Wie verteilt sich das Einkommen über Stuttgart? Unser Einkommensatlas zeigt es. Foto: Adobe Stock/Montage: Marie Scholz

Stuttgart gehört zu den wohlhabendsten deutschen Städten, doch auch hier gibt es soziale Unterschiede - oft auf kleinem Raum. Dass sich Arm und Reich in vielen Stadtteilen mischen, hat auch mit hohen Mieten zu tun.

Die Unterschiede liegen in Stuttgart oft gar nicht so weit auseinander: Das Einfamilienhaus im Grünen steht vielfach in Sichtweite von in die Jahre gekommenen Wohnblöcken. Die Bewohner sind fast Nachbarn, doch sie trennen nicht nur ein paar Straßen, sondern häufig auch Geld.

 

Dabei zählt Stuttgart zu den reichsten Städten Deutschlands, die Durchschnittsgehälter gehören hier zu den höchsten. Nur etwa acht Prozent der Menschen sind auf Grundsicherung angewiesen, im Vergleich zu anderen Großstädten ist das sehr wenig. Nur in München ist der Anteil der Haushalte mit mehr als 5000 Euro Nettoeinkommen höher. In fast jedem vierten Stuttgarter Haushalt wird so viel verdient.

Einkommen in Stuttgart – so detailliert wie noch nie

Die Zahlen zu den Haushalten stammen vom Bonner Dienstleister infas360. Er ist auf extrem kleinräumige Daten spezialisiert. Im Falle der Einkommen bedeutet das: infas360 kann für jeden Siedlungsblock in Deutschland sagen, wie sich die Haushalts-Nettoeinkommen auf sechs Klassen verteilen.

Eine Einschränkung: die Daten sind nur geschätzt. Gegenchecks mit dem tatsächlichen Einkommen zeigen, dass das aufwendige Verfahren der Datenexperten in weniger als 15 Prozent der Fälle klar danebenliegt.

Die Verteilung von hohen und niedrigen Einkommen übers Stadtgebiet geben die infas360-Daten jedoch zuverlässig wieder: Wo leben die (un)gleichen Nachbarn? Für unsere Serie „Einkommensatlas“ schauen wir auf genau diese Kontraste – wo trennt eine Straße hohe und niedrige Einkommen? Wo ist Stuttgart besonders vielfältig? Am wichtigsten: was bedeutet das für die Menschen und die Stadtgesellschaft?

So sind die Einkommensklassen in Stuttgart verteilt

In der Karte ist jeder Haushalt ein Punkt. Niedrige Einkommen unter 1500 Euro je Monat sind Blau, mittlere grün und gelb, hohe Einkommen in Rot beziehungsweise Dunkelrot (über 5000 Euro je Monat) dargestellt.

Unterschiede zwischen Nord und Süd

So groß, das unterstreicht der Blick auf die Karte, sind die Unterschiede in Stuttgart oft gar nicht. Eine Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung WZB zeigt, dass Sozialhilfeempfänger und Menschen mit besonders hohem Einkommen sich relativ gleichmäßig über die Stadt verteilen. „Stuttgart ist eher wenig polarisiert, wie viele andere süddeutsche Städte auch“, sagt der WZB-Ungleichheitsforscher Marcel Helbig. Städte im Ruhrgebiet und Ostdeutschland sind viel stärker sozial gespalten.

Natürlich lebt man auf der Stuttgarter Halbhöhe anders als entlang der Hauptstraßen im Talkessel. Anders als beispielsweise Essen ist die Stadt aber nicht in einen reichen Süden und einen armen Norden geteilt, auch gibt es keine vornehmlich von Menschen mit geringen Einkommen bewohnten Plattenbausiedlungen wie im Osten. Helbigs Studie zeigt: Entlang des Neckars und in den nördlichen Stadtbezirken leben etwas weniger Gutverdienende, im Kessel und in den südlichen Stadtteilen dagegen mehr Menschen mit hohen Einkommen – und vielfach auch Hochschulabschluss. Helbig warnt vor voreiligen Schlüssen: „Hohe Bildung und hohes Einkommen muss sich nicht an den gleichen Orten verteilen, auch wenn wir beides im Kopf oft verknüpfen.“ Der Grund: gut bezahlte Industriejobs. In der Autoindustrie verdient man auch ohne Uniabschluss weiterhin gut – das kann man auch in der VW-Stadt Wolfsburg beobachten.

Oft treten Unterschiede auf sehr kleinem Raum zutage. Welche Jobs die Nachbarn haben, ob sie zugewandert oder alteingesessen sind, wie sich der Alltag anfühlt – das kann sich von Häuserblock zu Häuserblock unterscheiden. „Die Frage ist: Hat das andere soziale Folgen?“, sagt Helbig. „Aus der Perspektive von Schulkindern kann es heißen, dass Kinder aus fünf ganz unterschiedlichen, benachbarten Häuserblöcken zusammen zur Schule gehen und sich dort begegnen.“

Hohe Mieten sorgen für soziale Durchmischung

Doch die relativ gute soziale Durchmischung in Stuttgart hat auch eine Kehrseite. Zwar hat die Polarisierung in arme und reiche Gegenden in der Landeshauptstadt in den letzten 10 Jahren sogar abgenommen, während sie in den deutschen Städten insgesamt zugenommen hat. Doch das hänge auch mit den stark steigenden Mieten zusammen, zeigt Marcel Helbigs Untersuchung. Stuttgart liegt laut einer Erhebung der Beratungsfirma Empirica deutschlandweit auf Platz fünf der Städte mit den höchsten Mietpreisen, ein vermeintlich hohes Einkommen relativiert sich dadurch schnell.

„Wenn die Mieten steigen, dann werden selbst Gebiete mit niedrigem Mietniveau, die einen schlechten Ruf haben, für die Mittelschicht attraktiv, die dann womöglich die ärmere Bevölkerung verdrängt“, sagt Helbig. „Die wirklich nicht gute Entwicklung der hohen Mieten führt also dazu, dass die Städte sozial durchmischter werden.“ Umgekehrt sieht Helbig Hinweise darauf, dass sich nur noch Gutverdiener die Mieten in begehrten Wohnlagen leisten können.

Wenn sich eine Stadt in Gut- und Geringverdienerkieze aufteilt, ist das nicht gut. Wer in einer als „Problemviertel“ gebrandmarkten Gegend lebt, das zeigen internationale Studien immer wieder, hat häufiger Gesundheitsprobleme. Kinder, die dort zur Schule gehen, haben schlechtere Aufstiegschancen. In Gebieten mit hoher Armutsquote gehen oft weniger Menschen zur Wahl – ein Problem für die Demokratie. Doch in Stuttgart ist die Situation vergleichsweise gut, sagt Helbig: „Selbst benachteiligte Stadtteile haben hier bei weitem nicht so hohe Kinderarmutsquoten oder Anteile von Transferleistungsempfängern wie in anderen Städten.“

Einkommensatlas

Datenserie
Mit unserer Serie „Einkommensatlas“ zeigen wir in den kommenden Wochen für alle Stuttgarter Stadtbezirke, wo Gut- und Geringverdiener wohnen – und wie man in der Stadt damit umgeht. Wir zeigen die Daten auf hochdetaillierten Karten und ordnen sie ein. Auf unserer Themenseite finden Abonnentinnen und Abonnenten die interaktive Karte sowie erste Analysen.