Rainer (l.) und Armin Kehrer leiten mehrere traditionsreiche Bekleidungsgeschäfte. Im Laden in Echterdingen sind Anzüge und Sakkos seit Corona Ladenhüter. Foto: Caroline Holowiecki

Während einige Händler in der Corona-Krise über massive Einbußen klagen, erleben andere einen Boom. Zwei Stimmen aus Leinfelden-Echterdingen kurz vor dem Lockdown.

Leinfelden-Echterdingen - Früh morgens nimmt eine Mitarbeiterin noch rasch den Staubsauger, um den Boden zu reinigen, bevor der Arbeitstag richtig startet. Die ersten Kunden sind allerdings längst da. Im Stettener Spiel- und Haushaltswarengeschäft Steck ging es im Advent bisher turbulent zu. Manches ist der Inhaberin Elke Ade bereits ausgegangen. „Lego Duplo ist restlos ausverkauft“, sagt sie, Puzzles, Gesellschaftsspiele und Bastelwaren seien in der Pandemie ebenfalls begehrt.

Auch im anderen Teil des Geschäfts, wo weihnachtliche Kerzen, Vasen und andere Dekoartikel glitzern, steht im einen oder andere Regal nur noch wenig. „Mein Lager ist leer, ich habe nichts zum Auffüllen“, sagt Elke Ade. Aus Sorge davor, nochmals schließen zu müssen, habe sie für den Advent weniger Nachschub bestellt. Ihre Befürchtung war berechtigt: Am 16. Dezember beginnt der harte Lockdown.

Sie können von leeren Lagern nur träumen

Viele Geschäftsleute können indes aktuell von leeren Lagern nur träumen. Der Handelsverband Baden-Württemberg hat jüngst eine Umfrage unter 200 Händlern zum Adventsgeschäft gestartet. Rund 40 Prozent hätten von guten oder sehr guten Umsätzen berichtet, für 20 Prozent sei der Auftakt am ersten Adventssamstag befriedigend verlaufen, die übrigen seien unzufrieden. Es gibt Licht und Schatten, und das sehr deutlich.

Zu den Corona-Gewinnern zählen Spielzeuggeschäfte. Der Handelsverband Spielwaren rechnet für 2020 mit einem Umsatzplus von acht Prozent auf mindesten 3,7 Milliarden Euro. Der Handelsverband Textil spricht indes von einer „Horror-Saison“. Modehändler beklagten hohe zweistellige Umsatzverluste, „besonders betroffene Geschäfte verzeichnen sogar Einbrüche bis zu 80 Prozent“, berichtet Axel Augustin, ein Sprecher.

Was die Zeit vertreibt, ist in

„Das Verhalten der Kunden beim Kauf hat sich in den letzten Monaten durch Corona so rasant und grundlegend verändert wie noch nie zuvor“, sagt Martin Langhauser vom Marktforschungsinstitut GfK. Unter den Nonfood-Warengruppen, deren Verkauf sich im Vergleich zum Vorjahr überproportional negativ entwickelt habe, zählten Herrenanzüge (minus 58 Prozent), Navigationsgeräte (minus 49 Prozent) und Reise- und Sprachführer sowie Lexika ( minus 39 Prozent). Deutlich zugelegt hätten derweil Sanitätsbedarf- und Pflegeartikel (plus 68 Prozent), Gartenspielgeräte (plus 53 Prozent) und Büromöbel (plus 46 Prozent). Die Quintessenz: Was schützt, das Heim wohnlich macht und die Zeit vertreibt, ist in. Was man sonst für den Auftritt in der Öffentlichkeit oder auf Reisen braucht, ist out.

Nur fünf Autominuten von Steck entfernt betreiben die Brüder Armin und Rainer Kehrer traditionsreiche Modehäuser. Vor allem im Herren-Fachgeschäft im Echterdinger Zentrum macht sich der Konsum-Erdrutsch deutlich bemerkbar. Anzüge und Sakkos sind plötzlich Ladenhüter; die klassische Business- und Veranstaltungsmode. Das Umsatzminus in diesem Segment schätzt Rainer Kehrer auf 50 Prozent, bei der Damenmode liege der Verlust im Schnitt bei etwa 30 Prozent. Er bekennt: „Das geht an die Existenz.“ 2018 habe man das Herrengeschäft erweitert und „richtig viel Geld“ investiert, „nach zwei Jahren ist das nicht abbezahlt“. Das Personal sei in Kurzarbeit. Armin Kehrer betont: „Wir können uns nur halten, weil sich die Mieten im Rahmen halten.“

Ändert der neue Lockdown wieder alles?

Bei Steck haben zuletzt mehrere Faktoren ein gutes Geschäft begünstigt. Zum einen führt Elke Ade schlicht jene Waren, die momentan gefragt sind. Zum anderen liegt der Laden, den ihre Eltern vor weit mehr als 50 Jahren eröffnet haben, in Stetten etwas ab vom Schuss. Was sonst ein Hemmschuh ist, kommt vielen Kunden, die die belebten Zentren meiden, entgegen. Auch die Kehrers merken das. „Wir haben viele Neukunden, vor allem ältere, die nicht mehr nach Stuttgart wollen“, erklärt Armin Kehrer. Die Corona-Ausfälle könne das nicht komplett kompensieren, „aber wir haben die Hoffnung, dass wir gestärkt mit neuen Kunden aus der Krise kommen“. Doch nun kommt zunächst einmal der harte Lockdown, und der wird vielleicht alles wieder verändern.