Der Heimwerkermarkt im Westen ist Anfang März eröffnet worden. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Um den Einzelhandel im Stuttgarter Westen und der Innenstadt zu schützen, soll der neue Obi-Markt eigentlich kaum Artikel für den täglichen Bedarf anbieten. Das wurde noch vor Baubeginn vertraglich festgeschrieben. Diese Abmachung sieht die Stadt nun verletzt – Obi widerspricht.

Stuttgart - Die Diskussionen um den Obi-Markt im Stuttgarter Westen ebben auch nach dessen Eröffnung vor wenigen Tagen nicht ab. Aktuell sieht die Verwaltung einen Vertrag verletzt, den die Heimwerker-Kette mit der Stadt vor Baubeginn geschlossen hat. Dort werden strikte Vorgaben zum Sortiment gemacht. Neben der Stadt glauben einige Gemeinderäte, eine Vertragsverletzung erkannt zu haben. Die Baumarkt-Kette äußert sich auf Anfrage nicht zu den Vorwürfen.

Der Bau des Marktes war von Beginn an umstritten. Eines der Ergebnisse der hitzigen Diskussionen um das Bauprojekt war ein städtebaulicher Vertrag zwischen der Landeshauptstadt und der Heimwerker-Kette. Darin wird die Fläche, auf der Obi in seinem neuen Markt Ware für den täglichen Bedarf anbieten darf, streng limitiert. Der neue Baumarkt hat eine Gesamtfläche von 5000 Quadratmetern. Die sogenannten zentrenrelevanten Produkte sind auf der Stuttgarter Listeaufgeführt und dürfen am Westbahnhof lediglich auf 165 Quadratmetern angeboten werden. So sieht es der Vertrag vor, mit dessen Hilfe der Einzelhandel im Bezirk und im Zentrum vor Konkurrenz auf der grünen Wiese geschützt werden soll. Die Liste umfasst unter anderem Artikel wie Lampen, Blumen, Gardinen, Bad- und Sanitäreinrichtungen oder Gartengeräte.

Der Vermutung von Verwaltung und Gemeinderäten, Obi würde sich nicht an den Vertrag halten, wurde auch durch die Aussage von Christian Grether, bei Obi Regionalleiter für Süddeutschland, genährt. Der bemerkte bei der Eröffnung, wie stolz er auf das 1300 Quadratmeter große Gartenparadies sei. Tatsächlich hat die Verwaltung das Stadtplanungsamt nach der Eröffnung des Marktes im März mit einer Überprüfung beauftragt. Amtsleiter Detlef Kron erklärt auf Anfrage nun: „Wir haben Abweichungen festgestellt.“ Dabei handle es sich um Ware, die in anderen Obi-Märkten durchaus üblich sei, so Kron.

Amtsleiter: Die Angelegenheit ist ein Politikum geworden

Die Heimwerker-Kette und der Vermieter, die Unternehmensgruppe Widerker, haben dem Amt nach Angaben der Verwaltung daraufhin mitgeteilt, dass man selbst der Meinung sei, den Vertrag eingehalten zu haben. Gegenüber dieser Zeitung wollte sich Obi jedoch nicht zu den Vorwürfen äußern. Am Ende müsse der Markt sein Sortiment jedenfalls einschränken, so Kron. „Die Angelegenheit ist ja ein Politikum geworden“, erklärt der Amtsleiter.

Genau darin liegt auch der Grund für einen Antrag der CDU-Räte Fabian Mayer und Klaus Nopper. „Es geht hier um eine Grundsatzfrage“, sagt Nopper. „Es geht darum, ob am Ende das eingehalten wird, was im Gemeinderat versprochen wurde“, fügt er hinzu. Der damalige Baubürgermeister Matthias Hahn (SPD) habe die Zustimmung für den Bau des Marktes auch damit begründet, dass dort kein gewöhnlicher Obi mit breitem Sortiment, sondern ein spezieller Markt für professionelle Handwerker entstehen werde, so Nopper.

Ein Blick zurück: als im Oktober 2013 die Nachricht von einer positiv beantworteten Voranfrage für den Bau des neuen Obi öffentlich geworden war, reagierten sämtliche Fraktionen im Gemeinderat empört. Von der CDU bis zur Linken wurden der Verwaltung und dem scheidenden Baubürgermeister schwere Vorwürfe gemacht. Ein Grund: der Rat hatte ein ähnliches Projekt an selber Stelle Jahre zuvor in einer Sondersitzung einstimmig abgelehnt. Doch im Herbst 2013 hatte das Gremium bereits keine Entscheidungsgewalt mehr in dieser Sache – die Zusage des Amtes sei rechtlich bindend, so das Argument. Hinter vorgehaltener Hand wurde über ein „Gefälligkeitsprojekt“ spekuliert.

Obwohl sich der Gemeinderat einig war, dass an dieser Stelle kein großflächiger Einzelhandel erwünscht sei, ging das Bauprojekt seinen Weg. Auch aus dem kleinen Gewerbegebiet selbst werden die Vorwürfe in Richtung Rathaus lauter. „Wir wollten erweitern, um unserem Vermieter eine bessere Miete bezahlen zu können“, berichtete damals der Geschäftsführer des kleinen City Baumarkts. Die Erweiterung von 1000 auf 1800 Quadratmeter sei ihm von der Stadt jedoch verweigert worden, sagte er. Kurz darauf wurden die Weichen für den neuen, rund 5000 Quadratmeter großen Obi gestellt.

„Ich bin auf das Ergebnis der aktuellen Überprüfung sehr gespannt“, sagt Klaus Nopper jetzt und fügt an: „Bisher hatte ich immer ein wenig den Eindruck, die Verwaltung hat diesen Markt aus irgendeinem Grund durchgeboxt.“