Annabelle Hils hat's nicht weit bis zur nächstgelegenen Stromtankstelle beim Finanzamt am Rotebühlplatz. In unserer Bildergalerie listen wir die Anzahl der neuen Ladestationen in den Stuttgarter Stadtbezirken auf. Klicken Sie sich durch. Quelle: Unbekannt

Nur 40 Ladestationen in Stuttgart - 2012 rund 150 zusätzliche – Kritik an Werbung für EnBW.

Stuttgart - Die Landeshauptstadt ist Versuchslabor für den alltagstauglichen Einsatz von Elektrofahrzeugen. Doch der Aufbruch in die Zukunft der Mobilität verläuft am Neckar verhalten. Beim Aufbau einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur wittern Bezirksbeiräte Werbung und treten ungehalten auf die Bremse. Rein elektrische Fahrzeuge haben es noch schwer, in Stuttgart im öffentlichen Straßenraum an frischen Saft für ihre Batterien zu kommen. Derzeit existieren nur knapp 40 Stromtankstellen, an denen sich Ladekabel der E-Mobile einstöpseln lassen. Mit einer halben Million Euro sorgt die Stadt dafür, dass bis Ende 2012 weitere 150 Standorte und 160 Ladesäulen dazukommen. Bis Ende 2013 sollen insgesamt 250 Ladestellen an Straßen stehen.

Als Bonbon für E-Mobilisten genehmigte der Gemeinderat, dass Elektroautos kostenlos an den Ladeplätzen parken dürfen, was Gebührenausfälle von jährlich 380.000 Euro bedeutet. Der Ausbau der Ladeinfrastruktur ist auch Bedingung für eine Mietwagenflotte von 300 Elektro-Smarts, welche die Daimler-Tochter Car2go ab Oktober in Stuttgart auf die Straße stellt.

Am heftigsten diskutiert wurde in der Stadtmitte

Seit Wochen touren Günter Stürmer, der E-Mobilitäts-Experte in der Stabsstelle von Oberbürgermeister Wolfgang Schuster, und Julia Weiss vom Energieversorger EnBW durch die Stadt, um grünes Licht für den Aufbau der Ladesäulen einzuholen. Manch herbe Kritik mussten sich die zwei von der Stromtankstelle bei der Vorstellungstour durch die 23 Bezirksbeiräte anhören. Am heftigsten diskutiert wurde in der Stadtmitte, wo mit 27 zusätzlichen Ladesäulen an 21 Standorten das dichteste Tankstellennetz entstehen soll. Hier verweigerte die SÖS/Linke-Beirätin Rita Krattenmacher konsequent jeder geplanten Ladesäule die Stimme. „Es kann nicht sein, dass die EnBW ohne Ausschreibung werbeträchtige Ladesäulen stadtweit aufstellt und dass Daimler-Mietautos mit öffentlichen Geldern subventioniert werden“, begründete sie ihr Veto. Wenn Stromtankstellen, dann sollten diese unter Regie der neuen Stadtwerke Stuttgart laufen. Ähnlich äußerten sich die Grünen in Bad Cannstatt, wo zehn neue Ladesäulen geplant sind, und enthielten sich der Stimme. Die zwei SÖS/Linke-Beiräte stimmten hier dem Vorhaben jedoch zu. Im Stuttgarter Westen zog SÖS/Linke-Beirätin Doris Hensinger die Umwelttauglichkeit der E-Mobile grundsätzlich infrage: „Lokal vermeiden sie klimaschädlichen CO2-Ausstoß, global erhöhen sie ihn durch energieintensive Produktion von Fahrzeug und Batterie“, begründete sie ihre Stimmenthaltung.

Parteiübergreifend sorgten sich viele Beiräte, dass Ladestellen am Gehwegrand ein weiteres Hindernis für Fußgänger darstellen. Im Stuttgarter Westen wurde ein Standort abgelehnt, weil der dank dortigem Parkraummanagement ohnehin dichte Schilderwald durch eine Stromtanke weiter wachsen würde. Ungeklärt sei auch die Vandalismus-Frage. „Ladekabel könnte jeder durchschneiden – unter Gefahr seines eigenen Lebens“, so Günter Stürmer. „Umfassende Information über E-Mobilität wurde uns vorenthalten“, sagte Judith Zängle-Koch (SPD) im Westen. Sie bemängelte, dass die Beiräte sich nur an einer von OB Schuster für den Gemeinderat verfassten Vorlage orientieren konnten.

Auch andere umweltfreundliche Antriebssysteme fristen bislang ein Exotendasein

Darin werde verschwiegen, dass der Aufwand für die Ladeinfrastruktur noch in keinem Verhältnis zum Nutzen stehe. Denn von den mehr als 291.000 in Stuttgart zugelassenen Personenkraftwagen fuhren Ende Mai nur 147 rein elektrisch. Schuster rechnet in der Vorlage bis Jahresende mit 600 vollelektrischen Autos und Krafträdern, inklusive der 300 Car2go-E-Smarts. Bis Ende 2014 erwartet er bis zu 1900 E-Mobile mit Stuttgarter Kennzeichen.

Unerwähnt blieb, dass auch andere umweltfreundliche Antriebssysteme bislang ein Exotendasein fristen. Ende Mai registrierte die hiesige Zulassungsstelle 441 Hybridfahrzeuge sowie 1779 Pkw mit Gasantrieb. Lediglich 22 Fahrzeuge waren mit Brennstoffzellen unterwegs – und die müssen zum Tanken an den Flughafen, wo es im Großraum Stuttgart die bislang einzige Wasserstoff-Tankstelle gibt.

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