Die Spitzenkandidaten der im Landtag vertretenen Parteien haben in Stuttgart über die Schulpolitik des Landes diskutiert. Vor allem die Zukunft der freien Schulen stand dabei im Mittelpunkt.
Stuttgart - Die Arbeitsgemeinschaft Freier Schulen Baden-Württemberg (AGFS) und das Elternbündnis Freier Schulen hatten zur Podiumsdiskussion unter dem Motto „Freie Bildung in bewegten Zeiten“ geladen. Die Resonanz war groß, selbst die Empore des vollgepackten Paul-Lechler-Saals im Stuttgarter Hospitalhof war gut gefüllt. Andreas Büchler, Schulleiter einer freien Ganztagsschule in Baden-Baden, sagte in seiner Einführung, wo aus Sicht der freien Schulen der Schuh drückt: Zwar seien freie Schulen das Salz in der Suppe eines vielfältigen Bildungswesens, doch würden die Einrichtungen bevormundet und eingeschränkt. „Die Politik sendet Signale, die auf uns wirken, als seien wir nicht erwünscht“, so Büchler. Von der Landesregierung erwarte man eine klare Haltung, die freie Schulen schütze, statt sie zu gängeln.
Diesen Vorwurf wies Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) in der anschließenden Podiumsdiskussion, die von der Bildungsredakteurin der Stuttgarter Nachrichten, Maria Wetzel, moderiert wurde, entschieden von sich: Die Versorgungsansprüche der freien Schulen seien transparent verhandelt worden, sagte Kretschmann. Eine „Politik der Nadelstiche“, wie sie Teile der freien Schulen der Landesregierung vorwerfen, sehe er keineswegs. „Es liegt uns fern, freie Schulen zu schurigeln“, so Kretschmann.
Der Ministerpräsident bezog sich in seinen Ausführungen zur Schulpolitik der letzten fünf Jahre immer wieder auf Paragraf elf der Landesverfassung, der eine Entkopplung von sozialer Herkunft und Bildung fordert. Diesem Prinzip sei die Landesregierung bei all ihren Entscheidungen gefolgt. Die Einführung der Gemeinschaftsschule, Investitionen in frühkindliche Erziehung und den Ausbau der Schulsozialarbeit führte Kretschmann als Erfolge der Landesregierung an, ohne sich Illusionen hinzugeben, allen zu gefallen: „Es gibt in der ganzen Republik keinen beliebten Kultusminister“, so Kretschmann.
„Unterschiedlichen Voraussetzungen müssen wir mit unterschiedlichen Schulformen begegnen“, entgegnete Herausforderer Guido Wolf (CDU). Seine Partei lege Wert auf Differenzierung. Wolf sprach sich für eine Stärkung der Realschule aus. Wir brauchen ein klares Bekenntnis zu den bewährten Schulformen“, so Wolf. Die freien Schulen müsse man als gesunde Wettbewerber der staatlichen Schulen akzeptieren.
„Freie Schulen sind eine finanzielle Entlastung für den Finanzminister“
Hans-Ulrich Rülke von der FDP stieß ins gleiche Horn. „Es ist eine naive Illusion zu glauben, Gemeinschaftsschulen
könnten Defizite der Gesellschaft aufheben“ sagte Rülke. Er sprach sich für ein differenziertes Bildungssystem aus und stärkte den freien Schulen den Rücken: „Es ist falsch, die freien Schulen zu benachteiligen.“ Es gebe für jeden eine richtige Schule, nicht eine Schule für alle, so Rülke. Er schätze gerade Schulen mit konfessionellem Bekenntnis oder alternativen pädagogischen Konzepten: „Freie Schulen sind nicht nur eine Bereicherung für die Gesellschaft, sondern auch eine finanzielle Entlastung für den Finanzminister.“
Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) wies darauf hin, dass die Finanzierung der freien Schulen auf einem historischen Höchstwert angekommen sei. Sie sollen nach dem Willen von Grün-Rot einen Satz von 78 Prozent der Kosten eines Schülers einer öffentlichen Schule erstattet bekommen. Als politische Zielmarke wird in der Landespolitik ein Wert von 80 Prozent angestrebt. „Einen solchen Kostendeckungsgrad hatte noch keine Landesregierung vor uns“, entgegnete Schmid Vorwürfen seitens Vertretern der freien Schulen, die Zielmarke sei verfehlt worden.
Kretschmann betonte die Unmöglichkeit, es in einer pluralistischen Bildungsgesellschaft allen Beteiligten recht machen zu können. Auf das Schulsystem hierzulande könne man trotzdem stolz sein, vor allem mit Blick auf sozial ungleichere Bildungssysteme wie etwa in den USA oder in Frankreich. „Es ist eine enorme Errungenschaft, dass man in Deutschland auf Schulen geht, die einigermaßen gleich sind“, so Kretschmann. In Bezug auf freie Schulen habe man das „finanzpolitisch mögliche“ gemacht eingedenk nicht vorhersehbarer politischer Entwicklungen wie etwa der Flüchtlingskrise, betonte der Ministerpräsident.