Drastische Botschaft an die Stadt: Ralph Maurer hat sein Schaufenster aus Ärger über die Baustellen in Böblingen umdekoriert. Foto: factum/Simon Granville

Ralph Maurer macht mit einer drastischen Aktion auf die Verkehrsproblematik in der Innenstadt aufmerksam: In der Zeit, in der sein Lederwarenladen den meisten Umsatz macht, war den Kunden der Weg zu ihm praktisch versperrt.

Böblingen - Zum Schulbeginn ist Ralph Maurer mit dem Verkauf von Ranzen für gewöhnlich ziemlich beschäftigt. Dieses Jahr hat er allerdings das Schaufenster seines Geschäfts in der Böblinger Innenstadt zugeklebt: „Wir schließen“, lautet auf den ersten Blick die schockierende Nachricht. Erst beim näheren Hinschauen fällt auf, dass der Lederwarenhändler seine Existenz noch nicht aufgibt. „Eigentlich müssten wir schließen“ , hat er geschrieben und ergänzt: „Gut, wenn man noch ein Standbein im Breuningerland hat.“ Die Botschaft ist an die Stadtverwaltung gerichtet, denn sein Geschäft wurde von kurzfristig anberaumten Baustellen nahezu blockiert.

Hunderte zustimmende Kommentare

„Das Fass ist übergelaufen“, schimpft Ralph Maurer außerdem im Internet. Unkoordiniert sei „die Baustellenorgie“ in Böblingen, findet er und stellt schon zum Schulanfang ein schlechtes Zeugnis aus: „Tiefbauamt, Ordnungsamt: Nicht versetzt, Note 6.“ Seine Nachricht bei Facebook wurde von Tausenden Menschen gelesen, Hunderte hinterließen zustimmende Kommentare. Der Oberbürgermeister Stefan Belz stattete ihm prompt einen Besuch ab. Er versprach eine bessere Informationspolitik über anstehende Baustellen. „Die Botschaft ist angekommen“, kommentiert der Einzelhändler seine Aktion. Die Argumente der Böblinger Stadtverwaltung für die vielen Baustellen kann er nachvollziehen, nur die schlechte Kommunikation nicht.

Seit Jahren reiht sich in und um Böblingen eine Baustelle an die andere. Anders als in Sindelfingen fließt durch die Stadt viel mehr Durchgangsverkehr – und auf jede Einschränkung folgt ein Stau. Zuletzt behinderten vor allem die Bauarbeiten an der Herrenberger Straße die Autofahrer am Durchkommen: Seit zwei Jahren wird an der Hauptverkehrsader gearbeitet, erst an der Unterführung unter der Schönbuchbahn, gerade zwischen Calwer Straße und Elbenplatz. Parallel dazu war über den Sommer der Maurener Weg gesperrt. Kurzfristig hat die Stadtverwaltung auch die Poststraße geschlossen, weil die Pflastersteine aus Gründen der Verkehrssicherheit saniert werden mussten.

Personal aufgestockt, aber kein Kunde in Sicht

Zusätzliches Pech für Ralph Maurer: Anfang der Woche wurde seinen Angaben nach ohne Ankündigung noch die Kesslerstraße gesperrt, in der sein Lager und Kundenparkplätze liegen. Dabei hatte er extra das Personal aufgestockt. Der Händler schätzt, dass er bis zu 20 Prozent an Umsatz durch die Baustellen eingebüßt hat. „Wir sind kein Nahversorger“, erklärt er. Sein Angebot an Koffern, Taschen und Schulranzen zieht Kunden aus einem weiten Umkreis an, und die würden nicht mit dem öffentlichen Nahverkehr oder Fahrrad zum Einkaufen kommen. „Wenn man die Lebensader kappt, geht es in Richtung Existenzbedrohung“, sagt Maurer.

Die Stadt rechtfertig die Situation mit äußeren Zwängen. Wegen des anstehenden Ausbaus der Autobahn 81 sollen alle anderen Baustellen abgearbeitet werden. Außerdem herrsche viel Nachholbedarf bei der Sanierung der Infrastruktur, womit neben Straßen auch Kanäle und Hausanschlüsse gemeint seien, sowie im Baubereich Hochkonjunktur, teilt das Rathaus mit. Daneben müssten bis 2022 alle Bushaltestellen barrierefrei ausgebaut werden. Und neue Sicherheitsvorschriften für die Bauarbeiter hätten heute im Gegensatz zu früher oft Vollsperrungen zur Folge. Nach Ansicht der Verwaltung hat die Abfolge der Baustellen auch durchaus System: Die Poststraße wurde zum Beispiel erst nach der Freigabe des Linksabbiegestreifens von der Herrenberger Straße in die Parkstraße angegangen.

„Die Einzelhändler haben die Stadt als Partner“, betonte der Oberbürgermeister beim Besuch im Lederwarengeschäft. Ralph Maurer ist momentan froh, dass er im Breuningerland eine weitere Filiale hat. „Dort läuft es“, sagt er. Von der verkehrlichen Erreichbarkeit sei das Einkaufszentrum in Böblingen und Sindelfingen „die absolute Nummer eins“.