Markus Herr muss seinen Obststand in der Calwer Passage räumen Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Hochgelobt, gewürdigt und nun vom Einkaufscenter Gerber sogar kopiert: das Handelskonzept Fluxus in der Calwer Passage. Doch nun bekommt das schöne Bild erste Risse.

Stuttgart - Markus Herr verkauft seit 15 Jahren Obst in der Stadt. Erst in der Passage an der Büchsenstraße, dann in der Calwer Passage. Doch 2014 war zunächst Schluss. Der Verkauf der Calwer Passage von der Württembergischen an die Piëch-Holding änderte alles. Allen Mietern wurde gekündigt. Für manche brach damit eine Welt zusammen. Auch für die Inhaberin des Lederwaren-Ladens. Sie ist seit dem Rauswurf körperlich schwer angeschlagen.

So weit geht es bei Markus Herr nicht, aber heute steht er auch vor einem Scherbenhaufen. Er kämpft um seine Existenz. Zum Monatsende muss er seinen Platz räumen. Ihm wurde von Fluxus-Macher Hannes Steim gekündigt. Grund: Markus Herr hatte Pfirsiche aus Rotenberg verkauft. Dies war ihm vertraglich untersagt. In dem Mietvertrag vom 26. Juni 2015 steht wörtlich: „Der Vermieter vermietet dem Mieter den Mietgegenstand ausschließlich für folgenden Nutzungszweck: Verkauf von regionalem Obst aus dem Remstal – ausgenommen Pfirsiche.“

Daran hat sich Markus Herr nicht gehalten. Mehrfach ist er einer Aufforderung durch Steim nicht nachgekommen, die Pfirsiche oder auch Bananen aus dem Sortiment zu nehmen. Darum ist er hochkant aus der Passage geflogen und beklagt nun die Umgangsformen des Vermieters.

"Moralisch finde ich das sehr zweifelhaft"

„Vielleicht hat er ja formal recht“, sagt der Obstverkäufer über Steim, „aber moralisch finde ich das sehr zweifelhaft.“ Markus Herr verweist darauf, dass ihm die Pistole auf die Brust gesetzt worden sei: „Herr Steim hat mir gedroht, wenn ich keinen neuen Mietvertrag mit Pfirsich-Klausel unterschreibe, fliege ich sofort raus.“

Solche Vorwürfe bringen Steim in Rage. Seine Lesart der Pfirsich-Geschichte klingt ganz anders. „Ich bin enttäuscht von Herrn Herr“, sagt er, „schließlich habe ich ihm diesen Stand überhaupt ermöglicht.“ Tatsächlich hat Hannes Steim den Obstverkauf nur durch einen Kunstgriff gerettet. Denn in der Stadt darf man Obst (außer auf dem Wochenmarkt) nicht an Ständen verkaufen. Der Clou bei Markus Herr ist: Seine Kasse steht in den ehemaligen Verkaufsräumen von Naturwaren Dietz. Damit gilt sein Stand als Laden. Und den betrieb er bislang für nur 200 Euro Miete im Monat.

Das ist ungefähr ein Zehntel dessen, was normale Fluxus-Mieter in der Passage zahlen. Genau für deren Interessen sei Hannes Steim nun eingetreten. Namentlich für den Laden Pois, der fair gehandeltes Obst und Gemüse aus Portugal verkauft.

„Ursprünglich wollte Markus Herr nur Spargel und Erdbeeren verkaufen. Am Ende bot er alles an“, sagt Steim, „es war blauäugig von mir, dass ich dies im ersten Vertrag nicht fixiert habe.“ Tatsächlich steht in diesem ersten Vertrag als Nutzungszweck der „Verkauf von Obst und Gemüse“.

Aber „Papa Fluxus“, wie Steim gerne genannt wird, verzichtete auch im aktuellen Pfirsich-Vertrag auf die Präzisierung von Erdbeeren und Spargel sowie den Ausschluss anderer Früchte. Angeblich weil er hoffte, dass sich Markus Herr und die Betreiber von Pois über das jeweilige Sortiment gütlich einigen könnten.

Für Markus Herr stellt sich die Sache dennoch ganz anders dar: „Hier geht es doch längst nicht nur um Pfirsiche. Im Fluxus ist längst nicht mehr alles Friede, Freude, Eierkuchen. Hier wird mit harten Bandagen gekämpft – wie überall.“