Lisa Sperling, Beatrix Schnell mit Sohn Alfons, Erzieherin Suzan Cetin und Daniela Madinger mit Sohn Bastian (von links) fühlen sich in ihrer Kita im Stuttgarter Westen wohl. Foto: Carolin Klinger

Die Kita Freie Schule gibt es schon seit 40 Jahren im Stuttgarter Westen. Doch aus baurechtlichen Gründen droht nun die Schließung.

Wer den Hinterhof der Kita Freie Schule betritt, taucht in eine bunte Welt ein, in der Kinder sich an Werkbank, Basteltisch, Kletterseilen und einem großen Sandkasten ausprobieren dürfen. Der Innenbereich ist groß, eine schmale Treppe führt hinunter in einen Raum, in dem die Kinder sich mit Kissen und Decken Höhlen und Rutschen bauen können. Dort halten sich die Mädchen und Jungen auch mal ohne Aufsichtsperson auf. „Wenn sich ein Kind weh tut, bleibt ein anderes bei ihm und ein drittes holt Hilfe“, erklärt Daniela Madinger, die bereits ihr zweites Kind in der Kita untergebracht hat. Das sei nur ein Beispiel dafür, wie die 13 Mädchen und Jungen, die hier betreut werden, selbstbestimmt spielen dürfen.

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„Wir können immer noch nicht glauben, dass wir hier nicht bleiben dürfen“, sagt Lisa Sperling und blickt sich traurig um. Die Mutter von zwei Kindern findet die Räume, die die Kita bereits seit fast 40 Jahren beherbergen, optimal. Und doch müssen sie aus dem Haus in der Rotebühlstraße 88/1 ausziehen.

Baurechtlich fehlt der Kita eine Genehmigung

Denn obwohl die Kita eine Betriebserlaubnis hat, wurde die Nutzung der Räume nie baurechtlich genehmigt. Von diesem Umstand erfuhr der Vermieter durch Zufall vor einigen Jahren und wollte die fehlende Genehmigung einholen. Doch dies erwies sich als schwierig. Denn laut der Bestimmungen brauchen Kindertagesstätten zwei Fluchtwege, was bei den Räumen in der Rotebühlstraße auch gegeben ist. An einen möglichen Fluchtweg grenzt jedoch ein weiteres Gebäude. Dessen Eigentümerin muss einwilligen, damit der Weg offiziell als Fluchtweg gilt. Doch diese verweigert ihre Unterschrift. „Wir wollen niemandem etwas Böses und haben Verständnis“, stellt Beatrix Schnell klar, ebenfalls Mutter eines der Kita-Kinder. „Aber wir sind mittlerweile mit der Situation überfordert und brauchen Hilfe.“

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Die Kita Freie Schule ist eine Eltern-Kind-Initiative, bei der sich die Eltern ehrenamtlich um die meisten Belange der Einrichtung kümmern. In den 1980er Jahren entstand das Konzept für eine Schule und schließlich für die Kita, in der die Kinder ihren Alltag selbstbestimmt gestalten können. „Das ursprüngliche Konzept wurde im Laufe der Zeit angepasst, aber im Kern lebt es hier immer noch weiter“, sagt Beatrix Schnell. Dass die Idee auch heute noch funktioniere, zeige sich daran, wie sehr sich die Familien mit der Kita identifizieren und nun um sie kämpfen.

Auch das Betreuer-Team ist seit vielen Jahren beständig mit dabei. Das bestätigt Suzan Cetin, die seit 13 Jahren in der Kita beschäftigt ist und zum Leitungsteam gehört: „Wenn die Kita hier schließen muss, dann war es das für mich als Erzieherin. Dann suche ich mir einen ganz anderen Job.“ Für sie sei dieser Ort etwas besonderes.

Stadt will sich für Kita einsetzen

Eine gut laufende Kita, mit der sich Eltern, Kinder und Personal gleichermaßen identifizieren, soll schließen? Angesichts der Personalnot in Kitas und ohnehin aktuell schon mehr als 2700 fehlenden Plätzen für Kleinkinder in Stuttgart schrillen nun auch im Jugendhilfeausschuss des Gemeinderates die Alarmglocken. Denn nach einem nun fast schon vier Jahre andauernden Kampf um die Kita hat sich der Trägerverein hilfesuchend an die Stadt gewandt. Die Gemeinderatsfraktionen von SPD, CDU, Die Fraktion, FDP und PULS haben daraufhin in einem gemeinsamen Antrag gefordert, die Kita Freie Schule zu erhalten, ebenso wie die Freien Wähler in einem separaten Antrag.

Bernd Mattheis vom Jugendamt stellt klar, dass man bereits tätig geworden ist: „Wir helfen, wo wir können. Wir beraten und unterstützen in der Kommunikation, wenn eine Immobilie geeignet ist“, verspricht er. Jedoch sei es vor allem im Stuttgarter Westen schwierig, überhaupt eine Fläche zu finden.

Bürgermeisterin Fezer pocht auf bestehendes Baurecht

Auch Bürgermeisterin Isabel Fezer betont, wie wertvoll die 13 Plätze sind und dass sie alles dafür tun will, diese zu erhalten. Doch in den bestehenden Räumen ist dies ihrer Meinung nach kaum möglich. „Wir müssen uns an das Landesbaurecht halten. Wir schließen nicht von heute auf morgen Kitas, aber wenn die Befristung ausläuft, ist irgendwann Schluss.“

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Im Fall der Kita Freie Schule würde das bedeuten, dass sie bis spätestens Ende des Jahres umziehen müsste. Mit Maklern ist der Trägerverein bereits in Kontakt, bisher kommt nur eine Immobilie in Stuttgart-Süd eventuell in Frage. Doch die Lösung ist noch nicht in Sicht. „Angenommen, wir finden etwas Passendes, dann müssten wir natürlich zunächst durch das Baurechtsamt prüfen lassen, ob die Bestimmungen erfüllt sind“, erklärt Beatrix Schnell. Den meisten Vermietern würde das zu lange dauern. „Dabei sind wir verlässliche Mieter. Kitas sind schließlich krisensicher“, sagt Lisa Sperling.

Für die betroffenen Familien und die Mitarbeitenden ist der Kampf um die Kita und die Perspektivlosigkeit zermürbend. Trotzdem ist noch keine Familie und kein Mitarbeitender abgesprungen. „Der Zusammenhalt ist bei uns sehr groß“, sagt Daniela Madinger.

Die Kita Freie Schule sucht Räume, die mindestens 150 Quadratmeter groß sind, über einen Außenbereich verfügen und in Stuttgart-West oder -Süd liegen. Wer eine passende Immobilie kennt, kann sich unter quartier@kita-freie-schule.de melden.