Verkehrsminister Winfried Hermann (re.) hat Ende 2015 eine Förderung für ein Hybrid-Taxi an den Unternehmer Bernd Hoermann vergeben. Von der jetzt propagierten rein elektrisch betriebenen Flotte ist die Branche in Stuttgart aber noch weit entfernt. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Stuttgart ist von der propagierten Modellstadt für rein elektrischen Taxiverkehr weit entfernt. Die Branchen hat sich bisher nicht als besonders innovativ hervorgetan, sie sollte nicht unangemessen mit Steuergeld privilegiert werden, fordert Redakteur Josef Schunder.

Stuttgart - Wie bitte? Stuttgart soll bis 2020 Modellstadt für rein elektrischen Taxiverkehr werden? Wenn man hört, was der Taxibranchen-Vertreter Murat Arslan vollmundig sagt, muss man sich die Augen reiben. Im Moment nämlich gilt Amsterdam als Hauptstadt der Elektrotaxis, und auch in anderen Städten ist der Anteil der Elektrotaxis beachtlicher als in Stuttgart, etwa in Berlin. Dort rollen zwar oft Hybridfahrzeuge mit kombiniertem Benzin- und Stromantrieb, aber damit wäre das um bessere Luft ringende Stuttgart auch schon gut bedient.

In Berlin war im Jahr 2000 für Taxis bereits vorbildlich auf den vergleichsweise sauberen Erdgasantrieb gesetzt worden. Dessen Vorzüge haben in Stuttgart die damalige Landesregierung und die Stadtverwaltung, beide unter der Regie der CDU, ignoriert. Das ist ein Grund dafür, warum die Taxis, wahre Kilometerfresser, in Stuttgart noch anderthalb Jahrzehnte lang vergleichsweise viel Schadstoffe ausstießen.

Die Taxler in Stuttgart lieben ihren Mercedes

Bei den Berliner Hybridtaxis mit Stromantrieb handelt es sich vor allem um japanische Modelle. In Stuttgart lieben die Taxifahrer (und die Fahrgäste) aber ihren Mercedes. E-Klasse selbstverständlich, nicht B-Klasse, wovon es ein reines Elektromodell gibt. Auf die E-Klasse mit Plug-in-Hybrid greifen in Stuttgart zwar gern die Bürgermeister zurück, doch für den Taxibetrieb sei sie nicht zugelassen, bedauert die Stadtverwaltung. Wegen der begrenzten elektrischen Reichweite und der fehlenden Ladesäulen hätten die Taxifahrer im Moment wohl auch wenig Freude daran.

Sie orderten Diesel und entwickelten ein regelrecht symbiotisches Verhältnis zu Daimler. Der Stadt im Ganzen brachte die Produktpolitik des Autokonzerns jedoch nicht nur Vorteile, obwohl Daimler für die Region wirtschaftlich natürlich von überragender Bedeutung ist. Und obwohl der Konzern mit der vollelektrischen car2go-Mietwagenflotte wieder einen Beitrag zur Entschärfung der Abgasproblematik leistet. Das enge Verhältnis von Daimler und der Taxibranche trug dazu bei, dass in Stuttgart viele Diesel-Taxis fahren und wenig Hybridfahrzeuge – dass die Taxi-Modellstadt noch fern ist. Nun ist die Branche im Ökotest. Die Taxizentrale muss beweisen, dass ihr nicht nur an möglichst hohen Fördergeldern gelegen ist, sondern an der Luftgüte. Land und Stadt müssen die Umrüstung fördern, dürfen die Taxibetriebe aber auch nicht unangemessen mit Steuergeld privilegieren. Ein Spagat für alle.