Schönberg gehört zum Stadtbezirk Birkach – und zu den Gegenden mit den meisten Gutverdienern in Stuttgart. Foto: Torsten Schöll/Montage: Marie Scholz

Schönberg ist der Stadtteil mit Stuttgarts höchstem Gutverdiener-Anteil. Wer wohnt dort – und wie funktioniert das Zusammenleben am Stadtrand?

Schönberg ist ein ruhiger und sonnendurchfluteter Stadtteil. Südhang, viel Grün, beste Lage, würde ein Immobilienmakler betonen. Ein Ort zum Wohlfühlen. Dass sich hier zu wohnen nicht jeder leisten kann, ist klar: Laut den „Einkommensatlas“-Daten des Dienstleisters infas360 leben nirgendwo sonst in Stuttgart so einheitlich viele Menschen mit einem Haushaltseinkommen über 5000 Euro. Rund 60 Prozent der Haushalte kommen über diese Summe, rund 70 Prozent über 3500 Euro.

 

Weder auf dem Killesberg noch auf der Waldau, auch nicht am Frauenkopf ist der Gutverdiener-Anteil höher. Schönberg bei Birkach im Süden Stuttgarts liegt im Vergleich der infas360-Schätzungen knapp auf Platz eins, wenn auch mit geringem Abstand: Dahinter kommen der Killesberg (56 Prozent der Haushalte mit über 5000 Euro netto) und die Lenzhalde (53 Prozent).

Gutverdiener-Haushalte sind in Schönberg weitestgehend unter sich. Gerade einmal sieben Prozent der Haushalte werden auf ein Nettoeinkommen bis 1500 Euro geschätzt, einer der geringsten Werte aller Stadtteile in ganz Stuttgart. Wo die absolut reichsten Menschen leben, verraten die Zahlen hingegen nicht, denn eine weitere Aufteilung in noch höhere Nettoeinkommen oberhalb von 5000 Euro oder gar nach Vermögen ist mit ihnen nicht möglich.

Wer wohnt in Schönberg?

Konfrontiert man die Bewohner Schönbergs mit diesen Zahlen, erntet man gleichwohl erstaunte Rückfragen: „Tatsächlich? Das fühlt sich hier alles sehr normal an“, sagt Anja Blecher, die seit acht Jahren mit ihrer Familie in der Birkheckenstraße lebt. In Schönberg sind die ganz großen Villen rar gesät, die man erwarten könnte in einem Wohngebiet, von dem die benachbarten Birkacher gerne sagen, dass dort „keine Armen leben“. Stattdessen Mehrfamilienhäuser oder kleinere Einfamilienhäuser. Die Grundstücke sind dafür umso größer, falls sie nicht nachverdichtet wurden.

Auch Veit Mathauer, der Vorsitzende des sehr aktiven Bürgervereins Schönberg, verortet das Gros der Einwohnerschaft eher in der Mittelschicht: „In Schönberg leben viele Freiberufler“, sagt der 59-Jährige, der selbst seit 25 Jahren in Schönberg lebt. „Industrielle oder Großunternehmer gibt es hier kaum.“ Und als das Ehepaar Ingrid und Stefan Tillmanns vor 46 Jahren an den Hang zog, war Schönberg, wie sie sagen, „mit Sicherheit nicht die teuerste Wohngegend in Stuttgart“.

Einer der Gründe, weshalb es ursprünglich auch Durchschnittsverdiener in den Stadtteil im Süden von Stuttgart zog: Oberhalb der Schönbergstraße wurden Grundstücke in Erbpacht vergeben. Leisten können musste man sich zumindest dort also zunächst nur sein mehr oder weniger kleines Eigenheim, nicht das Grundstück selbst. Viele Beamte schlugen Ende der 50er Jahre zu.

Dennoch: „Es ist deutlich zu erkennen, dass es hier keine Industriearbeiterschaft gibt“, sagt der heute 83-jährige Stefan Tillmanns, der einst mit seiner Frau Ingrid der Arbeit wegen von Düsseldorf nach Stuttgart gezogen ist. Ein „Reichenghetto“ sei es deshalb aber nicht. „Darin würden wir uns auch nicht wohlfühlen“, sagt er.

Doch auch wenn Wohnen im Schönberg, wie die Tillmanns unterstreichen, „dem Ideal nahe kommt“, der Knackpunkt ist die Infrastruktur. Oder besser gesagt, deren Abwesenheit. Keine Geschäfte, keine Handwerker, kein gewachsener Platz, um sich mal zu treffen. Und die Anbindung an den ÖPNV lässt überdies zu wünschen übrig.

Der letzte Lebensmittelladen hat vor mehr als 20 Jahren dichtgemacht, erzählt Mathauer. Erschwerend kommt hinzu, dass die Evangelische Kirche Ende nächsten Jahres die Himmelfahrtskirche aufgeben wird. Sie war bisher so etwas wie das Zentrum Schönbergs. Wer im vermeintlich wohlhabenden Schönberg lebt, braucht also nicht nur für jede Erledigung ein Auto.

Abgesehen vom TSV Birkach, der am Fuß des Hangs seine Sportanlagen betreibt, findet soziales Leben hier weitgehend nur dann statt, wenn man es zuvor aufwendig organisiert. Das gilt auch für die Kinder im Stadtteil: „Die spielen hier selten auf der Straße, sondern bleiben in den großen Gärten“, bedauert Anja Blecher. In der benachbarten Hochhaussiedlung Asemwald sei das anders. Dort gibt es mehr Leben auf der Straße.

Kulturell engagiert – und protestwillig

Doch etwas auf die Beine stellen, das können die Schönberger. Rund 250 Menschen sind im Bürgerverein aktiv, das ist fast jeder Fünfte im Stadtteil. Das kulturelle Programm des Vereins sucht seinesgleichen. Der mutmaßlich hohe Bildungsstand der Schönberger und ihre gute Vernetzung dürften dabei hilfreich sein.

Letzteres könnte auch erklären, wieso in Schönberg der Widerstand gegen die temporäre Einrichtung einer Flüchtlingsunterkunft besonders effektiv war und die Belegungspläne der Stadt monatelang gebremst hat. Ein Teil der Einwohnerschaft hatte sich organisiert, um die Belegung eines ehemaligen Pflegeheims mit einer Maximalzahl von rund 370 Geflüchteten zu verhindern. Obgleich nun die ersten 100 Personen eingezogen sind, war die Initiative damit bislang auffallend erfolgreich. Was wiederum nicht allen im Ort gefällt.

In Angriff nehmen will man auch endlich die Entwicklung des eigenen Quartiers. Dazu wurde im vergangenen Jahr das Projektteam „Lebenswertes Schönberg“ gebildet, das sich die Verbesserung des sozialen Miteinanders und der Nahversorgung auf die Fahnen geschrieben hat. Gleichzeitig plant die Gruppe „Forum im Schönberg“ eine spätere Nutzung des Kirchenbaus für Veranstaltungen und Zusammenkünfte.

Viel ehrenamtliches Engagement ist da vorausgesetzt. Das Mantra der Immobilienbranche, „Lage, Lage, Lage“, das wie gemacht scheint für Schönberg, garantiert allein eben noch längst nicht, dass das Gemeinwesen ein funktionierendes ist.

Einkommensatlas

Serie
Mit unserer Serie „Einkommensatlas“ zeigen wir in den kommenden Wochen für alle Stuttgarter Stadtbezirke, wo Gut- und Geringverdiener wohnen – und wie man in der Stadt damit umgeht. Wir zeigen die Daten auf hochdetaillierten Karten und ordnen sie ein. Auf unserer Themenseite finden Abonnentinnen und Abonnenten die interaktive Karte sowie erste Analysen.

Daten
Die Einkommensschätzung stammt vom Daten- und Marktforschungsunternehmen infas360. Die Einkommensklassen werden mit einem Rechenverfahren geschätzt, das neben Befragungsergebnissen auch Strukturdaten zum Beispiel zu Gebäuden, Alter der Bewohner und der Nachbarschaft nutzt. Das Modell trifft in den meisten Fällen die richtige Einkommensklasse, kann aber auch von der Realität abweichen. Es sagt weniger über einzelne Haushalte aus, sondern vor allem über die Verteilung von Einkommen von Nachbarschaft zu Nachbarschaft. Mehr zur Methodik erfahren Sie hier.