Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Kultusminister Susanne Eisenmann (rechts) finden den Kompromiss erfreulich. Foto: dpa

Bund und Länder haben sich auf Änderungen des Grundgesetzes verständigt und damit den Weg für den Digitalpakt freigemacht. So können sich auch die Schulen in Baden-Württemberg auf einen Geldsegen freuen. Ob es noch in diesem Schuljahr fließt, ist ungewiss.

Berlin - Nach der Einigung im Verfassungsstreit um den Digitalpakt und die Bildungsinvestitionen können in den nächsten fünf Jahren 650 Millionen Euro zusätzlich in die digitale Infrastruktur der fast 4600 öffentlichen und privaten Schulen im Land gesteckt werden. Damit dürfen Wlan-Anschlüsse, Computerausrüstung, Lernsoftware, Laptops sowie Systemadministratoren und Qualifizierungsmaßnahmen für Lehrer finanziert werden. Zusätzlich stellt das Land laut dem Stuttgarter Kultusministerium 2019 weitere 150 Millionen Euro als Anschubfinanzierung für die Digitalisierung der Schulen bereit.

Sowohl Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) als auch Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) zeigten sich gegenüber unserer Zeitung zufrieden mit dem am Mittwoch vereinbarten Verfassungsentwurf. „Dass Bund und Länder nach Jahren der Ankündigung durch den Bund endlich einen Kompromiss gefunden haben, ist erfreulich“, sagte Eisenmann. Sie kündigte an, dass die Länder zügig mit dem Bund über die weiteren Schritte verhandeln werden.

Summen für einzelne Schulen noch unklar

Dass die ersten Gelder noch in diesem Schuljahr, also vor Beginn der Sommerferien fließen können, ist dem Vernehmen nach aber nicht sicher. Wenn nach dem Bundestag, der die Verfassungsänderung an diesem Donnerstag verabschieden will, Mitte März auch der Bundesrat bei seiner nächsten Sitzung zugestimmt hat, werden Bund und Länder die Umsetzungsmodalitäten aushandeln. „Wer ist antragsberechtigt? Und wie läuft die Auszahlung? Das sind Fragen, die der Bund zunächst mit den Ländern klären muss“, betonte Eisenmann. „Erst dann können wir mit den Kommunen im Land verhandeln.“

Wie viel Geld die einzelnen Schulen im Land erwarten können, ist damit noch lange nicht geklärt. Wohl aber lässt sich errechnen, was im Durchschnitt auf jede Schule im Südwesten entfällt. Von den 650 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt kann jede der 4562 Schulen im Südwesten während der gesamten Laufzeit des Digitalpakts im Schnitt knapp 143 000 Euro erwarten. Das entspricht einer durchschnittlichen jährlichen Fördersumme von gut 28 500 Euro. Bei 1,5 Millionen Schülern im Land macht das pro Kopf und Jahr 86,73 Euro aus.

„Weitreichende Kontrollrechte des Bundes abgewehrt“

„Es ist ein Erfolg für die Länder, dass wir uns beim Digitalpakt gegen weitreichende Kontrollrechte des Bundes in Bildungsfragen gewehrt und einstimmig den Vermittlungsausschuss angerufen haben“, sagte Kultusministerin Eisenmann unserer Zeitung. „Die Summen, die letztlich auf die einzelnen Schulen entfallen, hätten so weitreichende Befugnisse auch bei weitem nicht gerechtfertigt.“

Vor allem die baden-württembergische Landesregierung mit Ministerpräsident Kretschmann an der Spitze hatte von Anfang an Widerstand gegen die zunächst weitreichenden Pläne zur Aufweichung des Bildungshoheit der Länder geleistet. Mit dem jetzt ausgehandelten Verfassungskompromiss, der die Finanzspritzen aus Berlin stark auf die kommunale Infrastuktur beschränkt, auf Kofinanzierungsauflagen und weitreichende Kontrollrechte des Bundes verzichtet, kann aber auch Baden-Württemberg leben. Kretschmann sagte nach dem Durchbruch, dass es „mir noch nie so schwer gefallen ist, einem Kompromiss zuzustimmen“. Allerdings sei es im Vermittlungsverfahren gelungen, „den letzten Hort der Eigenständigkeit der Länder zu bewahren“. Die Bildungshoheit sei gewährleistet.

GEW weist auf riesigen Sanierungsstau hin

Für die CDU-Fraktion im Bundestag erklärte der Vizevorsitzende Andreas Jung, der die Arbeitsgruppe zum Vermittlungsverfahren zusammen mit der Mainzer Finanzministerin Doris Ahnen (SPD) geleitet hat, dass „an der Architektur des Grundgesetzes nicht gerüttelt wird und Bildungspolitik Länderkompetenz bleibt“. Der Bund „ist nicht der bessere Schulmeister und will es auch nicht werden“, betonte Jung. „Die Schultür ist aber auch nicht mehr Stoppschild für Bundes-Förderung von Investitionen.“

Der Vermittlungsvorschlag zur Verfassungsreform wird von allen 16 Ländern und allen Bundestagsfraktionen außer der AfD getragen. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fordert bereits weitere Bundesmittel für Bildung. „Wir brauchen auch mehr Geld für Schulbauten“, sagte die Vorsitzende Marlis Tepe. „Der Sanierungsstau ist riesig.“ In fast allen Städten seien wegen der wachsenden Schülerzahlen zusätzliche Schulen nötig.

Zwei weitere Milliarden-Vorhaben

Nach der Einigung im Vermittlungsausschuss sind neben dem Digitalpakt auch die Voraussetzungen geschaffen, dass zwei weitere Milliarden-Vorhaben der großen Koalition umgesetzt werden: Erstens hat Schwarz-Rot vereinbart, den sozialen Wohnungsbau in dieser Wahlperiode mit zwei Milliarden Euro zu fördern. Dazu muss der Verfassungsartikel 104 b geändert werden. Zweitens will der Bund die Mittel für den öffentlichen Nahverkehr über die Gemeindeverkehrsfinanzierung in den nächsten vier Jahren von 330 Millionen auf eine Milliarde Euro jährlich verdreifachen. Das erfordert eine Änderung der Artikel 104 a und 125c. Beides ist zwischen Bund und Ländern nicht umstritten, drohte aber im Streit um die Bildungsfinanzierung unter die Räder zu kommen.