Simon Huth stellt Hörgeräte übers Handy des Kunden ein. Foto: Leif Piechowski/Leif Piechowski

Ein Stuttgarter Akustiker hat sich von allen Coronaverordnungen unabhängig gemacht. Dank ausgefeilter Technik kann er die Hörgeräte seiner Kunden per Fernbedienung einstellen. Kunden müssen nicht mehr in den Laden kommen.

Stuttgart - Es kommt keiner ungeschoren davon. Die Folgen der Pandemie und des sechswöchigen Lockdowns spüren alle Gewerbetreibenden. Händler, Dienstleister und selbst die Gesundheitshandwerker sind von der Coronakrise betroffen. Zum Beispiel Akustiker, die Menschen mit Hörgeräten ausstatten. Einer aus dieser Branche ist Simon Huth. Seit Januar hat er sich mit einem Partner mit einer kleinen Ladenfläche in der Königsbau-Passage selbstständig gemacht. Alles war im Aufbau und im Werden, da hemmt die Coronakrise Simon Huth am weiteren Wachstum. Nicht nur das: Huth nennt sich selbst einen „Einzelkämpfer“ im scharfen Wettbewerb, der von Ketten wie Geers oder Kind dominiert wird. „Wir durften zwar als Gesundheitshandwerker trotz des Lockdowns weiterarbeiten, aber natürlich merkten wir, dass es weniger wurde“, sagt der Inhaber.

Kaum Laufkundschaft

Sein Glück: Akustiker leben kaum von Laufkundschaft. Sonst wäre seine Lage im dritten Obergeschoss der Königsbau-Passage ein Wettbewerbs-Nachteil. Und doch ist er nicht von einer guten Passantenfrequenz unabhängig. Auch er braucht eine funktionierende Innenstadt für sein Geschäft. „Wir profitieren davon, dass auf unserer Etage die Toilette ist“, sagt er, „da läuft unweigerlich ein hoher Anteil unserer Zielgruppe am Laden vorbei.“ Gemeint sind eher Menschen, die mit zunehmendem Alter schlechter hören. „Das bedeutet aber auch, dass wir hauptsächlich mit der so genannten Risikogruppe arbeiten“, erklärt Huth.

Zwar habe er in seinem Unternehmen immer schon einen hohen Hygienestandard gehabt, den er in Zeiten der Pandemie noch einmal verschärft hat, aber was heißt das schon. Corona ist für viele Menschen auch eine sehr emotionale Sache. Die Bilder aus Bergamo, als die Covid-Opfer mit Militärlastwagen aus den Kliniken transportiert wurden, haben sich eingebrannt. Dass eine gute Atemschutzmaske einen hinreichenden Schutz vor dem Virus bietet, ist dann nur eine Information, die den Kopf erreicht – nicht aber den Bauch. „Daher sagten viele unserer Kunden, es sei ihnen zu riskant, in den Laden zur Anpassung des Hörgerätes zu kommen“, berichtet Simon Huth. Hinzu käme: „Auch diejenigen, die im Homeoffice arbeiten, wollten nicht mehr extra in die Stadt fahren.“

Rettungsanker Digitalisierung

Was also tun? Das, was derzeit alle tun. Ganz gleich, ob Kirchen, Bildungseinrichtungen oder der Handel: alle setzen auf die Karte Digitalisierung. Online-Handel, Online-Konferenzen, Online-Gottesdienste oder Online-Yoga-Kurse. Simon Huth geht denselben Weg: „Wir bieten unseren Kunden, die Möglichkeit ihre Hörgeräte über einen Remote-Support einzustellen. Das bedeutet, sie müssen nicht zu jedem Termin zu uns ins Ladengeschäft kommen.“ Moderne Hörgeräte verfügen inzwischen über vollwertige Bluetooth-Verbindungen. In Kombination mit den Smartphones, einer App und seinem mit Kamera ausgestatteten Computer im Laden, kann Huth mit dem Kunden, vor allem aber dessen Hörgerät kommunizieren. „Wir können so die gleichen Feineinstellungen am Hörgerät durchführen wie bei uns im Ladengeschäft. Der Kunde benötigt lediglich einen stabilen Internetanschluss.“

Für ihn und seine Kunden sei das eine enorme Erleichterung. Diese Technik hilft Simon Huth nicht nur jetzt in der Krise, sondern habe auch ein großes Zukunftspotenzial: „Ich glaube, dass sich langfristig 30 Prozent meiner Kunden über diese Art das Hörgerät einstellen lassen.“

Wie viel andere Gewerbetreibenden hat auch der Akustiker-Meister in diesen Tagen dazugelernt. Vielen ist bewusst geworden, dass sie nur eine echte Chance im Wettbewerb haben, wenn sie in der digitalen Welt auch sichtbar sind. Nicht zuletzt investiert Simon Huth Geld bei Google, um bei Suchanfragen weit oben in der Liste der Akustiker zu erscheinen. Aber alleine das könnte immer noch zu wenig sein. Zwar hat der Gesundheitshandwerker auch einen Facebook-Account, aber im Do-it-your-self-Modus kommt man hier nicht weit. „Deshalb haben wir unsere Social-Media-Aktivitäten an eine Marketing-Agentur ausgelagert“, sagt Huth und kann sich noch mehr vorstellen. Allerdings gilt jetzt erst einmal die Maxime: Möglichst ungeschoren durch die Pandemie kommen, dann wieder investieren.