Der Konzern macht Platz fürs E-Auto und folgt damit auch der Politik. Doch eine Antriebswende gegen die Kunden kann es nicht geben, meint Klaus Köster.
Ein solches Ereignis ist Balsam für die Seelen gebeutelter Amtsträger. Es kann daher kaum überraschen, dass selbst Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck dabei sein wird, wenn Mercedes am Montag seinen E-Campus in Stuttgart-Untertürkheim eröffnet. Im Herzen des traditionsreichen Stammwerks, wo Mercedes jahrzehntelang Pleuel, Kurbel- und Nockenwellen produzierte, wird nun Platz geschaffen für die E-Mobilität. Verbrenner raus, E-Auto rein: Könnte ein Unternehmen augenfälliger seine eigene Wende in Szene setzen?
Batterieforschung ist ein Schlüssel
Mit dem E-Campus wird Mercedes seine Batterieforschung verstärken – ein Schlüssel zur Wettbewerbsfähigkeit bei Kosten, Leistung, Gewicht, Volumen und Ladetempo – und nicht zuletzt bei der Frage, ob sich durch neue Materialien gefährliche Abhängigkeiten von Rohstofflieferanten verringern lassen. Bei der Batterietechnologie könnte der Jäger China zum Gejagten werden.
Doch zeitgleich mit dieser Beschleunigung tritt Mercedes bei der E-Mobilität heftig auf die Bremse. Bis vor kurzem hatte Konzernchef Ola Källenius die EU-Vorgabe, den Verbrenner im Jahr im Jahr 2035 auslaufen zu lassen, nicht nur einhalten, sondern sogar überbieten wollen. Schon 2030 wollte er möglichst nur noch vollelektrische Autos auf den Markt bringen. In den letzten Monaten aber wickelte er seine „electric-only“-Strategie in atemberaubender Geschwindigkeit ab. Er kassierte das Ziel für 2030 und strich das ambitionierte Projekt, für seine Luxus-E-Fahrzeuge eine neue Plattform zu entwickeln. Zuletzt kündigte er an, die nächste Generation der S-Klasse auch mit Verbrennungsmotor auf den Markt zu bringen.
Von der Leyens Daumenschrauben
Mit dem Verfallsdatum für den Verbrenner zwang EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auch die unwilligsten Konzernchefs, ihren Klimakurs zu unterstützen. Wer sich ihrem Green Deal widersetzt hätte, hätte seine Firma automatisch ins Abseits befördert. So zielstrebig die Politik bei der Lenkung der Wirtschaft agiert, so unambitioniert verhält sie sich, wenn sie ihren eigenen Beitrag leisten soll – beim Ausbau der Netze, beim Grünstrom, beim Ladenetz. Diese Versäumnisse kosten Vertrauen. Die Pioniere unter den Käufern sind längst versorgt; für die Durchdringung des Marktes müssten jetzt aber auch all diejenigen überzeugt werden, die einen bestenfalls pragmatischen Blick aufs E-Auto haben.
BMW-Chef Oliver Zipse und Bosch-Chef Stefan Hartung warnen seit Jahren vor einer einseitigen Ausrichtung auf die E-Mobilität. Dadurch würden die Klimaschutz-Potenziale anderer Technologien verschenkt; zudem seien die Bedürfnisse weitaus vielfältiger als man mit einer von oben verordneten Einheitstechnologie abdecken könne.
Die Elektrotechnologie bietet viele Vorteile, so dass ihr eine wichtige Rolle gebührt. Doch viele Amtsträger blicken auf die Bürger aus einer Warte, von der aus alltägliche Nöte banal erscheinen. Nach dem Desaster mit dem Heizungsgesetz, bei dem die Politik vielen Menschen schon einmal ihre bevorzugte Technologie aufzwingen wollte, streute sich Habeck reichlich Asche aufs Haupt.
Das Überstülpen funktioniert nicht
Auch beim Green Deal rächt es sich, dass diejenigen, die dafür zahlen sollen, am Katzentisch saßen: Kunden, Bürger, Steuerzahler. Doch eine Politik, die sich über Sichtweisen und Alltagsbedürfnisse vieler Menschen hinwegsetzt, ist in einer funktionierenden Demokratie kaum durchzuhalten – nicht einmal im Namen der Sache, die wahrlich größte Unterstützung verdient hat. Auch der Erfolg von Projekten wie dem E-Campus hängt davon ab, dass es gelingt, die Menschen von der E-Mobilität zu überzeugen, statt sie ihnen überzustülpen.