Ziel für Bewerber und auch für Unternehmen ist, dass der Mitarbeiter auf die jeweilige Stelle passt. Damit der Einstellungsprozess nicht zum Roulette wird, kann systematisches Vorgehen helfen. Foto: dpa

Intensive Beschäftigung mit Bewerbern wird immer wichtiger. Knapp ein Drittel der deutschen Unternehmen geht systematisch vor.

Anke Weber telefoniert nach einer ersten Vorauswahl mit allen verbliebenen Bewerbern. Im Schnitt benötigt die Personalerin der Umformtechnik Radebeul (UFT) dafür 15 Minuten. Wenn beispielsweise potenzielle Teamleiter keine beruflichen Ziele haben, werden sie ihre Aufgaben vermutlich ebenso wenig zielorientiert erfüllen. Deshalb ist so ein Kandidat schnell aus dem Bewerberkreis rausgeflogen. Die UFT als Zulieferer mehrerer Dax-Unternehmen will sich derartige Nachlässigkeiten nicht erlauben. Inhaber Stephan Schneider: 'Wir punkten durch Innovation und Schnelligkeit, da benötigen wir begeisternde Führungskräfte, die dafür sorgen, dass das Unternehmen Technologieführer bleibt.' Je nach Stelle werden lediglich zwischen fünf und zehn Prozent der Bewerber eingeladen.

Der Einstellungsprozess des sächsischen Unternehmens ist strukturiert und verläuft nach mehrstufigem Plan. Damit gehört die Aluminiumschmiede zu den 30 Prozent deutscher Unternehmen, die bei der Rekrutierung einer festgelegten Richtschnur folgen. Zwar folgen immerhin 80 Prozent deutscher Unternehmen definierten Standards, wenn es um die Ausschreibung neuer Stellen geht; doch 44 Prozent entwickeln keine Kriterien für die Vorauswahl der Bewerber, und bei 70 Prozent erfolgt der Rekrutierungsprozess 'frei Schnauze'. Das ist das Ergebnis einer Studie des Mannheimer Personaldienstleisters Hays, der dazu 166 Personalentscheider kleiner und großer Unternehmen sowie der öffentlichen Verwaltung interviewte.

Der neunstufige Einstellungsprozess kostet mehr Zeit

Mittelstandsberater Jörg Knoblauch ist eher positiv überrascht: 'Ich hätte geschätzt, dass höchstens jedes zehnte Unternehmen seine Einstellungsprozesse strukturiert.' Der Autor des Buches 'Die Personalfalle' ist Verfechter eines konsequenten Ablaufes, bei dem etwa vorab ein Telefoninterview mit den Kandidaten geführt oder Referenzen bei vorherigen Chefs eingeholt werden. Dieser neunstufige Einstellungsprozess mag im Einzelfall zunächst mehr Zeit kosten, doch etliche Bewerber fallen durch, beispielsweise weil sie als angehende Führungskraft keine langfristigen beruflichen Ziele haben oder nichts über ihre Schwächen und ihren Umgang damit sagen können.

So reduziert sich die Anzahl der Bewerbungsgespräche, die Personaler noch zu führen haben. Doch das ist für den Personaler, der selbst ein Beratungsunternehmen mit 35 Mitarbeitern führt, nicht entscheidend: 'Wer engagierte Mitarbeiter gewinnen will, die das Unternehmen voranbringen, muss ihnen entsprechende Wertschätzung entgegenbringen.' Das bestätigt auch Anke Weber. Viele Bewerber sind mindestens verwundert über die scheinbar aufwendige Handhabung und die intensive Nachfrage. Doch wenn sie die Hintergründe erklärt, kommt bei manchen der Aha-Effekt. 'Die Reaktion sagt viel über die jeweilige Person', erzählt sie.

Denn: während die einen Angst haben und abblocken, sind andere positiv überrascht, dass sich ein Arbeitgeber so intensiv mit ihnen beschäftigt - drehen teilweise den Spieß um und wollen mehr über das Unternehmen wissen. Intensive Personalgespräche lohnen sich, denn es könne leicht 50 000 Euro kosten, wenn man nach einer sechsmonatigen Probezeit feststellt, dass der Neue doch nicht die geeignete Person für die Aufgabe sei, so der Geschäftsführer von Tempus-Consulting. Weil sich der Markt gedreht hat, müssen Chefs umdenken: 'Erfolgreiche Unternehmer müssen mehr in die systematische Personalauswahl investieren.' Ganz ähnlich sieht das Barbara Lang, bei Hays für Rekrutierungsprozess-Lösungen verantwortlich: 'Die Folgen des Fachkräftemangels sind bei Unternehmen nicht vollständig angekommen.'

Engagierte Bewerber legen Wert auf die Präsentation

Denn obwohl laut Studie fast 60 Prozent der Unternehmen den Bewerbern schon während der Rekrutierung beweisen wollen, dass sie ein sehr guter Arbeitgeber sind, hat sich nur die Hälfte tatsächlich Gedanken über eine Strategie gemacht. Lediglich ein Drittel hat einen Prozess mit klar verteilten Verantwortlichkeiten entwickelt. Doch fachlich kompetente und engagierte Bewerber legen Wert darauf, wie sich das Unternehmen präsentiert. In einem lauen Laden wollen die richtig Guten nicht arbeiten.

So nutzen laut Studie lediglich 28 Prozent der Unternehmen Entscheidungshilfen bei der finalen Auswahl geeigneter Kandidaten. Knapp die Hälfte gibt kein Feedback nach Interviews, und zwei Drittel geben kein qualifiziertes Feedback bei Absagen. 'Das wirkt unprofessionell und schadet dem Unternehmen', sagt Lang, denn Bewerber geben ihre Erfahrungen über Social-Media-Kanäle weiter - vor allem im Unternehmensportal Kununu. Die UFT folgt weitestgehend dem Knoblauch-Modell und nutzt auch dessen Toolbox, mit der die Erfolgsquote passender Einstellungen von 25 auf 80 Prozent steigen soll. 'Das könnte hinkommen', schätzt Anke Weber.

In Radebeul werden die persönlichen Interviews dann vor allem von den Bereichs- und Abteilungsleitern geführt, denn sie können am besten beurteilen, ob der potenzielle Kollege ausreichende fachliche Kompetenzen mitbringt und menschlich in ein bestimmtes Team passt. 'Unsere Geschäftsführung trifft selbstverständlich die letzte Entscheidung, aber wenn die jeweiligen Vorgesetzten sich festgelegt haben, dann ist der Kandidat zu 90 Prozent durch', so Weber. Mit der Vertragsunterschrift ist der Einstellungsprozess bei den Sachsen allerdings noch nicht beendet.

Denn für die sechsmonatige Probezeit werden sogenannte Meilensteine vereinbart, die das Unternehmen und der neue Mitarbeiter miteinander erreichen wollen. Das können notwendige Fortbildungen sein, aber auch, dass der Mitarbeiter nach zwei Monaten eine Maschine selbstständig rüsten kann und nach drei Monaten die allgemeinen Leistungsvorgaben erfüllt.