Aljona Sawtschenko und Bruno Massot: Die Saison kann endlich beginnen Foto: Baumann

Der deutsche Eiskunstlauf ist nicht gerade verwöhnt mit Erfolgen. Da tut es gut, dass ein neu formiertes Paar wieder seine Kreise zieht. Aber der Weg bis dahin war steinig, steil – und teuer.

München - Sieht es in diesem goldenen Herbst nicht so aus, als gäbe es im Sport an zu vielen Fronten Lug und Trug, als gäbe es kaum noch Geschichten ohne Stimmenfang und Gaunereien? Die Geschichte über die Eiskunstläufer Aljona Sawtschenko und Bruno Massot jedenfalls passt in diese verwirrende Zeit. Seitdem Mitte vergangener Woche die Startfreigabe des französischen Verbandes für Massot kam, obwohl der die Kriterien dazu bereits Monate zuvor erfüllt hatte, können die beiden nun endlich das tun, wonach ihnen der Sinn steht. Es war ein harter, nervenaufreibender Weg.

Zur Klärung ein Blick zurück. Nach fünf Weltmeistertiteln, vier Europameistertiteln und zwei olympischen Bronzemedaillen im Paarlauf hatten sich Aljona Sawtschenko und ihr langjähriger Eispartner Robin Szolkowy im Frühjahr 2014 getrennt. Szolkowy hatte genug, Sawtschenko wollte weitermachen und hatte auch schon einen Kandidaten parat, den jungen französischen Kollegen Massot. Der Winter 2014/15 fiel in dessen reguläre Sperre bei einem Verbandswechsel, aber selbst als die Sperre abgelaufen war, bewegte sich nichts. Die Deutsche Eislauf-Union (DEU) versuchte den französischen Verband und dessen Präsidenten Didier Gailhaguet zur Freigabe zu bewegen, als das nichts nützte, wandte sich die DEU an den internationalen Dachverband (Isu).

Aber die Isu bot keine Hilfe an, sondern verkündete, das sollten die beiden betroffenen Verbände doch bitte freundschaftlich untereinander klären. Als das Paar während eines Trainingsaufenthaltes im September in der Schweiz persönlich in der Isu-Zentrale in Lausanne anklopfte, war keiner der Verantwortlichen zu sprechen; stattdessen drückte man den Läufern ein Regelbuch in die Hand.

Am Ende war das Wohl des Paares entscheidend

Schließlich flogen der Vizepräsident der DEU, Uwe Harnos, und Sportdirektor Udo Dönsdorf nach Paris zu Monsieur Gailhaguet, der eine so deklarierte Aufwandsentschädigung für die eisläuferische Ausbildung von Massot verlangte. Er verlangte zunächst 100 000 Euro, dann 70 000 und sagte, er stehe unter dem Druck seines Ministeriums (neben Massot gibt es zwei andere Fälle gleicher Art). Bei 30 000 einigten sich die Herren, auf deutscher Seite mit der Billigung des DOSB und des Bundesinnenministeriums.

Bei einer Pressekonferenz am Dienstag im Münchner Olympiapark meinte Uwe Harnos, der Jurist ist, aus seiner Sicht sei das internationale Regelwerk eindeutig, das bisherige Verhalten der Franzosen sei einem Berufsverbot für Sawtschenko und Massot gleichgekommen, und natürlich hätte man über Rechtsmittel nachdenken können. Am Ende sei das Wohl des Paares entscheidend gewesen. „Wir mussten es jetzt lösen, damit Aljona und Bruno eine Chance haben weiterzumachen.“ Die Wettbewerbe des Winters haben längst begonnen, es ist höchste Zeit.

Die Deutsche Eislauf-Union ist ein klammer Verband, der vor nicht allzu langer Zeit kurz vor der Pleite stand; da gibt es keine Portokasse mit 30 000 Euro. Die Summe wird nun von der DEU aus Grundfördermitteln vorfinanziert, aber Aljona Sawtschenko und Bruno Massot werden sich daran beteiligen müssen, auch mit ungewöhnlichen Aktionen. Auf einem Spendenkonto sind bereits 2000 Euro eingegangen, und da sie nun nach der Freigabe auch wieder bei Schaulaufen auftreten dürfen, haben sie die Chance, aus eigener Kraft zum Lebensunterhalt beizutragen.

Endlich wieder Gas geben

So weit die rechtliche, moralische und finanzielle Seite der Geschichte; bleiben die sportliche und die persönliche. Die Zeit des Wartens, sagt Aljona Sawtschenko, sei sehr schwer gewesen. „Immer haben wir uns gefragt: Ist es nächste Woche so weit, nächsten Monat oder nächstes Jahr? Wir freuen uns riesig, dass es jetzt endlich losgeht.“ Bei zwei internationalen Wettbewerben in der kommenden Woche in Tallinn/Estland und Ende November in Warschau wird das Paar versuchen, die von der Isu für einen Start bei Europa- oder Weltmeisterschaften vorgeschriebene Punktzahl zu erreichen. Danach wollen sich die beiden bei den deutschen Meisterschaften Mitte Dezember in Essen für die EM im Januar qualifizieren, was sich machen lassen sollte, da die DEU über zwei Startplätze für die EM verfügt.

Die Frage nach seinen Zielen für die Wettbewerbe des ersten Winters mit der fünfmaligen Weltmeisterin an seiner Seite beantwortet Bruno Massot so: „Ich denke, wir werden unseren Platz finden müssen in dieser ersten Saison.“ Aber die Rechnung hat er ohne seine energische Partnerin gemacht, die sofort korrigiert: „Ja, aber das gilt nur für den ersten Wettbewerb.“ Aljona Sawtschenko ist sichtlich froh, dass sie endlich wieder Gas geben darf.