Marlene Arnold hat ein offenes Ohr für Bürger in Not. Foto: Ines Rudel

Die Psychologin Marlene Arnold hilft seit Oktober Menschen, die in Not geraten und von Obdachlosigkeit bedroht sind. Die neue Anlaufstelle im Rathaus hat sich bewährt. Sogar eine Zwangsräumung konnte schon verhindert werden.

Eislingen - Der Verlust der Wohnung ist für viele Menschen der Beginn eines Falls ins Bodenlose. Mit einer neuen Anlaufstelle für betroffene Bürger im Rathaus will die Stadt Eislingen diesem Mechanismus etwas entgegensetzen. „Wir wollen eingreifen, bevor Obdachlosigkeit entsteht, wir leisten da Pionierarbeit“, sagt der Oberbürgermeister Klaus Heininger und erhält Rückendeckung vom Gemeinderat, der die neue Halbtagesstelle bewilligt hat. Seit Oktober ist die Psychologin Marlene Arnold für Menschen da, die in Not geraten sind. Dies sei keine Selbstverständlichkeit, da in solchen Fällen eigentlich der sozialpsychiatrische Dienst des Landkreises zuständig sei. „Doch die sind maßlos überlastet und haben eine lange Reaktionszeit“, sagt Heininger. Es gehe aber um schnelle Hilfe. Je früher die Abwärtsspirale durchbrochen werde, desto eher könnten Härten abgewendet werden. Heininger ist deshalb davon überzeugt, dass das Geld für diese „neue Freiwilligkeitsleistung“ der Stadt gut angelegt ist. „Wir investieren damit in die Prävention.“ Denn wer keine Wohnung habe, tue sich auch schwer bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz. Vor allem auch für die Kinder sei es wichtig, ein Zuhause und ein geregeltes Umfeld zu haben.

Rechnung scheint aufzugehen

Dass ein Handlungsbedarf besteht, hat die Stadtverwaltung aus der Tatsache abgeleitet, dass die Nachfrage nach Obdachlosenwohnungen in Eislingen seit Jahren konstant steigt. „2017 hatten wir 28 Anfragen, im vergangenen Jahr waren es bereits 30“, bilanziert Heininger. Doch es gebe nicht nur mehr Fälle, die Menschen blieben auch länger in den Obdachlosenunterkünften als dies in der Vergangenheit der Fall gewesen sei, weil es an bezahlbarem Wohnraum fehle. Die Entwicklung in Eislingen sei im Übrigen nicht ungewöhnlich. „Da geht es allen Kommunen, vor allem aber den größeren Städten, im Grunde genommen gleich“, sagt der Oberbürgermeister.

In der Hoffnung, im Rathaus Hilfe zu finden, seien betroffene Bürger in der Vergangenheit oft im Liegenschaftsamt oder im Ordnungsamt vorstellig geworden, jenen Stellen also, die im Rathaus mit diesen Themen befasst sind. Doch dort fehlten die Kapazitäten, sich intensiv um solche schwierigen Problemlagen zu kümmern.

Nach den Erfahrungen des ersten Vierteljahres scheint die Rechnung aufzugehen. „Wir haben den richtigen Ansatz gefunden“, davon ist der Oberbürgermeister überzeugt. Seit Marlene Arnold ihren Posten am 1. Oktober angetreten hat, ist sie pro Woche mit zwei bis drei neuen Fällen konfrontiert. Sie ist sicher, dass es in Zukunft noch mehr werden, wenn sich das neue Angebot herumgesprochen hat. 15 Fälle hat die Psychologin mittlerweile bereits bearbeitet. Zu ihrer Klientel zählen bei weitem nicht nur Menschen, die von der Stütze leben. „Von ganz normalen Arbeitnehmern aus der Mittelschicht bis hin zu Hartz-IV-Empfängern ist alles dabei“, sagt Marlene Arnold. Auch besser gestellte Bürger seien nicht davor gefeit, schwer krank oder arbeitslos zu werden und dadurch in eine finanzielle Schieflage zu geraten. Je nach Situation reiche ein einziger Kontakt, etwa wenn der Strom abgestellt wurde. „Da kann man leicht vermitteln, da reicht ein Gespräch“, sagt Marlene Arnold.

Psychologin fungiert als Lotsin

Manchmal aber ist eine längerfristige Unterstützung erforderlich. So sucht Marlene Arnold bei Bedarf das Gespräch mit dem Vermieter der hilfesuchenden Personen, um etwa eine Kündigung rückgängig zu machen. In einem Fall schaffte sie es sogar, dass eine Zwangsräumung zurückgenommen wurde. Die betreffende Familie hatte eineinhalb Jahre lang ihre Miete nicht bezahlt, die Fronten waren verhärtet. Dennoch bewirkte die Psychologin, dass die Familie in der Wohnung bleiben durfte. Dank der Intervention der Psychologin überweist allerdings künftig der Arbeitgeber die Miete direkt an den Vermieter.

Die meisten Menschen, die zu Marlene Arnold kommen, hätten eine Fülle an Problemen, bestätigt Heininger. Die Psychologin habe die Kapazität, als Lotsin zu fungieren und diese Menschen dabei zu unterstützen, den Überblick wieder zu gewinnen. Dies sei wichtig, weil viele sonst den Mut verlieren und irgendwann aufgeben würden.

Auch in den Obdachlosenunterkünften – die Stadt verfügt über 54 Plätze – soll Marlene Arnold regelmäßig präsent sein. Dieses Angebot werde nach und nach angenommen, sagt die Psychologin. Positive Rückmeldungen bekommt Marlene Arnold auch von den Mitarbeitern des Liegenschafts- und des Ordnungsamtes. Durch ihre Tätigkeit entlaste sie die Mitarbeiter, die dadurch mehr Zeit für ihr Kerngeschäft hätten. Und auch Vermieter sehen diese neutrale Vermittlerstelle positiv.