Ein Retter der Bergwacht sichert seine Kameraden, die sich schon über die Abbruchkante hinweg zu den Kindern abgeseilt haben. Foto: 7aktuell

Am Ostersonntag sind eine Zwölfjährige und ihr neun Jahre alter Bruder an einem Steilabbruch am Albtrauf verunglückt. Es ist nicht der einzige Einsatz gewesen, zu dem die speziell ausgebildeten Helfer in den vergangenen Tagen gerufen wurden.

Lenningen - Die Bergwachten Esslingen, Lenninger Tal und Stuttgart waren am langen Osterwochenende voll gefordert. Unter anderem mussten die speziell ausgebildeten Retter am Ostermontag zwei am Albtrauf in der Nähe von Lenningen-Hochwang abgestürzte Geschwister im Alter von zwölf und neun Jahren mit einer aufwendigen Aktion retten. Am Tag zuvor bargen die Helfer eine bei Lenningen-Schlattstall von einem Wanderweg abgerutschte 75-jährige Frau.

Beim Einsatz war „große Eile geboten“

Laut Edgar Balzer von der Bergwacht Stuttgart war bei der Rettung der beiden Kinder „große Eile geboten“. Denn sie hätten sich in dramatischen Lagen befunden, sagt Balzer, der den Einsatz geleitet hat. Ein zwölf Jahre altes Mädchen war an der Felsformation „Kesselfinkenloch“ bei Lenningen-Hochwang rund 30 Meter tief gestürzt und hatte dabei schwere Verletzungen erlitten. Laut der Polizei waren die Zwölfjährige und ihr neun Jahre alter Bruder mit Fahrrädern auf dem Wanderweg „Kesselfinkenloch“ unterwegs gewesen. Das Mädchen sei schließlich vom Wanderweg aus zu Fuß zur Albtraufkante gegangen, dort ins Rutschen geraten und abgestürzt. Der neun Jahre alte Bruder wollte seiner Schwester zu Hilfe eilen, verlor dabei ebenfalls den Halt und stürzte an derselben Stelle ab. Er konnte sich jedoch im Steilhang an einem Baum festhalten, so Balzer.

Dass die verunglückten Kinder entdeckt wurden, ist einem aufmerksamen 38-jährigen Mountainbikefahrer zu verdanken, der die Rettungskräfte alarmierte, nachdem er zwei herrenlose Kinderfahrräder am Wegesrand entdeckt und, wie auch ein weiterer Passant, Hilfeschreie aus dem Gelände gehört hatte. Der Mountainbiker stieg der Polizei zufolge zu einem der Geschwister hinunter, um diesem Erste Hilfe zu leisten.

Rettungshubschrauber im Einsatz

Knapp 15 Minuten nach dem Notruf waren zwölf Helfer der beiden Bergwachten Stuttgart und Lenninger Tal am Einsatzort. Sie hätten sogleich zwei Teams gebildet, berichtet Edgar Balzer. Zum einen habe ein Notarzt so schnell wie möglich mit einem Sicherungsgurt und einem Helm ausgestattet und dann zu dem schwer verletzten Mädchen abgeseilt werden müssen, um dieses zu versorgen und zu stabilisieren. Zum anderen musste sich ein Bergwachthelfer schnellstmöglich zu dem in der Wand hängenden, glücklicherweise nur leicht verletzten Jungen abseilen, um diesen zunächst so zu sichern, dass er nicht noch weiter abstürzt. Neben dem Notarzt waren zwei Rettungswagen und ein Rettungshubschrauber vor Ort.

Mit einer Gebirgstrage sei das Mädchen zunächst aus dem unwegsamen Gelände bis zum nächsten Waldweg transportiert worden. Von dort ging es für das Kind mit dem Bergwachtfahrzeug zu einer Straße und dann im Rettungshubschrauber weiter in ein Krankenhaus. Nach ersten Erkenntnissen der Polizei zog sich die Zwölfjährige mehrere Knochenbrüche und Prellungen zu. Ihr leicht verletzter Bruder wurde nach seiner Bergung von einem Rettungswagen in eine Klinik gebracht.

Technisch anspruchsvolle Bergung

Der Einsatz sei aufgrund des großen Zeitdrucks sehr fordernd, und die Bergung zudem technisch anspruchsvoll gewesen, berichtet der Bergwacht-Einsatzleiter Balzer. „Außerdem ist man immer zusätzlich angespannt, wenn es um Kinder geht.“

Die Geschwister waren laut der Polizei offensichtlich alleine mit ihren Fahrrädern auf dem Wanderweg unterwegs gewesen. Die Klärung der Frage, ob die Eltern möglicherweise ihre Aufsichtspflicht verletzt haben, ist laut einem Sprecher des Polizeipräsidiums Reutlingen zunächst „nicht vorrangig“ gewesen. Aber die ermittelnden Beamten werden „sicherlich mit den Eltern sprechen“. Wichtig war aber in erster Linie, die verunglückten Kinder schnell zu retten und in Sicherheit zu bringen.

Frau rutscht auf schmalem Pfad ab

Schon am Tag zuvor war die Bergwacht wegen einer abgestürzten 75-jährigen Wanderin zum Schreckenfels im Bereich von Lenningen-Schlattstall und Grabenstetten (Kreis Reutlingen) gerufen worden. Die Frau war laut der Polizei aus Unachtsamkeit auf einem schmalen Trampelpfad unterhalb der Felsformation „kleine Schrecke“ zwischen zwei Spitzkehren ausgerutscht und etwa acht Meter tief gefallen, ehe sie von einem Baum aufgefangen wurde. Sie verletzte sich dabei leicht.

Aufgrund des herrlichen Ausflugswetters sei in den vergangenen Tagen auf der Schwäbischen Alb „richtig was los gewesen“, sagt Balzer. Am Dienstag, 16. April, mussten die Bergwachtkollegen einen 49-jährigen Gleitschirmflieger bergen, der in der Nähe der Burg Hohenneuffen in eine Turbulenz geraten und vom Wind in einen Baum getrieben worden war. Der Mann erlitt der Polizei zufolge mittelschwere Verletzungen. Außerdem sei die Bergwacht am Sonntag bei einem Motorradunfall zu Hilfe gerufen worden und habe eine kollabierte Person am Reußenstein geborgen.

Zahl der Bergwacht-Einsätze steigt stetig

Es sei völlig normal, dass mit der Zahl der Touristen auf der Schwäbischen Alb auch jene der Bergwacht-Einsätze steige, sagt Edgar Balzer. Zumal auch die Freizeitaktivitäten mit Wandern, Klettern, Gleitschirmfliegen, Mountainbiken und E-Biketouren weit vielfältiger als früher seien. Im vergangenen Jahr rückten die Retter der Bergwachten Württemberg und Schwarzwald eigenen Angaben zufolge rund 1800 Mal aus. Vor rund 30 Jahren waren es nur etwa 250 Einsätze jährlich gewesen.