Monika und Jürgen Reimold müssen ihr Bastelgeschäft in Unteraichen schließen. Die Konkurrenz des Internets und der Discounter zwingt sie zu diesem Schritt. Foto: Caroline Holowiecki

Generationen von Hobbybastlern kennen den kleinen und engen Laden der Reimolds in Unteraichen. Er ist eine Institution. Nach 50 Jahren soll Schluss sein. Wir erklären, warum – und wie es weiter geht.

Leinfelden - Bei den Reimolds ist Frühling, Sommer, Herbst und Winter auf einmal. Rechts in der Ecke wird Weihnachten gefeiert, hinten an der Wand ist schon wieder – oder immer noch – Ostern, und auf dem Weg dorthin kommt man an der Babyparty und der Einschulungsfeier vorbei. Blumen, Halloween-Kürbisse, Schneemänner – der Bastelladen im Leinfeldener Ortsteil Unteraichen ist ein Reich der Fantasie. Seit 51 Jahren ist er in der Hand der Familie, erklärt Jürgen Reimold (56). Seine Eltern hatten das Geschäft 1967 eröffnet, heute steht sechs Tage die Woche Ehefrau Monika (55) hinter der Theke und verkauft Glitzerpapier, Stempel und Schmuckbordüren an kreative Köpfe.

Doch jetzt sind die Reimolds mit ihrer Kreativität am Ende. Am 15. Dezember werden sie den Laden für immer schließen, am 12. November startet der große Ausverkauf. Es läuft nicht mehr, sagen die Eheleute, ohne lang zu fackeln. Bereits vor zwei Jahren haben sie den Bereich Modellbau aufgegeben und einen Teil des Ladenbereichs abgetrennt. Seit gut und gerne zehn Jahren schon bröckele das Geschäft. „Ich glaube, dass häufig anderswo gekauft wird“, sagt Monika Reimold. Unter der Übermacht des Internets leidet der Einzelhandel branchenübergreifend und landauf, landab sowieso, und am Standort Unteraichen mache der Dauerstau das Geschäft noch schwieriger. „Nach Feierabend geschwind was holen? Da dreht doch jeder an der ersten Möglichkeit wieder um“, sagt Jürgen Reimold und schnauft schwermütig.

Der Bastel- und Modellbau-Boom ist längst vorbei

Hinzu kommt, dass die Drogerien und Discounter in der direkten Nachbarschaft regelmäßig saisonale Deko und Papeterie im Sortiment haben – zu Niedrigpreisen, die der kleine Bastelladen nicht anbieten kann. „Wer soll dann noch bei mir kaufen?“, fragt Monika Reimold. Der Bastel- und Modellbau-Boom der 90er sei ohnehin passé, erklärt ihr Mann: „Wir haben die Jugend nicht mehr begeistert.“ Internetspiele kämen besser an als Basteleien. „Ich höre immer von den Omas und Müttern, dass heute alles ganz schnell gehen muss“, sagt die Gattin. Am 19. September sei die Entscheidung gefallen. Monika Reimold erinnert sich noch genau an diesen „ganz gefrusteten Tag“. Nach der Sommerpause habe eine große Flaute geherrscht. „Ich habe mir an dem Tag viermal durchgerechnet, was ich einnehmen muss, dass die Fixkosten drin sind – und da ist noch keine Ware gekauft.“

Ihr Mann beendet den Satz. „No way“, sagt er und fügt an: „Wir sind nicht blindlings unterwegs, dass wir irgendwelchen Träumen nachhängen.“ Die Reimolds halten einen harten Schnitt für unausweichlich und richtig. Monika Reimold bekennt: Seit der Entscheidung verspüre sie eine Erleichterung. Sie müsse nicht mehr kämpfen.

Jetzt heißt es bei Bastel Reimold: Alles muss so schnell wie möglich raus. Bis zu 75 Prozent Rabatt soll die Regale möglichst schnell leeren. Dann will das Paar alsbald die Räume vermieten. Jürgen Reimold arbeitet bereits seit zwei Jahren in einer anderen Branche; Monika Reimold, eine gelernte Bürokauffrau, wird sich auch einen neuen Job suchen müssen. Sie atmet tief ein. Zunächst müsse sie alles eine Zeit lang sacken lassen, „chillen“, sagt sie lächelnd. Frische Kreativität sammeln – und dann an einer neuen Zukunft basteln.