Der Schaden durch Diebstähle im Südwesten beläuft sich auf rund 750 Millionen Euro. Foto: dpa

Die Zahl der Ladendiebstähle in Baden-Württemberg ist im vergangenen Jahr gestiegen. Der Handelsverband fordert nun ein strengeres Durchgreifen.

Stuttgart - Der Einzelhandelsverband im Südwesten spricht sich für eine strengere Ahndung von Ladendieben aus. „Die Bagatellgrenzen müssen runtergeschraubt werden“, sagte die Geschäftsführerin des Verbands, Sabine Hagmann, der Deutschen Presse-Agentur. Auch Diebstähle von Waren mit geringem Wert müssten verfolgt werden.

2015 war die Zahl der Ladendiebstähle laut Kriminalstatistik im Land um 7,9 Prozent auf 44 261 angestiegen. Die Beute durch Ladendiebstähle sei auf 6 Millionen Euro gestiegen, nach 4,3 Millionen Euro im Vorjahr, sagte ein Sprecher des Innenministeriums. Hoch im Kurs lagen nicht etwa teure Elektronik oder Schmuck, sondern Kosmetik, Nahrungsmittel, Alkohol, Süßigkeiten oder Tabakwaren.

Im Handelsverband geht man von einem dramatisch höheren Schaden aus als im Innenministerium: Bundesweit sei dem Handel durch Diebstähle 2014 ein Schaden 2,1 Milliarden Euro geschätzt worden, so Hagmann. Man gehe von einer erheblichen Dunkelziffer aus, so dass der tatsächliche Schaden bei etwa vier Milliarden Euro liege. Hinzu kämen Ausgaben der Händler für die Sicherheit von etwa 1,2 Milliarden Euro. Für den Südwesten schätzt Hagman die Gesamtsumme auf etwa 750 Millionen Euro.

Keine Ausnahmen bei kleineren Diebstählen

Es gebe eine Verwaltungsvorschrift, nach der ein Strafverfahren eingestellt werden kann, wenn der Wert der entwendeten Sache nicht mehr als 25 Euro beträgt, räumte ein Sprecher des Justizministeriums ein. „Wir halten diese Wertgrenze von 25 Euro weiterhin für angemessen, zumal sie im bundesweiten Vergleich am unteren Ende liegt.“

Einen Automatismus, der vorsieht, dass kleinere Diebstähle nicht geahndet werden, gibt es laut Justizministerium allerdings nicht. „Jeder Ladendiebstahl wird von der Polizei aufgenommen und der Staatsanwaltschaft zur Entscheidung vorgelegt, die jeden Einzelfall ganz genau prüft.“ Maßgeblich seien sämtliche Umstände des Einzelfalles wie Vorstrafen des Beschuldigten. Der Wert der entwendeten Sache sei ein Kriterium unter vielen.

Der Handelsverband hat laut Geschäftsführerin Hagmann allerdings den Eindruck, dass Diebstähle in dieser Größenordnung grundsätzlich nicht verfolgt werden. Hagmann hält auch wenig von Ausnahmen: „Am Ende des Tages ist der Einzelhandel kein Selbstbedienungsladen.“ Kleinere und mittelgroße Unternehmer müssten davon leben können. Ein Dorn im Auge ist ihr der Begriff „Armutskriminalität“. Mit dem Wort hatte der damalige Innenminister Reinhold Gall (SPD) bei der Vorstellung der Statistik Mitte März den Anstieg der Diebstähle erklärt. Die Aussage suggeriere, dass diese Diebstähle entschuldbar seien, kritisierte Hagmann.

Viele Läden können sich Sicherheitspersonal nicht leisten

„Viele Händler leiden massiv“, sagte Hagmann. Angesichts der dünnen Margen und der langen Ladenöffnungszeiten könnten sie sich Sicherheitspersonal selten leisten. Und das normale Personal habe oft Angst, die Diebe zu stellen.

Zu Recht, heißt es beim Bundesverband der Sicherheitswirtschaft. Dort beobachtet man eine wachsende Zahl von Angriffen auf Kaufhausdetektive. „Was zunimmt, ist die Zahl der Konfrontationen“, sagte Hauptgeschäftsführer Harald Olschok. Das scheint auch im Land der Fall zu sein – wenn auch auf niedrigem Niveau – wie die Statistik zeigt: Waren 2013 nur gut 190 Ladendetektive als Opfer von Gewalttaten in der Kriminalstatistik aufgeführt, waren es 2015 schon 320. Im Januar beispielsweise war in Karlsruhe ein Detektiv von einem Ladendieb so stark mit Tritten und Schlägen traktiert worden, dass er ins Krankenhaus gebracht werden musste.