Leerstand ist nie gut – egal, wo er zu finden ist. Foto: imago images/Rupert Oberhäuser

Ladensterben und in der Folge Leerstände – damit hat der Einzelhandel in Stuttgart zu kämpfen. Im Heimat-Check kritisieren viele Anwohner die mangelnde Nahversorgung. Die Umfrage zeigt aber auch, wie stark die Bezirke bei der Bewertung des Themas auseinanderklaffen.

Wer als Einzelhändler überleben möchte, hat es nicht einfach. Die Corona-Pandemie samt Lockdown, die Energiekrise, das sich wandelnde Einkaufsverhalten der Kundinnen und Kunden in Richtung Online-Handel, der Mangel an Fachkräften: All diese Faktoren haben einen entscheidenden und meist negativen Einfluss auf den Umsatz. Egal ob auf der Königstraße oder in den Außenstadtbezirken, immer öfter werden in Stuttgart Filialen geschlossen und müssen inhabergeführte Geschäfte aufgeben.

 

Der Umsatz im Onlinehandel ist derzeit rückläufig

Auch wenn die Umsätze im Onlinehandel aktuell rückläufig sind, wie der Bundesverband E-Commerce und der Verein Versandhandel Deutschland berichtet, müssen die Einzelhändler ihre Waren auch im Internet anbieten, um mithalten zu können. Zudem setzen immer mehr Geschäfte und Unternehmen auf Veranstaltungen und Events, um Kunden zu gewinnen und um sie zu halten. Einkaufen muss in der heutigen Zeit immer mehr zum Erlebnis werden, um konkurrenzfähig zu sein.

Leichter gesagt als getan. An vielen Stellen im Stadtgebiet ist die Abwärtsspirale aktuell nicht aufzuhalten. Leerstände, fehlender Branchenmix und mangelnde Nahversorgung sind die Folgen. Das spiegeln auch die Ergebnisse der nicht repräsentativen Umfrage Heimat-Check unserer Redaktion wider, an der sich rund 11 000 Stuttgarterinnen und Stuttgarter beteiligt haben. Wir haben gefragt „Wie gut ist das Angebot an Lebensmittelgeschäften in Ihrem Stadtbezirk?“ und „Wie bewerten Sie das Einzelhandelsangebot in Ihrem Stadtbezirk?“

Untertürkheimer fahren lieber nach Fellbach oder Esslingen

Am besten hat Degerloch abgeschnitten, mit einem Wert von 7,73. Die Skala reicht von 1 (negativste Bewertung) bis 10 (positivste Bewertung). Die Top Fünf liegen alle über dem Wert 7: S-Mitte, S-West, Feuerbach und Sillenbuch. Ab Position 13, Bad Cannstatt, wird es unterdurchschnittlich. Insgesamt schneidet die Kategorie Einzelhandel im Stimmungsbild der Umfrageteilnehmerinnen und -teilnehmer mit 5,82 Punkten unterdurchschnittlich ab. Das Gesamt-Ergebnis der Stadt liegt bei 5,84.

Beim Einzelhandel liegt Untertürkheim etwas abgeschlagen auf dem letzten Platz – mit nur 3,73 Punkten. „Wir haben leider keine Drogerie. Und dieses Ladensterben ist auch schlimm“, heißt es in den Kommentaren. „Es gibt keinen Metzger und nur einen Bäcker.“ Einkaufen gingen die Untertürkheimerinnen und Untertürkheimer woanders – nämlich in der Innenstadt, in Fellbach oder in Esslingen. Zudem sei man ohne Auto im Stadtbezirk einfach aufgeschmissen.

Für einen Drogeriemarkt gibt es nicht genug Fläche

Die Bezirksvorsteherin Dagmar Wenzel beschreibt die Situation in Untertürkheim wie folgt: „Die Nahversorgung ist nicht optimal.“ Im Ortszentrum gebe es nur noch einen Cap-Markt und zwei bis drei Einzelhändler. „Wir hatten einmal drei Metzger in Untertürkheim. Jetzt sind alle weg – teilweise, weil sie keinen Nachfolger gefunden haben“, sagt Wenzel. Grundsätzlich sei es schwierig, neue Einzelhändler in den Stadtbezirk zu locken. „Wir haben in unserem historischen Ortszentrum zu kleine Ladenflächen. Für einen Drogeriemarkt bräuchten wir mindestens 600 Quadratmeter. Dafür müssten wir die komplette Augsburger Straße kaufen und alle Ladenflächen miteinander verbinden.“

Der große Wurf könnte nun auf dem Postareal gelingen. Ein Aldi, Bäcker, Ärztehaus und eine Kita seien dort unter anderem geplant. Wann auf dem Grundstück jedoch die Eröffnungen stattfinden können, da möchte sich Wenzel nicht festlegen. Es sei schon zu mehreren zeitlichen Verzögerungen gekommen.

In 24 Gebieten in der Stadt gibt es keine direkte Nahversorgung

Und wie sieht es in den anderen Stadtbezirken aus? Die Beobachtungen aus Untertürkheim sind kein Einzelfall. Laut der Wirtschaftsförderung gibt es immer mehr unterversorgte Gebiete in der Stadt: „Nach aktuellen Erhebungen leben knapp 30 Prozent der Stuttgarter Bevölkerung in einem Defizitraum.“ Somit stünde fußläufig in einem Radius von 500 Meter kein Lebensmittelangebot zur Verfügung. Akuter Handlungsbedarf bestehe in 24 Teilräumen. In diesen Gebieten gebe es gar kein Nahversorgungsangebot und der nächste größere Lebensmittelmarkt sei mehr als 1000 Meter entfernt. Hierzu gehören unter anderem die Stadtteile Birkenäcker (Bad Cannstatt), Schönberg (Birkach), Lemberg-Föhrich (Feuerbach), Sonnenberg (Möhringen), Mönchfeld (Mühlhausen), Frauenkopf (S-Ost), Stammheim-Süd, Rotenberg (Untertürkheim), Dachswald (Vaihingen), Zazenhausen und Neuwirtshaus (beide Zuffenhausen). Das Engagement der Stadtverwaltung zur Schließung vorhandener Nahversorgungslücken konzentriert sich insbesondere auf diese Räume.

Ein rollender Mini-Supermarkt könnte helfen

In einigen Defiziträumen könnte schon bald das neuartige Konzept eines mobilen Verkaufswagens, quasi ein rollender Mini-Supermarkt, für temporäre Abhilfe schaffen. Zudem werde in Mönchfeld (15. Juli) sowie in Sonnenberg (August/September) in Kürze ein „Bonus-Markt light“ eröffnen, wie es schon einen in Wolfbusch (Weilimdorf) gibt. Weitere Erfolge konnten 2023 bereits durch die Modernisierung der Cap-Märkte in Ober- und Untertürkheim sowie durch die Übernahme des Weckert-Marktes am Killesberg durch Cap erzielt werden.