hatte ja eigentlich nur den Schließdienst übernommen und plötzlich bekam der Ort eine solche Relevanz“, sagt er. Klaus Weber verständigte die Heilsarmee. „Sie kamen sehr oft, haben sich um die Leute gekümmert und sich mit ihnen unterhalten.“

Als die meisten der Kriegsflüchtlinge wieder weg waren, änderte sich auch die Atmosphäre am Bolzplatz schlagartig, sagt Weber. Aus den Jugendlichen waren halbstarke Erwachsene geworden und anstatt auf dem Bolzplatz zu kicken, interessierten sie sich für Autos und Mädchen. „Sie haben ihre BMW’s am Bolzplatz geparkt, laut Radio gehört und wollten den Mädels imponieren“, sagt Weber mit einem Lächeln. „Wie es halt so ist.“ Tagsüber spielten weiter Kinder auf dem Platz, nachts war er verwaist. Die Party fand nun nebenan statt. Und der Konflikt mit den Anwohnern ließ nicht lange auf sich warten. Klaus Weber, der selbst direkt am Bolzplatz wohnt, kann das gut verstehen. „Es wurde schon langsam zur Plage.“

Die Lösung war, die Parkbuchten, die es damals an der Hasenbergstraße noch gab, zu entfernen. Nach dem Umbau suchten sich die jungen Erwachsenen andere Plätze. Der eine oder andere war dem Imponiergehabe auch schlichtweg entwachsen. „Ab und zu spricht mich heute jemand auf der Straße an und dann erfahre ich, dass es eine der Frauen ist, die mich damals zum Essen eingeladen hat, oder einer der Jugendlichen, die immer über den Zaun geklettert sind.“ Viele von ihnen haben jetzt eine eigene Familie. Klaus Weber berühren solche Begegnungen.

Er hat sich die Mühe gemacht hat, die Leute kennenzulernen

Den Schließdienst für den Bolzplatz muss Klaus Weber heute nicht mehr übernehmen. Das Schloss wurde vor einigen Jahren entfernt. Trotzdem kommt er jeden Tag in die Anlage – nicht nur wegen seines Hundes Charly, der seit zwei Jahren an Webers Seite ist. Sorge bereitet ihm die Szene, die sich auf der Rückseite der Tankstelle trifft. „Diese Menschen sind nicht schlecht“, sagt er. „Sie sind krank und aus der Bahn geworfen.“ Eine Lösung für diese Menschen zu finden, das treibt den ehemaligen Requisiteur am Staatstheater um. „Ich habe keine, aber ich weiß, dass es keine Lösung ist, sie zu vertreiben.“

Die Sachen liegt ihm am Herzen, weil er sich die Mühe gemacht hat, die Leute und ihre Geschichten kennenzulernen. Einige kennt er mit Namen, manchmal unterhalten sie sich. „Sie akzeptieren mich“, sagt er. Der Grund, warum ihn das Schicksal anderer Leute bewegt, ist so menschlich und einfach zugleich. „Mir geht es gut“, sagt er. Das könne aber nicht jeder von sich sagen. Deshalb will er helfen, ohne sich aufzudrängen. „Es macht keinen Sinn, Mutter Theresa zu spielen“, sagt er. Ihm gehe es darum, den Blick zu schärfen, zu sehen, was rechts und links um einen geschieht, und zu helfen, wenn anderen um Hilfe bitten.

Seine Auszeichnung mit der Ehrenmünze, so hofft er, helfe dabei, andere Menschen zu motivieren, ebenfalls zu helfen, wo Hilfe notwendig ist. „Zumindest aber, immer ein wachsames Auge zu haben.“