Die Stoppuhr läuft: Der Student Silas Bairinger (rechts) und der Schreiner Nils Skarek bleiben 42 Minuten im Eiswasser – Rekord! Foto: /Lichtgut/Ferdinando Iannone

Wie viel Freude es bereitet, zusammen was Verrücktes zu tun, wird auf der Diemershalde klar: 360 Mutige steigen in Eistonnen, ein Sponsor belohnt sie dafür. Mit jeder Minute im Bibber-Becken steigt die Spendensumme. 52.215 Euro gehen an das Kinderhospiz.

Ice, ice, baby! Bei der dritten Ice-Challenge für das Kinder- und Jugendhospiz Stuttgart ist es am Samstag im dortigen Garten mit wunderbarer Aussicht auf die Stadt noch voller als zuvor – und das Wasser ist noch kälter. Vor einem Jahr lagen die Außentemperaturen im zweistelligen Plusbereich. Die Feuerwehr hatte noch extra Eisblocks gekauft, damit die Tonnen halbwegs kalt wurden. Diesmal ist das Wasser, das man am Vortag in die Becken eingefüllt hat, über Nacht zugefroren und muss am Morgen mit dem Hammer aufgeschlagen werden.

 

Der Hosen-Hit „Eisgekühlter Bommerlunder“ dröhnt aus den Boxen, während die Mutigen in das etwa zwei Grad kalte Wasser steigen. Wie sich’s anfühlt? „Am schlimmsten sind die kalten Zehen“, sagt einer im Eisbad, „ansonsten spür’ ich nichts mehr.“ Sein Rat: Schnell reinsteigen, langsam atmen – und schon fühle man sich wie neu geboren.

Die Idee dazu hatte der Berufsfeuerwehrmann Severin Frank

Die Abmachung gilt: Für jede Minute in der Eistonne zahlt ein Sponsor aus Waiblingen Geld an das Kinderhospiz. Ehrenamtliche Helfer von der Feuerwehr und dem Hospiz notieren die Zeiten. Am Ende kommen 360 Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf 4400 Minuten, denen das Kinderhospiz nun einen Erlös von exakt 52.215 Euro verdankt. Ein Spitzenergebnis mit 42 Minuten erzielen der Student Silas Bairinger und der Schreiner Nils Skarek, die sich vom Sport kennen und beide im Bibber-Becken Mütze tragen. Sie gehen regelmäßig zum Eisbaden, weil das sehr gut für den Körper sei.

Die Eistonnen stehen im Hospizgarten. /Andreas Rosar

Bei Kälte werden Adrenalin und entzündungshemmende Stoffe ausgeschüttet. Zudem empfinden viele das Wärmegefühl, das durch die bessere Durchblutung nach dem Kälte-Kick entsteht, als angenehm. Die Idee zum Frozen Benefiz für das Kinderhospiz stammt von dem Berufsfeuerwehrmann Severin Frank. Der 38-Jährige, als Taucher oft im Einsatz, besitzt daheim im Garten eine Regentonne, die er mit Eiswasser füllt und in die er sich täglich vor dem Frühstück hineinsetzt, um seine Immunabwehr zu stärken, um damit also gesund zu bleiben. Inzwischen schwimmt er auch regelmäßig in eiskalten Flüssen. Das Resultat ist beste Gesundheit. Erkältungen kennt er nicht mehr.

Christina Semrau, die Fundraiserin des Kinderhospizes, mag es, wenn Spenden auch noch Spaß macht. Die fröhlichsten Frostbeulen der Stadt versammelt sie um sich und trägt mit ihrer Moderation dazu bei, dass sich alle wohl fühlen. Die stationäre Einrichtung in der früheren Villa des französischen Generalkonsulats werde zwar von öffentlicher Hand unterstützt, sagt sie, doch das Geld reiche nicht, damit auch die Eltern und Geschwister bei den erkrankten Kindern übernachten könnten. Mit einer ungewöhnlichen Spendenaktion wie der Ice Challenge wird der Fokus auf dieses wichtige Haus der Hilfe gelegt, was Semrau gefällt.

Ein Kind mit einer lebensverkürzenden Krankheit will man nicht allein ohne Familie lassen. Das 2017 eröffnete Kinderhospiz ist nicht nur Sterbebegleitung. Es ist eine Chance für Familien, Kraft zu tanken und im Kontakt mit anderen zu spüren: Man ist nicht allein.

Zu den 360 Eisbadenden in vier Stunden gesellen sich am Samstag mindestens doppelt so viele Zuschauer, die als mentale Unterstützer spenden, etwa über großzügige Bezahlung von Punsch, Glühwein und Paella. Die Ice Challenge hat sich als fester Termin im Stadtleben zum Jahresbeginn etabliert. Im Hospizgarten herrscht drangvolle Enge. Wer aus der Eistonne steigt, kann sich in einer mobilen Sauna aufwärmen, die es in den Vorjahren nicht gab.

Coole Wellen der gute Laune breiten sich aus

Den jungen Bewohnerinnen und Bewohnern drinnen, ist zu hören, gefällt, was vor dem Haus mit DJ Harry Garcia geschieht. Coole Wellen der guten Laune breiten sich aus. Die einen sehen in den Eiswannen entspannt aus, als seien sie im Süden am Meer. Bei anderen wird die Haut immer röter. Die Rettungskräfte, von denen viele auch in die Tonne steigen, haben nichts zu tun: Es werden keine gesundheitlichen Probleme gemeldet.

In die Promi-Wanne klettert ein absoluter Eisexperte: Maximilian Mann, der als Dschinni in „Aladdin“ zum Publikumsliebling des Stuttgarter Musicals geworden ist, arbeitet mittlerweile backstage als Künstlerischer Leiter von Disneys „Eiskönigin“. Die Bühne des Apollo-Theaters wird Abend für Abend festgefroren – zumindest zum Schein. Im Hospizgarten ist die Eiseskälte nun echt. Der „schöne Max“, wie man ihn früher nannte, war schon im vergangenen Jahr bei der Ice Challenge dabei und so begeistert davon, dass er sich für daheim eine Eistonne zum regelmäßigen Eintauchen gekauft hat.

Vielen wird’s bei Eiseskälte warm ums Herz

Diesmal hat Maximilian Mann seine italienische Frau, die Musicalsängerin Fabiana Denicolo, mitgebracht, die ihn beim Eisbaden begleitet. In ihrer Wanne sitzt außerdem der frühere VfB-Star Timo Hildebrand, dem gesellschaftliches Engagement wichtig ist und der sich auf vielfältige Weise für ein Miteinander engagiert. „Es tut weh“, sagt er, „aber für einen guten Zweck macht man es gern.“ Winzer Thomas Diehl neben ihm leidet ebenfalls, aber beißt die Zähne zusammen, damit viel Geld zusammenkommt. Außerdem gesehen: Philipp Fischer, Boris Ritter und Thomas Niedermüller von der Initiative Art Support, die in der Pandemie mit Benefizveranstaltungen Künstler ohne Einnahmen unterstützt hat.

Maximilian Mann (rechts), neben dem Winzer Thomas Diehl. Auch VfB-Legende Timo Hildebrand (zweiter von links) nimmt in der Wanne Platz. Foto: Andreas Rosar/Fotoagentur Stuttgart

Von draußen schaut DJ Robin („Layla“) zu, der aus gesundheitlichen Gründen nicht ins Eiswasser geht, aber seit Jahren ein treuer Spender des Kinderhospizes ist. Außerdem gesehen: Varieté-Direktor Timo Steinhauer, Influencerin Maritta Krehl, die Sängerin Babs Steinbock von den DooWop-Mädla und Opernstar Elliott Carlton Hines.

Es ist bitterkalt an diesem Samstag – aber trotzdem wird’s vielen warm ums Herz, wenn sie sehen, wie engagiert für den guten Zweck gezittert wird. Gemeinsam ist man stark! Die Nächstenliebe erfriert, wenn alle nur immer an sich selbst denken. Doch im Garten des Kinderhospizes geht die Solidarität unter die Haut.