Das Gebäude 3 der Hochschule umfasst eine Schwimmhalle und zwei Sporthallen – und ist akut einsturzgefährdet. Foto: factum/Granville

Drohender Unterrichtsausfall, Notpläne und absurd klingende Lösungsansätze: Dass die einsturzgefährdete Sporthalle nicht mehr genutzt werden kann, wirbelt nicht nur die Pädagogische Hochschule in Ludwigsburg durcheinander.

Ludwigsburg - Fast 6000 Studenten, Tendenz steigend – die Pädagogische Hochschule (PH) in Ludwigsburg ist die größte PH in Baden-Württemberg und hat einen guten Ruf. Die jungen Menschen kommen hierher, um sich auf einen der wichtigsten Berufe vorzubereiten, den diese Gesellschaft kennt: Die meisten Absolventen werden Lehrer. Dass die in den 1960er Jahren errichteten Gebäude im Norden der Stadt teilweise marode sind, ist bekannt. Dass aber eine ganze Halle wegen Einsturzgefahr geschlossen werden muss, war undenkbar und ist seit September trotzdem Realität. Das Dach ist so instabil, dass das Gebäude 3 auf dem Campus – mitsamt einer Schwimmhalle und zwei Sporthallen – abgerissen werden muss. „Es ist ein mittelgroßes Desaster“, sagt Sebastian Meinhof von der Fachschaft Sonderpädagogik.

Der Rektor Martin Fix wählt weniger drastische Worte, er spricht von einer „äußerst problematischen Situation“. Man müsse „die Flucht nach vorne antreten“, sagt Corinna Bosch vom Landesamt für Vermögen und Bau, das für die Immobilien des Landes zuständig ist. „Nicht betreten!“ steht an den Türen der riesigen Halle. Viele Studenten haben noch Sportklamotten und Turnschuhe in ihren Spinden hinter diesen Türen, aber: Niemand darf rein, nicht einmal für zwei Minuten. Dass die Sportler neue Turnschuhe kaufen mussten, ist ein kleines unter sehr vielen großen Problemen, vor denen die PH nun steht.

Seminare fallen aus, die Studenten müssen pendeln: Die Situation ist chaotisch

Für das laufende Semester wurde ein Notplan entwickelt. Die wichtigsten Sportseminare finden statt, verteilt auf Hallen in Ludwigsburg, die die Stadt spontan zur Verfügung gestellt hat. Aber das reicht nicht. „Schwimmen mit Grundschulkindern – entfällt. Tischtennis – auf Sommer verlegt. Badminton – verlegt.“ Der Ersatzplan weist viele Lücken auf. Es sollen zwar keine Prüfungen ausfallen, aber von einem normalen Studienbetrieb kann keine Rede sein. „Wir müssen für die Prüfungen ja auch trainieren, und die Möglichkeiten dafür sind extrem eingeschränkt“, berichtet die Sportstudentin Johanna Schubert.

Die 460 Sportstudenten trifft es am härtesten, aber auch angehende Lehrer anderer Fächer müssen Sportkurse belegen. Dafür müssen nun alle kreuz und quer durch die Stadt pendeln, weshalb sie es oft nicht rechtzeitig zu anderen Seminaren in der Hochschule schaffen. Tutorien fallen aus, Kurse werden in kompakte Blöcke gepresst. „Aber sechs Stunden Turnen am Stück – das geht nicht“, erzählt Marius Balle von der Fachschaft Sport.

Auch die Schulen im Land könnten bald in Mitleidenschaft gezogen werden

Die Hauptsorge der Studenten ist, dass sich wegen der Einschränkungen die Studienzeit verlängert. Manche auf dem Campus überlegen deshalb, die Hochschule zu wechseln. Gerade die Erstsememester seien mit der Situation völlig überfordert, sagt Schubert. Die Dozenten seien ebenfalls am Limit. Hochschulpartys, das traditionelle Barockturnier, der allgemeine Hochschulsport – all das steht auf der Kippe oder wurde bereits gekippt. Das Landesinstitut für Schulsport musste zudem Fortbildungen für Lehrer streichen, denn auch diese fanden bislang in der Ludwigsburger Halle statt. Mittelfristig könne dies dazu führen, dass in Baden-Württemberg Sportunterricht an den Schulen ausfällt, sagte kürzlich der Amtsleiter Edwin Gahai.

Wer ist verantwortlich für all das Chaos? Einige Studenten kritisieren das Krisenmanagement der Hochschule, andere loben, dass die PH alles in ihrer Macht stehende unternommen habe. Das versichert auch Martin Fix, der Rektor: „Die Situation ist schlimm, aber wir machen seit Wochen nichts anderes, als nach Lösungen zu suchen.“ Die meisten Studenten sehen die Hauptschuld beim Land. Jahrelang sei rostiges Wasser von der Decke auf den Boden der Sporthalle getropft, die Sanitäranlagen seien marode, Fitnessgeräte rostig. „Dass die Halle saniert werden muss, wussten alle schon sehr lange“, sagt Mose Weiß, ebenfalls Sportstudent

Es war lange bekannt, dass die Halle saniert werden muss – jetzt ist es zu spät

Tatsächlich räumt das Landesamt für Vermögen und Bau ein, dass das Gebäude seit 2012 „unter genauerer Beobachtung“ gestanden habe. Der Zustand sei jedoch damals „als nicht kritisch eingeschätzt“ worden, sagt die Amtsleiterin Corinna Bosch. „Für eine grundlegende Sanierung hat das Geld gefehlt.“ In ganz Baden-Württemberg sei beim Gebäudebestand des Landes ein hoher Sanierungsstau zu verzeichnen.

Das Landesamt taugt ebenfalls schlecht als Sündenbock, weil es nur Geld ausgeben darf, das die Landesregierung zuvor bereitgestellt hat – und das war lange zu wenig. Bosch erklärt, Vermögen und Bau habe schon vor geraumer Zeit auf eine Sanierung von Gebäude 3 gedrängt. Bewegung in die Sache kam indes erst, als es für eine Sanierung schon zu spät war. Ende 2017 wurde immer deutlicher, dass die Halle nicht mehr zu retten ist, das rostige Dach wurde zunehmend instabil. Im März entschied das Land endlich, auf dem Campus eine neue Sport- und Schwimmhalle zu bauen, für 17 Millionen Euro. Die wird jedoch frühestens 2022 fertig, und so lange lässt sich der Notbetrieb an der PH kaum aufrecht halten. „Es muss eine sofortige Lösung geben“, betont Bosch. Dabei gibt es keine Denkverbote, weshalb auch Varianten geprüft werden, die nach Schildbürgerstreich klingen: etwa, erst einmal nur das Dach der alten Halle abzureißen und durch ein Notdach zu ersetzen. Oder: Am Campus eine Traglufthalle aufzublasen, also eine luftdichte Hülle für den Trainingsbetrieb.

Die Studenten hoffen eher darauf, dass Ludwigsburg mehr Hallenkapazitäten zur Verfügung stellt. „Wir tun, was wir können“, sagt Raphael Dahler, der Leiter des Fachbereichs Sport im Rathaus. 38 Stunden pro Woche hat die Stadt in ihren Hallen für die PH freigeschaufelt. Das ist viel, aber viel zu wenig, und viel mehr ist nicht möglich. „Unsere Hallen sind mit Schulen und Vereinen zu 90 Prozent ausgelastet“, so Dahler. Und so werden sich die Studenten vermutlich an einen Zustand gewöhnen müssen, mit dem sie nicht rechnen konnten, als sie zum Studium nach Ludwigsburg kamen. „Das Hochschulleben wird wohl eine lange Zeit ganz anders aussehen als zu normalen Zeiten“, befürchtet Mose Weiß.