Die deutschen Gold-Damen (v. l.): Stephanie Beckert, Daniela Anschütz-Thoms, Anni Friesinger-Postma and Katrin Mattscherodt. Foto: dpa

Mit zwei denkwürdigen Rennen haben die deutschen Eisschnelläuferinnen Gold geholt.

Richmond - Slapstick-Einlagen und Bauchklatscher im Halbfinale, dann überschwänglicher Gold-Jubel: Trotz eines kuriosen Stolperlaufes von Anni Friesinger-Postma ist der „Deutschland- Express“ am Samstag bei den Winterspielen zu Olympia-Gold in der Team-Verfolgung gerauscht.

Im letzten Eisschnelllauf-Finale im Olympic Oval siegten die deutschen Damen nach einer furiosen Schlussrunde mit zwei Hundertstelsekunden Vorsprung vor Japan. Dabei schien zuvor gegen die USA schon alles verloren.

"Wie im Karussell"

„Das war heute ein Auf und Ab - wie im Karussell“, meinte Friesinger nach dem Happy End kopfschüttelnd und überglücklich. „Was da abging, kann man gut als Krimi verkaufen“, sagte ihre Kollegin Daniela Anschütz-Thoms.

Die angeschlagene Friesinger war 300 Meter vor dem Ziel nach Berührung eines Begrenzungs-Klötzchens gestrauchelt, fand nie wieder ihren Rhythmus, brüllte ihren Gefährtinnen hinterher und rutschte nach einem Sturz 20 Meter vor dem Ziel auf dem Bauch durch die Zeitmessung.

Reaktionsschnell hatte sie noch ein Bein nach vorne gerissen. „Das war entscheidend dafür, dass wir das Finale überhaupt erreicht haben“, meinte Bundestrainer Markus Eicher später.


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Wütend trommelte die Inzellerin zunächst mit den Fäusten auf das Eis und fluchte - ehe sie die „1“ auf der Anzeigetafel entdeckte und doch noch strahlte. Dabei profitierten die Deutschen von einer Schwäche der Amerikanerinnen auf den letzten 100 Metern: Ganze 0,23 Sekunden trennten schließlich im Ziel beide Teams.

"Dieses Rennen wird in die Geschichte eingehen“

„So etwas habe ich noch nie erlebt. Dieses Rennen wird in die Geschichte eingehen“, meinte DESG- Präsident Gerd Heinze. „Sie hat mir nur gesagt, sie war 'ganz leer', berichtete Friesingers Heimcoach Gianni Romme im TV-Interview. „Wie sie gefinisht hat, war unglaublich.“

Sein Schützling hatte schon am Freiag ein dickes Knie und war mit Schmerzmitteln aufs Eis gegangen. Nach dem Halbfinale zogen die Verantwortlichen die Konsequenzen und ersetzten die völlig entkräftete 16-malige Weltmeisterin durch Katrin Mattscherodt.

Die Berlinerin lief im Finale an der Seite der beiden Erfurterinnen Anschütz-Thoms und Stephanie Beckert. In dieser zuvor in zahlreichen Weltcups bewährten Formation eilten die Deutschen jedoch lange hinterher. „Es war schrecklich, das Finale von außen zu sehen“, sagte Friesinger.

Am Ende bewährte sich aber die von den Trainern vorgegebene Team-Taktik, in den beiden Schlussrunden auf die Führungsarbeit von Langstrecken-Spezialistin Beckert zu setzen. Mit dem Olympiasieg avancierte die Thüringerin nach zuvor zweimal Silber auf den Langstrecken zum deutschen Eisschnelllauf-Star von Richmond.

„Steffi ist unsere Lokomotive“, lobte Friesinger. Vor den Rennen hatte es einen tagelangen Streit um den Einsatz Friesingers gegeben, die erst in letzter Sekunde von Bundestrainer Eicher für die ersten beiden Runden nominiert worden war, nachdem Mattscherodt im 5000-Meter-Rennen enttäuscht hatte.

Wütende Friesinger am besten

Nach dem Rennen gegen die Niederlande hatte Eicher erstmals eingeräumt, wie sauer sein früherer Schützling über die ursprünglich geplante „Degradierung“ war. „Anni war total angefressen. Aber wenn sie ein bissel wütend ist, ist sie am besten.“

Friesinger holte sich bei ihren vierten und letzten Olympischen Spielen ihre fünfte Medaille und erfüllte sich im Finale den Traum vom dritten Olympia-Gold nach 2002 (1500 Meter) und 2006 (Team). Vor vier Jahren hatten Friesinger und Anschütz-Thoms als „Golden Girls“ in Turin mit der inzwischen gesperrten Claudia Pechstein bereits den ersten Team-Lauf der Olympia-Geschichte gewonnen.

Für Katrin Mattscherodt ist der Olympiasieg der erste internationale Erfolg. Kanadas Eisschnellläufer hatten zuvor Gold bei den Männern gewonnen. Mathieu Giroux, Lucas Makowsky und Denny Morrison besiegten im Finale die USA. Bronze sicherten sich die Niederlande. Ein deutsches Trio war nicht am Start.


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