Jörk Schwarz ist stolz auf all die Erfolge von Bibi. Foto: Werner Kuhnle

Bibi ist sieben Jahre alt und wohnt in Murr (Kreis Ludwigsburg). Die Sheltie-Hündin ist im Agility sehr erfolgreich – jüngst ist sie Weltmeisterin geworden.

Wer einen Hund hat, kennt das: Nicht der Mensch begrüßt die Besucher, nein. Das macht immer der Hund. So steht Bibi oben an der Treppe und blickt erwartungsvoll herab. Die Sheltie-Hündin ist absolut präsent, Körperspannung bis in die Schwanzspitze. „Das ist die Weltmeisterin“, erklingt eine Stimme von drinnen. Die Weltmeisterin, ja, das ist Bibi – eine kleine, schwarze Hündin mit weichem Fell und weiß-braunem Muster um die Schnauze. Einen Schönheitswettbewerb könnte sie locker gewinnen. Aber das ist nicht so ihr Ding; sie trainiert lieber hart für ihre Erfolge und zwar mit Hindernissen, Wippen, Tunneln und einer ordentlichen Portion Geschwindigkeit. Genau das hat sie vor kurzem zum Weltmeistertitel gebracht – im Agility.

Wenn Bibi alle begrüßt und das Rudel wieder im Griff hat, springt sie auf einen Stuhl, rollt sich zusammen und schließt die Augen. Dort, neben ihrem Herrchen, ist ihr Platz. Ausgeglichen sei sie, intelligent, aber auch eine Prinzessin, sagt Jörk Schwarz und linst auf den Stuhl neben ihm. Bibi ist sein zweiter Hund, als erstes war da Shannon, die mit 14 Jahren nun im verdienten Ruhestand bei ihm zuhause ist. Bibi darf dagegen mit zur Arbeit, genau wie Coco und Fluffy, zwei Border Collies der Familie. Jeden Tag läuft Jörk Schwarz mit den drei Hunden zehn Kilometer von Murr über Marbach nach Steinheim. Nach Hause kürzt er manchmal auf drei Kilometer ab. Der 62-Jährige ist ein sportlicher Mann – könnte aus dem Stand 30 Liegestütze machen, sagt er. Was ihm gar nicht passt: Früher hätte er mehr geschafft. Jörk Schwarz ist ein Macher, einer, der seine eigene Firma aufgebaut hat; einer, der von Anfang an mit seinem Hund den Weltmeistertitel angestrebt hat. Deshalb fällt es ihm so schwer mit anzusehen, dass Bibi langsam abbaut. Auch wenn sie noch deutlich fitter ist als manch jüngerer Mensch.

Die Konkurrenz wird jünger – und damit stärker

Für Jörk Schwarz sind es die letzten Tage in seiner Firma, die Onlineshops verwaltet. Er wird das Geschäft an seine Frau und deren Sohn abgeben. „Dieser Ehrgeiz, der Biss ist nicht mehr da“, sagt er. Das Gleiche beim Agility: Er liebt es, mit seinen Hunden durch den Parcours zu rennen, sie zu trainieren, sie zu belohnen. „Natürlich will ich noch mal angreifen“, sagt er. Aber er müsse realistisch sein und einfach mal schauen, wie weit er künftig noch kommt. „Mit meiner 20-jährigen Konkurrenz kann ich nicht mehr mithalten“, sagt er. Schließlich kommt es beim Agility auf Millisekunden an – die Hunde rasen zum Teil mit sechs Metern pro Sekunde durch den Parcours. Als Bibi den Weltmeistertitel holte, saß Jörk Schwarz auf der Tribüne. Er selbst ist also gar kein Weltmeister.

Das hat folgenden Grund: Um an einer Agility-Weltmeisterschaft teilzunehmen, müssen „die Teams“, wie Jörk Schwarz so schön sagt, also Hund und Mensch vorher Punkte sammeln und sich qualifizieren. Bis dahin hat Schwarz selbst mit Bibi, übrigens seinem ersten „Agi-Hund“, auf jeder Strecke geglänzt. Dann wurde er krank: Nierenkrebs. Und gleichzeitig Corona. Da Agility nicht nur Sport für den Hund, sondern auch für’s Herrchen ist, musste er bald einsehen, dass er es nicht zur WM schafft. Stefanie Simson, die Jörk Schwarz und Bibi trainiert, ist für ihn eingesprungen. „Ich musste da sitzen und zugucken, wie jemand anderes mit meinem Hund läuft – ich bin innerlich gestorben“, sagt Schwarz.

Vor Wettkämpfen schläft Bibi fast ein

Trotzdem freut er sich wie Bolle über den Weltmeistertitel. Stefanie Simson habe es souverän gemacht, obwohl sie nur siebenmal mit Bibi trainiert hatte. Und Bibi sei einfach ein Ausnahmetalent. „ Sie macht Agility für sich. Das heißt, sie würde mit jedem mitgehen, weil es ihr nicht auf den Menschen ankommt“, sagt Schwarz. Oft werde er vor Turnieren belächelt, weil die Hündin auf seinem Arm fast einschläft. Andere Hunde seien zu dem Zeitpunkt aufgedreht und unruhig. „Bibi ist von einer Sekunde auf die andere voll da – und kann danach ganz schnell wieder ruhig sein“, sagt Schwarz stolz.

Vor zwölf Jahren wusste Jörk Schwarz noch nicht, was Agility ist. „Mittlerweile ist es mein Leben geworden, es ist einfach toll“, sagt er. Sich und seine Gleichgesinnten nennt er „Agianer“. Hundebesitzer sind bei ihm „Hundler" – es kann eine Weile dauern, bis man alle Worte von ihm versteht – zumal er gerne und schnell erzählt. Er selbst bestreitet sein Agility-Training im Kreis Karlsruhe bei Stefanie Simson. Als Trainer ist er selbst wiederum beim Hundesportverein Kornwestheim tätig. Dort vermittelt er den Teilnehmern auch eine enge Bindung zu ihrem Hund. „Ich sage immer, nur erzogene Hunde sind freie Hunde“, erzählt Schwarz. Mit seinen Hunden trainiert er ständig – ohne Leistung bekommen sie kein Mittagessen. Er sieht aber auch, dass das bei den meisten Hundebesitzern anders läuft – und würde am liebsten alle belehren. „Meine Frau sagt dann: Du kannst nicht alle Hunde retten“, sagt er und lacht.

Was ist Agility?

Parcours
Beim Agility wird ein Hund von einem Menschen per Körpersprache und Befehl durch einen Parcours geführt, der bis zu 22 Hindernisse hat. Der Mensch hat vorab kurz Zeit, sich den Parcours, die Laufwege des Hundes und die eigenen Laufwege einzuprägen. Für den Hund ist der Parcours jedes Mal unbekannt. Gewertet wird, wer die wenigsten Fehler und die schnellste Zeit hat.

Teilnahme
Grundsätzlich kann jeder Hund, der ausgewachsen ist, Agility machen. In der Klasse „small“ treten allerdings am häufigsten Shelties an, bei den großen Hunden sind es Border Collies. Für Turniere muss vorher die Begleithundeprüfung bestanden sein. Die Sieger bei Turnieren und Meisterschaften erhalten in der Regel kein Preisgeld.