Die Patrizia AG will Eisenbahner-Wohnungen im Stuttgarter Norden behalten. Foto: Piechowski

OB Schuster und Kämmerer Föll wollen noch nicht aufgeben – Ärger im Rathaus über die LBBW.

stuttgart - Den Poker um den großen Wohnungsbestand der Firma LBBW-Immobilien hatten OB Wolfgang Schuster, Finanzbürgermeister Michael Föll und ihre Partner in einem Baden-Württemberg-Konsortium schon am Montagabend verloren. Die Verkäuferin von 21.500 Wohnungen gab den Zuschlag einem Konsortium um die Augsburger Patrizia AG. Am Mittwoch folgte der nächste Dämpfer für die Stadtoberen.

Patrizia ließ wissen, dass sie alle Wohnungen im Bestand halten und verwalten wolle. Der Verkauf einzelner Gesellschaften sei ausdrücklich nicht vorgesehen – das war auf die 4884 Eisenbahner-Wohnungen gemünzt, die über die Eisenbahn-Siedlungsgesellschaft (ESG) in den Bestand der LBBW gekommen waren und von denen ein Teil im Nordbahnhofviertel liegt.

Die Stadtverwaltung möchte sie kaufen und so sicherstellen, dass die Mieter den größtmöglichen Schutz vor Mietpreissteigerungen erhalten und die soziale Struktur in dem Viertel sich nicht völlig wandelt. Umso mehr dürfte die Begründung der Patrizia AG für die Absage verwundern: So eine Veräußerung „widerspräche auch der Sozialcharta“, erklärte Patrizia-Sprecher Andreas Menke.

Große Unterschiede beim Sozialschutz

Die Frage, welcher Anbieter die bessere Sozialcharta versprach und wie die LBBW-Muttergesellschaft damit hätte verfahren müssen, sorgte am Mittwochmittag prompt für Turbulenzen. Hinter verschlossenen Türen stand der LBBW-Vorstandsvorsitzende Hans-Jörg Vetter dem Finanzausschuss des Gemeinderats Rede und Antwort. Manche Teilnehmer sprachen danach von Ernüchterung über das städtische Beteiligungsunternehmen LBBW und ihren Vorstandschef. Ein anderer Stadtrat sagte unserer Zeitung: „Da gab es auch Enttäuschung und Verbitterung.“ Ein weiterer Teilnehmer berichtete, die Fraktionen, allerdings nicht die Liberalen, hätten erkennen lassen, dass man das Engagement der Stadt bei der LBBW mittelfristig überdenken sollte, wenn die Bank ihren öffentlich-rechtlichen Charakter und die soziale Verpflichtung verloren habe.

Grund des Ärgers: Zwischen den Angeboten habe es beim sozialen Schutz für die Mieter große Unterschiede gegeben. Die LBBW hätte Konsequenzen daraus ziehen müssen.

Vetter bestritt offenbar jedoch, dass diese Gesichtspunkte berücksichtigt werden durften. Das beim eigentlichen Angebotspreis günstigere Gebot habe nach den Vorgaben der EU-Kommission zwingend berücksichtigt werden müssen. Eine anders lautende Aussage der Pressesprecherin des zuständigen EU-Kommissars, die sich gegenüber unserer Zeitung erklärt hatte, wischte Vetter als verkürzte Position vom Tisch. Andererseits soll er wie am Dienstag die Unterschiede zwischen den sozialen Konditionen als vernachlässigbar dargestellt haben.

Placebo für die Stadt

Wenn die Patrizia AG für gleiche Sozialstandards stehe, könne sie ja die vom BW-Konsortium entworfene Sozialcharta unterschreiben, meinten die Fraktionen. Nach der Sitzung sagten Teilnehmer, falls die Patrizia AG sich dazu durchringe, könnte es eine Mehrheit geben für eine zehnprozentige Beteiligung der Landeshauptstadt am kompletten Wohnungspaket, ohne Zusage nicht.

„Dass unsere Sozialcharta unterschrieben wird, ist die Voraussetzung“, sagte Föll auf Anfrage. Seine Zuversicht ist aber gering, denn mit dem Angebot habe der Stadt nach seinem Eindruck „ein Placebo verabreicht werden“ sollen. Dem Vorstand und dem Verwaltungsrat der LBBW sei der Gedanke der sozialen Verpflichtung einfach nicht wichtig gewesen. Sonst hätten sie dem Patrizia-Konsortium gleiche Sozialkonditionen auferlegen können. Insofern habe man bei Vetters Besuch im Rathaus „den Auftritt des Unschuldslamms erlebt, das Krokodilstränen vergießt“. Strategische Entscheidungen über das Engagement bei der LBBW aus der Verärgerung heraus, lehnte Föll ab. Die Zeit und der Anlass, über die Sinnhaftigkeit nachzudenken, „werden aber kommen“.

Mindestens der Form halber wolle man das Angebot für den Wohnungskauf im Nordbahnhofviertel noch schriftlich abgeben. Außerdem werde man sich heute, wenn die Fraktionen das Thema beraten, wohl eine Erhaltungssatzung für das Viertel vornehmen. „Das ist nicht seligmachend, aber damit können wir wenigstens etwas die Mietpreiserhöhungen nach Wohnungsmodernisierungen begrenzen“, sagte Föll.