Ein gutes Team: Patientin Marianne H. (links) und Dr. Christine Thomas, Ärztliche Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie für Ältere, am Klinikum Stuttgart. Foto: Klinikum Stuttgart/Tobias Grosser

Marianne H. litt unter einer schweren Depression nach dem Tod ihres Mannes. Eine Elektrokonvulsions-Therapie brachte ihr die dringend benötigte Besserung. So wie ihr kann die  EKT vielen älteren Patienten helfen.

Ein halbes Jahr nach dem Tod ihres Mannes begann die Depression. Marianne H. war niedergeschlagen, hatte an nichts Interesse mehr. Fünf Monate war die damals 84-Jährige dann im Zentrum für Seelische Gesundheit des Klinikums Stuttgart in Behandlung. Doch Medikamente halfen nur bedingt gegen ihre schwere Erkrankung. Besserung brachte der Seniorin schließlich die Elektrokonvulsions-Therapie (EKT).

EKT: Effektive Behandlung bei hartnäckigen Depressionen

Zur Behandlung einer Depression kommen meist Psychotherapie und Medikamente zum Einsatz. Doch sie helfen nicht allen betroffenen Menschen: Manchmal ist eine Depression so hartnäckig oder so schwer, dass die Elektrokonvulsions-Therapie zum Einsatz kommt. Die Erfolgsquote der Behandlung liegt bei bis zu 80 Prozent. Zwei bis vier Patienten in der Gerontopsychiatrie des Klinikums werden jede Woche mit der EKT behandelt. Daher empfehlen Fachleute das Verfahren, wenn mehrere Behandlungen mit Medikamenten und Psychotherapie die Beschwerden nicht verbessert haben. In dieser Situation oder bei Depressionen mit psychotischen Anzeichen wie Wahnvorstellungen sind sie besonders wirksam – gerade auch bei älteren Menschen. Zwei bis vier Patienten in der Gerontopsychiatrie des Klinikums werden jede Woche mit der EKT behandelt. Nebenwirkungen sind vor allen Gedächtnisstörungen, die vorübergehend sind. Das Demenzrisiko ist nach EKT-Behandlung sogar niedriger als ohne EKT.

Wie funktioniert die Elektrokonvulsions-Therapie (EKT)?

„Die Elektrokonvulsions-Therapie (kurz EKT) gehört zu den sogenannten neurostimulatorischen Verfahren“, erklärt Dr. Christine Thomas, Ärztliche Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie für Ältere. Für die Behandlung unter einer kurzen Narkose werden Elektroden am Kopf angebracht. Zusätzlich bekommt der Patient Medikamente, die die Muskeln entspannen, um Muskelverkrampfungen zu vermeiden. Mit Hilfe von kurzen elektrischen Stromreizen werden dann die Nervenzellen im Gehirn angeregt. Dr. Christine Thomas: „Durch die Stimulation werden die Botenstoffe im Gehirn freigesetzt, das Wachstum der Nervenzellen wird angeregt, ebenso wie die Vernetzung des Gehirns, die Depression wird dadurch schrittweise besser und bildet sich meist ganz zurück.“ Eine Behandlung bestehe meist aus zehn bis zwölf Einzelbehandlungen, die zwei- bis dreimal die Woche stattfinden.

Wie EKT hilft, die Depression zu überwinden

„Ich hatte damals nach dem Tod meines Mannes nicht nur eine schwere Depression, sondern auch Wahnvorstellungen. Die Krankenkasse zahlt die Behandlung nicht“, erzählt Marianne H. Da Medikamente bei ihr nicht den gewünschten Erfolg zeigten, bekam sie 2019 die ersten zwölf EKT-Behandlungen. „Danach ging es mir besser.“ Doch die emotionale Besserung wurde anfangs bei ihr von Verwirrtheit überlagert. „Das ist manchmal eine Nebenwirkung der EKT-Behandlung, die aber wieder verschwindet“, erklärt Dr. Christine Thomas. Und so war es auch bei Marianne H.

Im Jahr 2020 ist die Seniorin dann aus dem Schwarzwald nach Ludwigsburg gezogen, wo ihre Tochter mit ihrer Familie wohnt. Doch nach dem Umzug kam auch die Verstimmung zurück. „Ich hatte überhaupt keinen Appetit mehr und habe mich auch nicht mehr gut um mich selbst gekümmert“, erinnert sie sich an die schwere Zeit. Erneut verbrachte sie 2020 zwei Monate im Zentrum für Seelische Gesundheit und bekam eine EKT-Therapie, worauf es ihr wieder besser ging. Doch als sie 2022 die Medikamente in Eigenregie absetzte, kam die Erkrankung mit Wucht zurück. Erneut half ihr eine Serie von Stimulationen des Gehirns. „Ich habe daraus gelernt und nehme jetzt auch wieder meine Medikamente“, sagt die Seniorin und erzählt, dass es ihr richtig gut gehe. „Auch mein Gedächtnis ist heute viel besser als früher“, freut sich Marianne H. und erzählt, dass sie beim Gedächtnistraining im Betreuten Wohnen viel schneller sei als die anderen Bewohner.

Marianne H. ist sich bewusst, dass sie wieder in eine Depression rutschen kann und versucht deshalb, gut auf sich selbst aufzupassen und sich selbst nicht zu überfordern. Sie besucht einen Gymnastikkurs und Vorträge. Auch einen Trommelkurs hat sie schon belegt. „Meine Tochter holt mich auch jeden Sonntag ab“, freut sie sich und fügt hinzu: „Meine Tochter und ihre Familie sind eine Riesenstütze für mich.“


Zentrum für Seelische Gesundheit

Das Zentrum für Seelische Gesundheit des Klinikums Stuttgart ist eine der größten psychiatrischen Abteilungen an einem Allgemeinkrankenhaus in Deutschland. Es umfasst verschiedene Kliniken, darunter Psychiatrie und Psychotherapie für ältere Menschen sowie Suchtmedizin. Mit 409 vollstationären Betten und 120 tagesklinischen Plätzen bietet es umfassende Versorgung für psychiatrische Erkrankungen.

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie für ältere Menschen

In dieser Klinik werden ältere Patienten mit psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Psychosen und Demenz behandelt. Das Angebot umfasst ambulante Beratung, stationäre Behandlungen sowie Nachsorge und Angehörigenarbeit. Gemeinsam mit den somatischen Stationen bildet die Klinik das Multidisziplinäre Altersmedizinzentrum.

Schwerpunktstation Depression im Alter

Diese Station bietet Diagnostik und Therapie für ältere Patienten mit mittelschweren bis schweren Depressionen oder wiederkehrenden Depressionen kombiniert mit anderen seelischen und körperlichen Erkrankungen. Die Behandlung erfolgt durch ein multiprofessionelles Team aus Neurologen, Psychiatern, Psychologen und anderen Fachkräften. Ziel ist eine individuelle und spezialisierte Therapie für ältere Menschen.