Bundestrainer Marco Sturm freut sich auf das WM-Auftaktspiel gegen die USA. Foto: dpa

Das Kribbeln beim Nationalteam vor dem WM-Auftakt wird immer heftiger. Mithilfe der euphorischen Fans in Köln soll die Mannschaft ins Viertelfinale stürmen – oder vielleicht noch weiter.

Stuttgart - An den 28. April 2001 kann sich Marco Sturm noch gut erinnern. 3:1 gewann die deutsche Mannschaft gegen die Schweiz, es war das Eröffnungsspiel der WM 2001 in Köln – und der heutige Bundestrainer erzielte das 1:0. „Es war nicht das schönste Tor meiner Karriere, ich wurde angeschossen“, erzählt Sturm, „2001 war für mich eines der schönsten Turniere. Wir haben gleich gegen ein Team gewonnen, gegen das viele eine Niederlage erwartet hatten.“ Ähnliches erhofft sich der 38 Jahre alte Nationalcoach auch für diesen Freitag, den 5. Mai 2017, wenn sein Team zum WM-Start in Köln auf die USA trifft (20.15 Uhr/Sport 1).

Doch die US-Boys sind die Favoriten, auch wenn Topstürmer Patrick Kane trotz des Aus seiner Chicago Blackhawks in der NHL nicht nach Good old Germany fliegen wollte. „Sie kommen mit einer sehr guten NHL-Truppe, das hätte ich nicht gedacht“, bemerkt Sturm über das Team um Kapitän Connor Murphy (Arizona Coyotes), den Teamkollegen des Deutschen Tobias Rieder. Wir klären die wichtigsten Fragen vor dem WM-Start mit den Partien Schweden gegen Russland in Köln und Finnland gegen Weißrussland (beide 16.15 Uhr) in Paris.

Die Chancen der Deutschen Wer an das schier Unmögliche glaubt und auf Deutschland als Weltmeister setzt, bekäme im Erfolgsfall pro Euro stolze 81 zurück. „Niemand erwartet, dass wir Weltmeister werden – aber das wäre schon toll“, sagte Stürmer Felix Schütz mit einem breiten Schmunzeln. Träumen ist nicht verboten, doch die Verantwortlichen des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) wären schon zufrieden, wenn Sturms Team ins Viertelfinale einzieht, wie dies 2016 in Russlang gelungen ist. Die Mannschaft ist nominell besser besetzt als jene, mit der Bundestrainer Uwe Krupp vor sieben Jahren im Halbfinale knapp an Russland (1:2) gescheitert war. Mit Glück ist eine Wiederholung nicht utopisch – mit Sturm (an der Bande) und Drang (auf dem Eis). „Wir haben sieben schwere Spiele und müssen es irgendwie schaffen, unter die ersten vier zu kommen, um das Viertelfinale zu erreichen. Das Potenzial ist da“, sagte DEB-Präsident Franz Reindl.

Die Favoriten Titelverteidiger Kanada würde mit einem Triumph mit Rekordchampion Russland gleichzeihen – beide hätten dann 27 Titel. Die Russen haben bislang nur sechs NHL-Stars im Kader, sie hoffen auf Alexander Owetschkin, der mit den Washington Capitals in den Play-offs gegen die Pittsburg Penguins (mit Tom Kühnhackl) steht. Die Capitals liegen in der Serie 1:3 zurück, am Samstag findet Partie fünf statt – Owetschkin ist für die Sbornaja zum Greifen nah. Die defensivstarken Schweden und die Finnen könnten die zwei Großen allerdings ärgern.

Die NHL-Cracks Wie immer fehlen die Weltstars, weil sie in den Play-offs stehen. Kanada tritt aber mit einem Team an, das nur aus NHL-Profis besteht; auf die Stürmer Matt Duchene und Ryan O’Reilly ist zu achten. Für Tschechien spielt David Pastrnak, der für Boston in 75 Spielen 70 Scorerpunkte erzielte. Bei Russland steht Nikita Kutscherow im Fokus (74 Spiele/85 Punkte).

Die deutschen Stars Thomas Greiss (New York Islanders) ist die Nummer eins im Tor und steht gegen die USA zwischen den Pfosten. Dennis Seidenberg (Islanders/35), der schon 2001 mit Sturm auf dem Eis stand, soll vor dem eigenen Tor abräumen. Und Tobias Rieder (Arizona) ist mit seiner Schnelligkeit und Torgefährlichkeit für die entscheidenden Momente im Sturm vorgesehen. Sehr willkommen wären Jungstar Leon Draisaitl (Edmonton Oilers), Korbinian Holzer (Anaheim Ducks) und Tom Kühnhackl (Pittsburgh Penguins) – sollten sie in der NHL ausscheiden, würden sie sofort in die alte Heimat jetten. Sturm hält daher noch Plätze im WM-Kader offen. „Keiner kann allein ein Spiel entscheiden“, betont der 38-Jährige, „wir müssen als Team zum Erfolg kommen.“

Die Youngster Sturm hat bewusst Talente ins Team gestellt, um diese an große Aufgaben heranzuführen. Frederik Tiffels (21), in den USA lediglich in einem College-Team auf dem Eis, überzeugte mit drei Toren und einer Vorlage in den Tests gegen Lettland. „Er hat alles umgesetzt, was wir verlangt haben“, sagt der Bundestrainer, „er brennt.“ Für Mittelstürmer Dominik Kahun (21) ist es nach 2016 schon die zweite WM.

Vielleicht beginnt die Heim-WM 2017 für den Bundestrainer Sturm, wie die Heim-WM 2001 für den Spieler Sturm angefangen hat: mit einem Erfolgserlebnis. Nur wird er an diesem Freitag kaum ein Tor erzielen.