Eva-Maria Jörg leitet das Referat für Wirtschaft und Marketing in Filderstadt. Foto: Holowiecki

Der Handel in Filderstadt krankt. Corona wirkt hier wie ein Brandbeschleuniger, sagt die Leiterin des Referats für Wirtschaft und Marketing. Das habe auch mit jedem Einzelnen zu tun.

Filderstadt - Das Schreibwarengeschäft Villa in Bernhausen hat zugemacht, die Parfümerie Godel in Plattenhardt wird demnächst folgen, das Mode-Studio, ebenfalls in Plattenhardt, wird Ende Juni seine Türen schließen. Der Handel in Filderstadt krankt schon eine Weile. Läden stehen leer. Der örtliche Gewerbeverband DGHI hat zuletzt Alarm geschlagen und die Stadt in die Pflicht genommen. In den Vorberatungen zum neuen Doppelhaushalt haben mehrere Gemeinderatsfraktionen Maßnahmen baulicher oder konzeptioneller Art gefordert, um den Handel rasch anzukurbeln.

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Eva-Maria Jörg weiß um die Misere. Als Leiterin des Referats für Wirtschaft und Marketing ist die Wirtschaftsförderung ihre Aufgabe. Sie sagt: Während viele große Firmen und Handwerksbetriebe florieren, hakt es beim Handel. Schon vor der Pandemie habe man mit einem Kaufkraftverlust zu kämpfen gehabt, „da ist Corona wie ein Brandbeschleuniger gewesen“. Für sie der Grund: das Einkaufsverhalten, weg vom Fachgeschäft, hin zum Internet und Discounter. „Es liegt an jedem Einzelnen, vor Ort einzukaufen.“ Tatsächlich sind das Entwicklungen, die nicht nur Filderstadt treffen, sondern auch die Fußgängerzonen in Großstädten.

Eva-Maria Jörg will die kleinen Ortszentren nicht verloren geben

Die kleinen Ortszentren, die „Wohnzimmer“, will Eva-Maria Jörg dennoch nicht verloren geben. „Es braucht mehrere Maßnahmen und eine Planung, wie sich die Stadtteile in Szene setzen können“, sagt sie. Alternative Nutzungen von Leerständen – durch Kultur, Bildung oder Pflege – müssten in den Fokus rücken, auch Belebungen durch Veranstaltungen oder kreative Projekte, etwa Spielangebote. Multifunktionale Innenstadt, so lautet ihr Stichwort. „Wir müssen Angebote schaffen, die über das Einkaufen hinausgehen“, sagt sie. Schrauben, an denen man in Filderstadt drehen könnte, gibt es aus Eva-Maria Jörgs Sicht. So könne man das Thema Tagestourismus forcieren, auch das Thema Regionalität, „wir haben hier so viele landwirtschaftliche Betriebe“.

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Welche Maßnahme sich wo anbieten würde, das soll nun ein neues City-Konzept ergeben. Es soll als roter Faden dienen, nach dem man den Handel strategisch neu aufstellen und stabilisieren möchte. Geld für die Erstellung eines solchen Maßnahmenplans wurde im neuen Haushalt einstellt. Eine externe Agentur werde ins Boot geholt, auch die Absprache mit dem DGHI sei eng. Die Ausarbeitung des Konzepts werde anderthalb Jahre in Anspruch nehmen. Nicht alles soll aber so lang dauern. So sei für diesen Sommer eine Veranstaltungsreihe, die sich durch die Stadtteile ziehen soll, zum Thema Fahrrad geplant. Auch Förderanträge sollen gestellt werden, etwa zum „Sofortprogramm Einzelhandel/Innenstadt“ vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus.

Die Beratung stößt auch an ihre Grenzen

Was kann die Wirtschaftsförderung noch tun? Sie kann beraten, sie kann zwischen Eigentümern und Mietern vermitteln. Mehrfach habe es in diesem Jahr solche Gespräche gegeben, teils erfolgreich, teils nicht. „Wir stoßen in Beratungen auch an Grenzen“, sagt Eva-Maria Jörg, etwa, wenn Eigentümer hohe Mieten nicht senken wollten. Freilich seien aber auch die Händler selbst und damit auch der DGHI gefordert – mit eigenen kreativen Ideen, mit Internetpräsenz, mit der Flexibilität, auch mal Kundenanfragen per Whatsapp zu bedienen. „Die Händler müssen um die Kundenfrequenz ringen, wir müssen das Umrandende mitbringen“, sagt Eva-Maria Jörg.

Es gibt viel zu tun, aber auch einige Hemmnisse. Eines ist, dass Eva-Maria Jörg als personifizierte Wirtschaftsförderung nur eine 50-Prozent-Stelle hat. „Ich würde gern mehr Zeit haben zum Türklinkenputzen“, sagt sie. Was auch zur Wahrheit gehört: „Wir sind hier in einem freiwilligen Aufgabenbereich.“ Filderstadt hat fünf Stadtteile. Wo viele Kommunen einmal investieren, muss Filderstadt fünfmal in die Kasse greifen und deutlich mehr Pflichtaufgaben erfüllen. Der DGHI hat im Gespräch mit unserer Zeitung zuletzt gefordert, alle Ortszentren müssten im Rahmen ihrer Möglichkeiten zügig ausgebaut werden. Eva-Maria Jörg muss indes manche Erwartung etwas bremsen. „Es liegt auch viel am Thema Realisierbarkeit“, sagt sie. Es gelte, Prioritäten zu setzen.

Zur Person

Eva-Maria Jörg
ist seit Mitte September 2021 die Leiterin des Filderstädter Referats für Wirtschaft und Marketing. Die 38-Jährige hat BWL, Fachrichtung Tourismus, studiert und arbeitet bereits seit zehn Jahren im Bereich der Wirtschaftsförderung. Vor ihrem Job in Filderstadt war sie bei der Stadt Sindelfingen und einer Kommunalberatung tätig gewesen. Eva-Maria Jörg stammt gebürtig aus dem Münsterland, lebt aber seit 2016 in Bernhausen. Sie ist verheiratet und hat zwei kleine Kinder.