Beim SV Sillenbuch kommen Studenten, Handwerker und Banker zum Kicken zusammen. Sie verdienen sehr unterschiedlich. Spielt das eine Rolle?
„Zeit zum Aufwärmen!“, ruft Zvonimir Topalusic, Fußballtrainer beim SV Sillenbuch. Dienstagabend ist Training, Flutlicht taucht den Fußballplatz am Spitalwald in grelles Licht. Man könnte fast vergessen, dass man sich hier noch innerhalb Stuttgarts befindet, so grün ist es hier. Gut verdient wird auch, jedenfalls gilt Sillenbuch als wohlhabender Stadtbezirk.
Und tatsächlich: die Karte in unserem Einkommensatlas zeigt im Stadtbezirk Sillenbuch viele rote Punkte und damit Haushaltseinkommen jenseits der 3500 Euro netto. Macht sich das auch auf dem Fußballplatz bemerkbar?
Während die ersten Spieler nebeneinander herlaufen, erklärt Coach Zvonimir Topalusic, dass sein Team sehr gemischt sei: von Studenten, die wenig bis gar nichts verdienen, über Banker, Schneider oder Daimler- und Börsenmitarbeiter – da sei fast alles dabei, und für den Teamgeist sei das kein Problem. Es komme schon vor, dass die gegnerische Mannschaft nach dem Spiel direkt nach Hause fährt. „Bei uns ist das unvorstellbar“, sagt Topalusic. Quatschen, Bierchen und vielleicht auch mal eine Wurst nach dem Spiel seien Tradition. Genauso wie regelmäßige Kabinenfeste, gemeinsam mit der zweiten Herrenmannschaft, die zur gleichen Zeit trainiert.
„Dann hilft man ihm hoch“
Der Physiotherapie-Student Jerry und der Raumausstatter Krasimir spielen in der zweiten Mannschaft. Beide fühlen sich sehr wohl in ihrem Team und sehen in den anderen Vereinsmitgliedern nicht nur Sportgefährten, sondern auch Freunde. Man trifft sich nicht nur auf dem Platz, sondern auch am Wochenende oder beim Online-Zocken.
„Der Fußball und die Freundschaft zählen, alles andere ist nebensächlich“, sagt Krasimir. Unterschiedliche Einkommen seien kein Thema. Im Team werde niemand aufgrund seines Einkommens diskriminiert oder ausgeschlossen. Jerry erklärt: „Wenn man Probleme hat, wird man vielleicht von jemand anderem unterstützt. Wenn es bei einem nicht gut läuft, hilft man ihm hoch.“
Der Sport gilt als Motor für Integration. Eine Mitgliedschaft ist nicht teuer, in Vereinen wie dem SV Sillenbuch sind Fußball und Freundschaft wichtiger als das Einkommen, das jemand erzielt. Es geht um Spaß und gemeinsame Aktivitäten. Im Verein begegnen sich Menschen, die sonst vielleicht nicht nebeneinander wohnen würden.
Riedenberg ist stärker durchmischt
Sillenbuch besteht im Wesentlichen aus Ein- und Zweifamilienhäusern. Das muss man sich erst einmal leisten können, entsprechend verdient hier die Hälfte aller Haushalte 3500 Euro und mehr. Das merken natürlich auch die Fußballer beim SV Sillenbuch. „Wo die Einfamilienhäuser stehen, da verdient man besser“, sagt Krasimir, der Raumausstatter.
Im ebenfalls zum Stadtbezirk Sillenbuch gehörigen Stadtteil Heumaden ist es ähnlich. Der benachbarte Stadtteil Riedenberg ist deutlich durchmischter, hier liegt der Anteil der gut verdienenden Haushalte bei einem Drittel. Insgesamt ist der Stadtbezirk Sillenbuch deutlich wohlhabender als die Gesamtstadt Stuttgart. Der Anteil der höheren Einkommensklassen ist etwas höher, der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund geringer, die Wohnungen sind größer und häufiger von Eigentümern bewohnt, außerdem gibt es mehr private Autos – alles Faktoren, die hohe Einkommen begünstigen.
Innerhalb von Mannschaften wie bei den Fußballern des SV Sillenbuch machen sich die unterschiedlichen Einkommen „höchstens mal bemerkbar, wenn einer einen Kasten Bier bezahlt“, berichtet Niklas, ein Selbstständiger. Er mache sich nicht viele Gedanken über die Gehälter der Mitspieler und wisse auch gar nicht, in welcher Einkommensklasse die anderen liegen. Jedoch sei das Einkommen „nicht unerheblich für die Frage, welche Sportarten überhaupt ausgeübt werden können, der soziale Habitus entscheidet oftmals über die Akzeptanz in spezifischen Vereins- oder Sportarten-Milieus“, schreibt der Deutsche Olympische Sportbund.
Die Fußballer vom SV Sillenbuch wissen, dass sie unterschiedlich verdienen. Sie kennen die Strukturen in ihrem Stadtbezirk, aber die ungleichen Einkommen seien im Sillenbucher Alltag nicht wirklich spürbar, so die einhellige Meinung. „Und spätestens hier auf dem Fußballplatz ist es dann eh egal“, stellt Krasimir klar.
Mit ihrem Sport verdienen die Fußballer nichts. Trotzdem sind viele seit Jahren im Team. Auch Neuankömmlinge werden schnell integriert, kürzlich ist erst ein gelernter Schneider zum Team gestoßen. Niklas, der Selbstständige, sagt: „Wegen des Fußballs kommt man. Wegen des Vereins und der Leute bleibt man“.