Claudia Roth bei der Eröffnung der Documenta in Kassel Foto: IMAGO/Rüdiger Wö/k

Der Antisemitismus-Eklat bei der Documenta in Kassel ist im Kulturausschuss des Bundestages diskutiert worden. Die verantwortlichen Kollektive zeigen sich einsichtig, und die Kulturstaatsministerin übt Selbstkritik.

Die für antisemitische Darstellungen während der Kunstausstellung Documenta verantwortlichen Kunstkollektive haben sich erneut für ihre Arbeit entschuldigt. „Wir entschuldigen uns für den Schmerz und die Angst, die die antisemitischen Elemente in den Figuren und Zeichnungen bei all denjenigen hervorgerufen haben, die sie direkt vor Ort oder in den Reproduktionen der Medienberichterstattung gesehen haben“, sagte Ade Darmawan vom kuratierenden Kollektiv Ruangrupa am Mittwoch im Kulturausschuss des Bundestages. Er versuchte auch noch einmal die historische Situation nach dem Ende des Suharto-Regimes zu erklären, aus der das umstrittene Gemälde stammt: Es handele sich bei den Karikaturen um so etwas wie den Reimport einer Bildsprache, die zuvor von Europa nach Indonesien gekommen sei und dort für die bildliche Darstellung der chinesischen Minderheit Verwendung gefunden habe. Entschieden verwahrte sich Darmawan gegen die seit der Documenta-Eröffnung erhobenen Vorwürfe, Antisemitismus gehöre in Indonesien zum kulturellen Mainstream.

Bei der neben der Biennale in Venedig wichtigsten Ausstellung für Gegenwartskunst war nach der Eröffnung Mitte Juni eine Arbeit mit antisemitischer Bildsprache entdeckt worden. Das Banner „People’s Justice“ des indonesischen Kunstkollektivs Taring Padi wurde daraufhin abgehängt. Bereits vor der Eröffnung hatte es weitgehend unbelegte Antisemitismusvorwürfe gegen das kuratierende Kollektiv Ruangrupa gegeben, das ebenfalls aus Indonesien stammt.

Ruangrupa widerspricht: An der Documenta sind auch israelische Künstler beteiligt

Auch Taring Padi zeigte sich erneut einsichtig. „Das war ein Fehler, den wir eingestehen“, sagte das Kollektiv der Wochenzeitung „Die Zeit“. „Wir entschuldigen uns dafür. Auch für die Verletzungen, die diese Karikaturen angerichtet haben.“ Das Kollektiv habe bei der Entstehung der Arbeit vor 20 Jahren nicht begriffen, dass es sich um antisemitische Darstellungen handele. Es sei „Teil unseres Lernprozesses jetzt, wenn wir über das Thema sprechen und reflektieren.“

Für das kuratierende Team wies Darmawan Vorwürfe zurück, es seien keine Künstlerinnen und Künstler aus Israel auf der Documenta vertreten. „Es gibt keinen Boykott“, sagte Darmawan. Die Documenta zeige sowohl israelische als auch jüdische Künstlerinnen und Künstler, die auf eigenen Wunsch aber nicht genannt werden wollten. Auf der Documenta sind weit mehr als 1000 Künstlerinnen und Künstler vertreten, eine große Zahl von ihnen als Teil von Kollektiven.

Kulturstaatsministerin Claudia Roth übte Selbstkritik: Antisemitismus, sagte sie im Kulturausschuss, existiere „auch in Diskursen, die wir bisher zu sehr durch die Brille der Kapitalismuskritik und des postkolonialen Diskurses gesehen haben“. Und: Kuratorische Verantwortung sei „nicht das Gegenteil von Kunstfreiheit, sondern Teil davon“.