US-Wahltag am 5. November. Foto: ZGS/IMAGO/Sascha Steinach

Das Wahlmännergremium bestimmt nach der Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten indirekt den Sieger. Wie funktioniert das? Könnte Donald Trump auf diesem Weg verhindert werden? Und sagt man jetzt „Wahlfrau“ und „Wahlleute“?

In den USA wird der Präsident nicht direkt durch die Wähler, sondern durch ein Kollegium von Wahlmännern gewählt, das sogenannte Electoral College. Diese Besonderheit des US-Wahlrechts führt dazu, dass ein Kandidat ohne eine landesweite Stimmenmehrheit Präsident werden kann. Besonders wichtig sind dabei die so genannten „Swing States“.

 

Gewinner bekommt alle Wahlmänner im Staat

Das Electoral College setzt sich aus 538 Wahlmännern zusammen, die von den Bundesstaaten entsandt werden. Jeder Bundesstaat entsendet so viele Wahlmänner, wie er Abgeordnete (abhängig von der Bevölkerungszahl) und Senatoren (zwei pro Bundesstaat) in den US-Kongress entsendet. Natürlich sind im Electoral College auch Frauen zugelassen. Der Duden kennt inzwischen sogar den Begriff „Wahlfrau“, obwohl er sprachlich noch eher ungewohnt wirkt. Das vermeintlich geschlechtsneutrale Wort „Wahlleute“ ist im Duden dagegen nicht zu finden.


54 Wahlmänner in Kalifornien

Der bevölkerungsreichste Staat Kalifornien stellt 54 Wahlmänner, die Staaten mit der geringsten Bevölkerungszahl und die Hauptstadt Washington D.C. jeweils drei. Jede Partei wählt vor der Wahl ihre Kandidaten für das Electoral College selbst aus.

In fast allen Staaten gilt die Alles-oder-Nichts-Regel (Winner-takes-it-all): Alle Wahlmänner gehen an den Kandidaten, der die Mehrheit in diesem Staat gewinnt - egal wie knapp die Mehrheit ist. Ausnahmen bilden nur Maine und Nebraska, wo die Wahlmänner geteilt werden.

Wahlmänner: Nicht jede Stimme ist gleich

Die Tatsache, dass jeder Bundesstaat zwei Senatoren und damit per se zwei Wahlmänner stellt, führt dazu, dass bevölkerungsarme Staaten im Wahlmännerkollegium überproportional stark vertreten sind. So hat Wyoming drei Wahlmänner, die jeweils rund 194.000 Einwohner repräsentieren, während die 54 Wahlmänner Kaliforniens jeweils rund 720.000 Einwohner repräsentieren.

Dies und die Winner-takes-all-Regel können dazu führen, dass ein Präsident mit einer Mehrheit im Electoral College gewählt wird, ohne insgesamt die meisten Wählerstimmen (popular vote) auf sich vereinigt zu haben. In der US-Geschichte ist dies bisher fünfmal geschehen, zuletzt 2016: Die Demokratin Hillary Clinton gewann landesweit fast 2,9 Millionen Stimmen mehr als Donald Trump, doch im Wahlmännergremium erreichte der Republikaner die Mehrheit.

270 Wahlmänner im Electoral College

Für den Einzug ins Weiße Haus sind mindestens 270 der 538 Stimmen im Electoral College erforderlich. Amtsinhaber Joe Biden kam 2020 auf 306 Wahlmänner, der damalige Präsident Donald Trump auf 232. Im Jahr 2016 hatte Trump mit 304 Wahlmännern gegenüber Hillary Clinton mit 227 Wahlmännern die Nase vorn.

Wenige illoyale Wahlmänner

Die US-Verfassung schreibt den Wahlmännern und -frauen nicht vor, entsprechend dem Wahlergebnis in ihrem Bundesstaat zu wählen. Dennoch gibt es viele Staaten, die ihre Wahlmänner und -frauen dazu verpflichten. Bei Zuwiderhandlung können so genannte illoyale Wahlmänner mit einer Geldstrafe belegt oder unter Umständen sogar zu einem bestimmten Wahlverhalten gezwungen werden.

In der Vergangenheit haben die Wahlmänner mit überwältigender Mehrheit so abgestimmt, wie es von ihnen erwartet wurde. Noch nie haben die wenigen Abweichler das Ergebnis einer Präsidentschaftswahl verändert.

US-Bundesstaaten mit Wahlmänner-Stimmen

  • Alabama (9)
  • Alaska (3)
  • Arizona (11)
  • Arkansas (6)
  • Colorado (9)
  • Connecticut (7)
  • Delaware (3)
  • Florida (29)
  • Georgia (16)
  • Hawaii (4)
  • Idaho (4)
  • Illinois (20)
  • Indiana (11)
  • Iowa (6)
  • Kalifornien (55)
  • Kansas (6)
  • Kentucky (8)
  • Louisiana (8)
  • Maine (4)
  • Maryland (10)
  • Massachusetts (11)
  • Michigan (16)
  • Minnesota (10)
  • Mississippi (6)
  • Missouri (10)
  • Montana (3)
  • Nebraska (5)
  • Nevada (6)
  • New Hampshire (4)
  • New Jersey (14)
  • New Mexico (5)
  • New York (29)
  • North Carolina (15)
  • North Dakota (3)
  • Ohio (18)
  • Oklahoma (7)
  • Oregon (7)
  • Pennsylvania (20)
  • Rhode Island (4)
  • South Carolina (9)
  • South Dakota (3)
  • Tennessee (11)
  • Texas (38)
  • Utah (6)
  • Vermont (3)
  • Virginia (13)
  • Washington (12)
  • West Virginia (5)
  • Wisconsin (10)
  • Wyoming (3)
  • Washington, D.C. (3)

Wahlmännergremium seit dem 18. Jahrhundert

Die Verfassungsväter sahen in diesem System einen Kompromiss zwischen einer direkten Wahl des Präsidenten durch das Volk und einer Wahl durch den Kongress - weder das Volk noch der Kongress sollten die alleinige Befugnis haben, den Präsidenten zu wählen.

Undemokratisches Electoral College?

Kritiker halten das Wahlsystem nicht erst seit der Wahl 2016 für veraltet und undemokratisch, Befürworter hingegen sehen darin eine Stärkung der föderalen Verfassung der USA, die kleinere Bundesstaaten schützt. Versuche einer umfassenden Wahlrechtsreform sind immer wieder gescheitert. Der bislang aussichtsreichste Versuch, das Electoral College abzuschaffen, wurde 1969 unternommen, verfehlte aber letztlich knapp die erforderliche Mehrheit im US-Senat.

Mit Agenturmaterial