Emma Stone mit dem Oscar als beste Darstellerin für ihren Auftritt in „La La Land“ Foto: Invision/AP

Die Academy Awards gingen nicht nur ans weiße Establishment, einig war man sich im Widerstand gegen Donald Trump. Eine Panne am Ende der Verleihung des wichtigsten Filmpreises der Welt hat dann offenbart, wie gespalten Hollywood ist.

Los Angeles - Zweieinhalb Dankesreden haben die Macher von „La La Land“ schon gehalten, als sie erfahren, dass ein Fehler passiert ist, dass „Moonlight“ der beste Film ist. „Kein Witz“, sagt Produzent Jordan Horowitz fassungslos. Verkünder Warren Beatty erklärt zerknirscht, auf der ihm ausgehändigten Karte stünde „Emma Stone, La La Land“. So einen Eklat hat es noch nie gegeben bei den Oscars, für Momente herrscht Chaos auf der Bühne, die einen ziehen geschockt ab, die anderen können sich nur gebremst freuen.

Hier gibt’s den Liveticker zu den Oscars zum Nachlesen.

Dieses ungute Wechselbad der Gefühle beschert dem Oscar-Abend einen schalen Ausgang und offenbart, wie tief gespalten Hollywood ist. Beide Filme hätten den Sieg verdient. Aber sie beschreiben Milieus, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Hier die schönen, jungen Weißen im zauberhaften Jazz-Musical „La La Land“, die den Traum von der Selbstverwirklichung zelebrieren und eine große unerfüllte Liebe durchleben; dort der schwarze Junge in „Moonlight“, der im Problemviertel bei einer alleinerziehenden Drogistin aufwächst, in der Schule gemobbt wird, seine Homosexualität nicht leben kann und keine Perspektiven hat. Nun aber Luxusprobleme gegen existenzielle Nöte auszuspielen, wäre zu einfach – es handelt sich schlicht um fundamental unterschiedliche Lebensrealitäten, die einander nicht berühren. Aus dieser Zwickmühle gab es kein Entrinnen für die abstimmenden Mitglieder der Academy, die die Oscars vergibt.

Den hochbegabten Damien Chazelle (32) mit „La La Land“ zum jüngsten Regie-Preisträger aller Zeiten zu machen und „Moonlight“ zum besten Film, erscheint durchaus salomonisch – erst die Panne hat den Riss sichtbar gemacht. „La La Land“ ist nun einer von nur elf Filmen mit sechs Oscars, darunter den für die schillernde Emma Stone, die hier das Dilemma aller aufstrebenden Schauspielerinnen auf den Punkt bringt. Zugleich war nach zwei Jahren ohne afroamerikanische Nominierte das schwarze Kino präsenter denn je, echte Fehlentscheidungen hat es nicht gegeben.

Viele Appelle in den Dankesreden

Alles beginnt, wie man es von einer bislang als perfekt geltenden Show erwarten darf: Popstar Justin Timberlake wirbelt mit Gefolge ins Dolby Theatre, singt „Can’t Stop the Feeling“, etabliert Feierstimmung. Weiße und Afroamerikaner demonstrieren Einigkeit, begünstigt durch einen gemeinsamen Gegner, dem viele blaue Widerstandsschleifen auf Kleidern und Anzügen gelten. „Diese Übertragung wird von Millionen Amerikanern live angeschaut und weltweit in mehr als 225 Ländern – die uns nun alle hassen“, sagt der knitze Moderator Jimmy Kimmel. „Ich möchte Präsident Trump danken. Erinnern Sie sich an voriges Jahr, als es so schien, als wären die Oscars rassistisch? Das ist dank ihm vom Tisch.“ Dann begrüßt er, Bezug nehmend auf einen präsidentiellen Tweet, „die stark überschätzte Meryl Streep“.

Der Afroamerikaner Barry Jenkins widmet seinen Drehbuch-Oscar für „Moonlight“ allen, „die das Gefühl haben, nicht gesehen zu werden“, Viola Davis, als zwiespältige Jura-Professorin in der Serie „How to Get Away With Murder“ bereits Emmy-prämiert, dankt in einer ergreifenden Rede dem Dramatiker August Wilson dafür, dass er in „Fences“ „einfache Menschen mit großen Träumen exhumiert“ habe.

Dokumentarfilmerin Ezra Edelman widmet ihren Oscar allen „Opfern rassistisch motivierter Gewalt“. Der Animationsfilm „Zoomania“ handle davon, „dass Toleranz mächtiger ist als die Angst vor dem anderen“, sagt Co-Regisseur Rich Moore. Als der schwedische Kameramann Linus Sandgren seinen Oscar für „La La Land“ bekommt, witzelt Kimmel wieder über den tweetenden Trump: „Es tut uns so leid, was vorige Woche in Schweden passiert ist, ich hoffe, deinen Freunden geht es gut.“

Der Schlusseklat offenbart auch die Grenzen der Kunst

Der Iraner Asghar Farhadi, der für „The Salesman“ den Auslands-Oscar bekommt, aus Protest gegen Trumps Reisebann aber ferngeblieben ist, lässt verlesen: „Wer die Welt in ,wir’ und ,unsere Feinde’ einteilt, erzeugt Angst, eine trügerische Rechtfertigung für Aggression und Krieg.“ Bei allem Bedauern darüber, dass Maren Ade mit „Toni Erdmann“ nach Cannes und den Golden Globes wieder leer ausgegangen ist: Der Oscar für Farhadi mag politisch motiviert sein, ist aber künstlerisch hochverdient für sein feinsinniges Rachedrama.

Erste Spannungen bringt die Kür Casey Afflecks zum besten Darsteller. Er ist fantastisch in „Manchester by the Sea“ als gebrochener Mann, der selbstverschuldet seine Familie verloren hat und es nach dem Tod seines Bruders nicht schafft, für seinen sechzehnjährigen Neffen zu sorgen. Affleck widmet den Oscar brav seinem Konkurrenten Denzel Washington. Dessen Gesicht aber ist versteinert, als wäre er sich seines Triumphs sicher gewesen. Auch er brilliert im afroamerikanischen Historiendrama „Fences“ als selbstgerechter Patriarch, der an den eigenen Ansprüchen scheitert.

Der Schlusseklat offenbart dann auch die Grenzen der Kunst: Sie kann Mut machen und Denkanstöße liefern, aber keine mehrfach tief gespaltene Nation heilen. Das können nur die Menschen, wie Kimmel in einem ernsten Moment festgestellt hat: „Es beginnt bei uns.“