Viele Einzelhändler auf der Königstraße kapitulieren vor den hohen Mieten. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Viele Einzelhändler auf der Königstraße kapitulieren vor den hohen Mieten. Die Kleinen können selbst in Randlagen der City kaum noch die Miete stemmen. Allerdings gibt es Ausnahmen.

Stuttgart - Das erste Etappenziel scheint der neue City-Manager Sven Hahn erreicht zu haben: Er findet mit seiner Aussage, „es darf nicht Aufgabe des Handels allein sein, für attraktive Innenstädte zu sorgen“, Gehör in der Politik. Zumindest in der Landespolitik. Nach einer Anfrage der Landtagsabgeordneten Gabriele Reich-Gutjahr und den wiederkehrenden Nachrichten von Ladenschließungen wie der des Schuhhauses Werdich, hat sich nun sogar die Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut mit den Problemen in der City beschäftigt.

„Stuttgarts Innenstadt lebt von ihren Gewerbetreibenden, die in Zeiten eines forcierten Online-Handels immer mehr um ihre Existenz kämpfen und nach Möglichkeiten suchen müssen, ihr Angebot attraktiv zu gestalten“, sagt Reich-Gutjahr. Sie findet jedoch in der Antwort der Wirtschaftsministerin zum Ladensterben keine großen Überraschungen: Die Zahl der Einzelhandelsbetriebe sank im Zeitraum von 2008 bis 2017 um 216 auf 2884 in Stuttgart.

Zahl der Kleinen nimmt stetig zu

Reich-Gutjahr dazu: „Für eine lebendige, attraktive Landeshauptstadt ist jedoch ein hoher Grad an Diversität im Einzelhandel unerlässlich. Nur auf diesem Wege kann rückläufigen Passantenfrequenzen und Käuferzahlen entgegengewirkt werden.“ Der Verlust an Vielfalt ist für Reich-Gutjahr der Grund für den Abwärtstrend in der Innenstadt. Allerdings macht sie für das Ladensterben und den Rückgang der Passantenfrequenzen die Kommunalpolitik sowie die „Auswirkungen der Mobilitätspolitik von Grün-Schwarz“ im Land verantwortlich.

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Für Experten greift das zu kurz: Das enorme Wachstum der Handelsfläche durch die beiden Einkaufscenter Milaneo und Gerber, der allgemeine Strukturwandel und die steigenden Ladenmieten sind laut Experten viel bedeutendere Faktoren. Der Kleine kann selbst in Randlagen der City kaum noch die Miete stemmen. Von der I-a-Lage, der Königstraße, gar nicht zu reden. Dort liegen die Preise in der Spitze bei 270 Euro pro Quadratmeter. Ein paar Beispiele für die Randlagen: Für einen Laden (400 m²) in der Marienstraße verlangt der Vermieter auf einem Immobilienportal im Internet 10 500 Euro Monatsmiete. Wer im Europaviertel hinter der Stadtbibliothek Handel treiben will, muss 8900 Euro im Monat für 582 m² aufbringen.

Allerdings gibt es Ausnahmen. City-Manager Hahn fällt auf, „dass überall dort, wo das Land Baden-Württemberg in der Stadt vermietet, das Leben in der Stadt pulsiert. Dort gibt es eine Vielfalt an Handel und Gastronomie.“ Weiter sagt er: „Das Land als Vermieter wird seiner Verantwortung gerecht.“ Will sagen: Händler zahlen hier eine Miete, die sich wieder erwirtschaften lässt.

Positives Beispiel Markthalle

In diese Rolle könnte auch die Stadt schlüpfen, glaubt Stadtrat Christoph Ozasek (Die Linke): „Die Stadt muss viel stärker auf eine gute Mischung in der City achten. Dazu gehört es, Flächen in kommunale Hand zu überführen. Ein Weg wäre es, Grundstücks- und Immobilieneigentum der LBBW in städtische Hand zu bringen. Die Landesbank wurde mit 946,6 Millionen Euro aus dem Stadthaushalt gerettet. Dieses Steuerzahlergeld muss sukzessive zurückbezahlt werden. Ersatzweise könnte Immobilienvermögen auf die Stadt überschrieben werden.“ Ozasek geht noch weiter: „Die Stadt könnte mit umsatzabhängigen Pachten jungen Existenzgründern gute Startbedingungen ermöglichen.“

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Gerade die historische Markthalle mit ihren Gemüse- und Obsthändlern sei ein gelungenes Beispiel für Qualität und Diversität: „Denn die Markthalle ist eine öffentliche Handelsfläche ohne Renditeerwartung. Die 33 Stände mit 5000 m² Verkaufsfläche unterstreichen die Relevanz öffentlicher Handelsflächen.“ Auf eine Anfrage bei der Stadt Stuttgart und dem OB Fritz Kuhn (Grüne) zu diesen Vorschlägen von Ozasek ließ das Referat für Wirtschaft nur Folgendes mitteilen: „Eine Rückzahlungsverpflichtung seitens der LBBW besteht nicht. Zwischenzeitlich sind Kapitalanforderungen unter Basel III weiter gestiegen, so dass Rückzahlungen voraussichtlich eh nicht möglich sind. Somit stellt sich die Frage nicht, ob Rückzahlungen in Form von Grundstücksübertragungen erfolgen könnten.“

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Alexander Kotz sieht die Sache differenziert. Einerseits kann er sich vorstellen, „dass die Stadt an bestimmten Orten und bei bestimmten Objekten als Investor auftritt“. Andererseits verweist er aufs „Haushaltsrecht, das Investitionen in gewissen Höhen gar nicht zulässt“. Der Fraktionschef der Grünen, Andreas Winter, hingegen sagt: „Wir Grüne wollen, dass wir als Stadt insgesamt mehr kaufen. Wir hatten in zurückliegenden Zeiten keine Mehrheiten, um Verkäufe, wie etwa das Europahaus, zu stoppen.“