Auf der Consumer Electronics Show in Las Vegas geht es vor allem um Unterhaltungselektronik. Aber auch für die Autobranche wird die Messe immer attraktiver. Foto: AFP

Die deutsche Autobranche kehrt der traditionsreichen Automesse in Detroit den Rücken. Stattdessen präsentieren sich Hersteller und Zulieferer auf der gigantischen Consumer Electronics Show in Las Vegas.

Stuttgart - Die Messe in Detroit war bisher für die deutsche Autobranche traditionell das wichtigste Schaufenster beim Start in das neue Jahr. Dieses Mal verzichten die meisten Manager auf die Reise in die im Januar eiskalte Motor City an der Grenze zu Kanada. Nur VW wird dort am 14. Januar den aufgefrischten US-Passat auf einer Pressekonferenz vorstellen. Audi, BMW und Daimler verzichten jedoch auf den großen Auftritt in der Heimat der US-Autobauer, und auch der deutsche Branchenverband VDA kehrt Detroit den Rücken. Stattdessen steht in diesem Jahr eine Stadt ganz im Süden der Vereinigten Staaten im Mittelpunkt.

Schon in den vergangenen Jahren hatte die Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas Schritt für Schritt an Bedeutung für die deutschen Autohersteller gewonnen und der Schau in Detroit immer mehr den Rang abgelaufen. Nun konzentrieren sich fast alle deutschen Anbieter voll auf die gigantische Fachmesse für Unterhaltungselektronik in Las Vegas, auf der von Dienstag an für vier Tage rund 4500 Aussteller ihre neuesten Produkte und Entwürfe für die Technik der Zukunft vorstellen.

Besonders Daimler tritt in Las Vegas so massiv auf wie noch nie

Mit einer Verlegung des Termins wollen die Messemacher in Detroit wieder attraktiver werden. Vom nächsten Jahr an soll die Show in Motor City im Sommer starten, wenn das Wetter erträglicher ist. Doch der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer sieht keine Chance für eine Rückkehr zur alten Größe. „Ein anderer Termin wird wenig helfen. Detroit war gestern. Die richtige Autoshow in Amerika heißt CES“, meint der Chef des Forschungsinstituts CAR an der Universität Duisburg-Essen. Heutzutage gebe es schon viele Informationen über neue Modelle bequem im Internet. „Reine Produktshows im klassischen Sinn sind langweilig geworden“, urteilt Dudenhöffer. Glänzende Autos in Reih und Glied, Blech und Mechanik – das sei überholt, meint der Wissenschaftler. Das Auto von morgen dagegen – das seien Smartphones, Software und Elektronik, also die Welt der CES in Las Vegas.

Besonders Daimler will in diesem Jahr auf der Elektronikmesse in der Spielerstadt so massiv wie noch nie auftreten. Der Stuttgarter Autokonzern kündigt die Weltpremiere des neuen kompakten Mercedes-Benz CLA an, zeigt erstmals auf einer US-Messe den batteriebetriebenen Geländewagen EQC und die Fahrzeugstudie Vision Urbanetic. Dabei geht es um einen digital vernetzten, autonom fahrenden Transporter mit Elektroantrieb, bei dem die gesamte Technik im Chassis untergebracht ist und auf dem sehr unterschiedliche Aufbauten befestigt werden können; so wird aus dem Gefährt in kurzer Zeit wahlweise ein Kleinbus oder ein Transporter. Das Vehikel soll im Idealfall rund um die Uhr und an 365 Tagen im Jahr eingesetzt werden. Ohne Fahrer sollen die Kosten deutlich sinken.

Die Weltpremiere dieses Zukunftsmobils fand im September in Kopenhagen statt. In Las Vegas soll es nun erstmals auf die Straße kommen. Zum ersten Mal präsentiert sich auch die Lkw-Sparte Mercedes-Benz Trucks auf der CES und will vorstellen, welche nächsten Schritte auf dem Weg zum autonomen Fahren in Sicht sind.

Auch die Zulieferer werben auf der CES um Aufmerksamkeit

Aber nicht nur die deutschen Autobauer, sondern auch die Zulieferer werben um Aufmerksamkeit auf der Elektronikmesse im Wüstenstaat Nevada. Bosch, ZF und Schaeffler wollen zeigen, wie sie sich die Mobilität der Zukunft vorstellen. Bosch-Geschäftsführer Markus Heyn schwärmt von einem „weltweit einzigartigen Paket aus Hardware, Software und Mobilitätsdiensten“, das der Stuttgarter Zulieferkonzern zeigen will. Heyn meint damit fahrerlose Minibusse mit Elektroantrieb, die per Smartphone-App bestellt werden können. Bosch will nicht nur die Komponenten für die Automatisierung, Vernetzung und Elektrifizierung liefern, sondern ein ganzes Bündel von Serviceleistungen rund um die Mobilität anbieten. Dazu gehören Buchung und Abrechnung, Ladeservice und das Infotainment. Noch ist das fahrerlose Shuttle von Bosch Zukunftsmusik, ebenso wie der autonom fahrende Van von Daimler, der wahlweise Menschen befördert oder Güter transportiert. „Das vollautonome Fahren wird erst in acht bis zehn Jahren eine größere Bedeutung bekommen“, schätzt Stefan Bratzel, der Chef des Forschungsinstituts CAM an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach. Zwar gebe es Pilotversuche, aber Geld verdienen könne man damit in den nächsten Jahren nicht. Doch die Autohersteller und deren Zulieferer müssten sich positionieren und Präsenz bei Zukunftstechnik wie neuen Mobilitätsdiensten zeigen. Bei der Wertschöpfung würden in der Zukunft Software und neue Serviceleistungen immer wichtiger.

Die Unternehmen müssten in den kommenden Jahren einen schwierigen Spagat schaffen, sagt Bratzel, denn sie müssten in ihrem klassischen Geschäft weiter erfolgreich sein. Zugleich müssten sie jedoch neue Kompetenzen auf Zukunftsfeldern wie etwa Internetplattformen für Robotertaxis aufbauen und sich dort auch im Wettbewerb mit neuen Anbietern wie Google oder Apple behaupten.