Joerg Hauber leitet das Familienunternehmen in siebter Generation, die emotionale Bindung mit dem Kaufhaus und mit Nürtingen ist hoch. Foto: Ines Rudel

Das Kaufhaus Hauber ist in Nürtingen eine Institution. Zum Monatsende schließt es seine Pforten für immer, damit endet eine fast 250-jährige Tradition. Der Firmenchef Joerg Hauber hat keine Alternative mehr gesehen.

Nürtingen - Zum 225-jährigen Bestehen des Nürtinger Kaufhauses Hauber hatte Joerg Hauber 1994 eine Broschüre herausgegeben, welche die Firmengeschichte in Wort und Bild Revue passieren ließ. Eigentlich wollte der Unternehmer im kommenden Jahr, zum dann 250. Geburtstag, abermals eine Broschüre herausbringen. Doch dazu kommt es jetzt nicht. Zum Monatsende schließt das Kaufhaus Hauber seine Pforten endgültig.

Der Räumungsverkauf erinnert an bessere Zeiten

Joerg Hauber sitzt an seinem Schreibtisch im Einkaufszentrum NC, vor sich hat er ein Fotoalbum mit alten Schwarz-Weiß-Aufnahmen. Er deutet auf ein Foto aus dem Jahr 1956. „Das ist mein Lieblingsbild“, sagt er. Zu sehen ist eine große Menschentraube, die bei Hauber auf Einlass wartet. An jenem Tag wurde das Kaufhaus, das sich damals noch am Lammbrunnen befand, nach einem größeren Umbau mit Erweiterung wiedereröffnet. Der Andrang von Kunden aus Nürtingen und dem Umland war so gewaltig, erinnert sich Joerg Hauber, dass Polizisten aus Stuttgart angefordert werden mussten, um den Verkehr weiträumig um Nürtingen umzuleiten. Hauber floriert. 1965 und 1977 kommen Filialen in Metzingen und in Calw hinzu.

Im Nürtinger NC bildete sich am vergangenen Samstag während des Räumungsverkaufs noch einmal eine lange Schlange an der Kasse. Das Bild erinnert an bessere Zeiten. Die Rabattschilder mit dem Prozentzeichen lässt die Menschen zum Endspurt in großer Zahl ins Neue Centrum (NC) strömen. Ob Haushaltswaren, Spielwaren, Heimtextilien, Wäsche oder Oberbekleidung – alles muss raus, und Schnäppchen gibt es zuhauf. „Schon am ersten Tag des Räumungsverkaufs sind wir überrannt worden“, berichtet Joerg Hauber. Den sechsfachen Umsatz eines guten Tages habe er da erzielt.

Die Konkurrenz ist hart und die Umsätze gehen zurück

Eine Ausnahmesituation. Denn schon seit längerem sind die Umsätze rückläufig, in den vergangenen zehn Jahren schrumpften sie um 20 Prozent. Die Gründe seien vielschichtig, erklärt Joerg Hauber. Der bundesweit zu beobachtende Frequenzverlust in Innenstädten habe auch vor Nürtingen nicht Halt gemacht. Weiter sei die Konkurrenz von Billiganbietern gerade bei der Kleidung hart. Nach der Eröffnung des Stuttgarter Milaneo sei die Altersgruppe der 14 bis 30-Jährigen regelrecht weggebrochen. Da teile Hauber das Schicksal von Einzelhändlern in der ganzen Region.

„Der Online-Handel hinterlässt natürlich auch seine Spuren“, nennt Hauber einen weiteren Grund für den Niedergang. Viele kauften ihre Produkte lieber im Internet, statt eine kompetente Beratung und den Service eines Kaufhauses vorzuziehen. Dabei sei er selbst 1997 in den Online-Handel eingestiegen. Letztlich rentierte sich dieses Geschäft für ihn aber nicht, oft überstiegen die Kosten die Umsätze.

Nach einer Modernisierung geht es mit Veränderungen weiter

Sechs Jahre lang habe er versucht, einen Nachfolger zu finden, sagt Joerg Hauber. Vergeblich. „Nicht ansatzweise gab es da eine Lösung. Das tut sich heute keiner mehr an“, stellt der 66-Jährige fest. Für größere Unternehmen wie Karstadt oder C&A seien die 4000 Quadratmeter Fläche zu klein gewesen, für einen kleinen Starter hingegen zu groß. Groß sind auch die Summen, die jetzt für die Sanierung des NC anstehen. Das Investitionsvolumen für die notwendige Modernisierung liegt bei bis zu 20 Millionen Euro. Schultern wird dies die Nanz-Gruppe, der das Gebäude bereits zu zwei Dritteln gehört und die nun den Anteil von Joerg Hauber übernehmen wird.

Ende 2019 wird das erneuerte NC wohl aufmachen. Die künftigen Mieter sind noch nicht bekannt, doch es soll weiter wie bisher ein umfangreiches Sortiment geben. Das NC hatte mit seiner Struktur seinen Anteil daran gehabt, dass Nürtingen zum Mittelzentrum wurde. Insofern verbindet sich mit dem Namen Hauber mehr als nur ein Einkaufszentrum. Die Firmenhistorie ist auch ein Stück Nürtinger Stadtgeschichte.

Die Situation ist für die Mitarbeiter und den Chef belastend

Der Schlussstrich fällt Joerg Hauber, der das Geschäft in siebter Generation betrieben und „mit der Muttermilch aufgesogen“ hat, schwer. „Spaß macht das nicht, für alle Mitarbeiter inklusive den Chef ist das extrem belastend.“ Aber er habe keine Chance gesehen. „’S isch halt so“, sagt er auf Schwäbisch. „Wir müssen da durch, ich möchte das noch mit erhobenem Haupt würdig zu Ende bringen.“ Am letzten Juli-Samstag könnte es noch einmal lange Schlangen geben. Hauber: „Dann ist Schicht im Schacht“ – auch für die 41 Mitarbeiter, denen er kündigen musste und für die es einen Interessenausgleich und einen Sozialplan gibt.