Mit dem ID3 will VW bei der Elektromobilität ins Massengeschäft einsteigen. Foto: dpa-tmn/Thomas Geiger

Nur zusammenbauen oder alles selbst herstellen? Vor dieser Frage stehen die Autokonzerne bei der E-Mobilität. Eine eigene Produktion von Batteriezellen sichert Unabhängigkeit, kostet aber Milliarden. VW startet jetzt eine Pilotfertigung - die Konkurrenz aus Stuttgart hat andere Pläne.

Salzgitter - Alle reden von der Elektromobilität, beschwören ihren Durchbruch, weisen auf ihre Bedeutung angesichts der Klimaziele hin. Doch was hilft das, wenn Kunden zu wenig E-Autos bestellen und Hersteller verwundbar sind, weil sie Batteriezellen zukaufen müssen?

Der VW-Konzern hat lange überlegt. Manche Kritiker meinen: zu lange. Nun aber hat das Unternehmen in Salzgitter - bisher Sitz des Werks für Verbrennungsmotoren - eine Pilotfertigung für Zellen hochgezogen.

Welche Pläne verfolgt VW in Salzgitter genau?

Die Pilotlinie soll den Weg für eine mögliche Eigenproduktion von Batteriezellen im großen Stil ebnen. Volkswagen will zunächst weitere Erfahrungen auf dem neuen Feld sammeln. Ein „Center of Excellence“ soll die interne Forschung vorantreiben, damit mittelfristig vielleicht auch große E-Fahrzeugserien ausgestattet werden können.

Der nächste Schritt ist für das kommende Jahr geplant. Dann will VW mit dem schwedischen Partner Northvolt in Salzgitter eine Fabrik für Lithium-Ionen-Batterien bauen. Die Deutschen und die Schweden halten je die Hälfte der Anteile, VW investiert rund 900 Millionen Euro.

Wie passt das in die bisherige Elektrostrategie des Konzerns?

Eigene Batteriezellen hätten für den größten Autokonzern der Welt eine enorme Bedeutung. Töchter wie Audi, Skoda, Seat oder Porsche könnten von der Kernmarke mit beliefert werden, wie das heute schon bei Motoren, Getrieben, Lenkungen und weiteren Komponenten geschieht.

Das hätte Kostenvorteile für die ganze Gruppe. Betriebsratschef Bernd Osterloh hatte eine eigene Zellproduktion schon früher befürwortet. VW könnte selbstgefertigte Zellen zudem mittelfristig in der ID-Serie unterbringen. In die E-Auto-Familie steckt der Konzern Milliarden, das gesamte Werk Zwickau wurde dafür umgebaut. Laut Beschaffungsvorstand Stefan Sommer könnte auch bei der Feststoffzellen-Technologie „mehr als die Hälfte der Maschinen weiter genutzt werden“. Zunächst wolle man aber die Lithium-Ionen-Technik verbessern. Die Wertschöpfungskette solle CO2-neutral sein.

Warum ist das Thema für die gesamte Autobranche so wichtig?

Ziel sind eine größere Selbstständigkeit und weniger Einfluss für marktbeherrschende Zulieferer wie Samsung und LG (Südkorea) oder CATL (China). Vor allem CATL versuchte zuletzt, in Deutschland stärker Fuß zu fassen, in Thüringen entsteht ein riesiges Zellwerk. VW-Konzernchef Herbert Diess sagte zum Start der Pilotlinie: „Volkswagen muss die Kompetenzen in der Batterie-Technologie deutlich ausweiten. Die Batterie bildet den Kern nachhaltiger Mobilität und ist ein wesentlicher Teil künftiger Wertschöpfung.“

Je entschlossener der Umstieg auf die E-Mobilität angegangen wird, desto sicherer dürften langfristig auch die Jobs in den Fabriken sein. Zwar wird das geringere Arbeitsvolumen für Elektromotoren im Vergleich zu Verbrennern dazu führen, dass Stellen in traditionellen Bereichen wegfallen. Bei entsprechender Weiterbildung könnten viele Beschäftigte, so hofft die IG Metall, mit in die neue Welt wechseln. Osterloh betonte: „Jetzt ist es entscheidend, die Transformation der Beschäftigten am Standort mit Qualifizierung und Weiterbildung intensiv zu begleiten. Hier ist das Unternehmen in der Pflicht.“

Wie ist die Lage beim heimischen Konkurrenten Daimler?

Der Stuttgarter Autobauer hatte seinen Ausflug in die Zellproduktion im sächsischen Kamenz schon Ende 2015 eingestellt. Sie war zu teuer und nicht konkurrenzfähig mit den Billigzellen aus Asien. Im vorigen Jahr schloss Daimler Lieferverträge im Wert von 20 Milliarden Euro. Der Autobauer gibt vor, was die Zellen können sollen, und baut sie dann in seine Batterien ein. Zur Automesse IAA gab Daimler eine Kooperation mit dem chinesischen Hersteller Farasis Energy bekannt.

CATL wiederum liefert Zellen für die schweren Lastwagen, die von 2021 an in Serie mit Elektromotor gefertigt werden sollen. Die Batterien baut Daimler aber selbst. Weltweit steckt der Konzern mehr als eine Milliarde Euro in ein Netz aus mehreren Batteriefabriken für Pkw.

Und wie ist der Stand bei BMW?

Die Münchner bauen die Batterien für ihre Hybrid- und E-Autos selbst, etwa im Werk Dingolfing. Die Zellen werden extern eingekauft. Das dürfte bis auf Weiteres auch so bleiben. „Es gibt keine Pläne, selbst in die Produktion einzusteigen“, sagte ein Sprecher. Eine Forschung zu Batteriezellen und Elektrochemie hat jedoch auch BMW aufgebaut, um mit Lieferanten auf Augenhöhe verhandeln zu können. Für das Werk von CATL vergaben die Bayern als erster Kunde einen Milliardenauftrag.

Was macht die Politik?

Diess hatte gemahnt, die europäischen Autohersteller müssten sich endlich zu einer eigenen Fertigung durchringen. In der Politik laufen mehrere Initiativen, die dies unterstützen. Kürzlich beschlossen neun Staaten das Programm für einen zweiten europäischen Batterieverbund.

Nach Angaben von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) gelang es, zwei Großprojekte zur Batteriezellfertigung aufs Gleis zu setzen. Sein Ressort fördert den Aufbau einer Zellfertigung mit einer Milliarde Euro, um Wertschöpfung und Jobs zu erhalten und aufzubauen. In einem ersten deutsch-französischen Konsortium sind Opel, dessen Mutter PSA und der französische Batteriehersteller Saft vertreten.