Der französische Präsidenten Macorn will ein Europa, das in Zukunft noch geeinter auftritt. Doch nicht alle Länder wollen ihm dabei folgen.
Stuttgart - Mit Detailfragen hält sich Emmanuel Macron nicht auf. Der Französische Präsident hat in seiner Rede den ganz großen Rahmen für ein Europa der Zukunft gezogen. Er ist bereits der dritte maßgebliche Politiker, der in diesen Tagen seine grundsätzlichen Vorstellungen einer neuen EU skizziert. Den Anfang machte Kommissionschef Jean-Claude Juncker, der versuchte, in seiner Rede zur Lage der EU der verunsicherten Union Mut zu machen. Dann folgte die britische Premierministerin Theresa May, die in Florenz ihre Ideen von einem Europa nach dem Brexit formulierte. In dieser Reihe der maßgeblichen Akteure fehlt nur noch Angela Merkel. Ihre Visionen für ein Europa hat die mächtigste Politikerin des Kontinents bisher noch nicht geäußert. Die Forderungen Macrons hören sich zwar gut an, stoßen aber in manchen Ländern auf heftige Widerstände.
Ein neuer Élysée-Vertrag
Emmanuel Macron drängt Merkel förmlich dazu endlich ihre Ideen zu formulieren und hat einen Termin dafür indirekt vorgeschlagen. In vier Monaten will der französische Präsident zum 55. Jubiläum einen erneuerten Élysée-Freundschaftsvertrag mit Berlin vereinbaren. Dieser Vertrag war 1963 von Bundeskanzler Konrad Adenauer und Frankreichs Staatspräsidenten Charles de Gaulle geschlossen worden und ist der Grundpfeiler der deutsch-französischen Freundschaft. Die symbolische Erneuerung einer alten, schon etwas eingerosteten Beziehung scheint die weitaus einfachste Aufgabe zu sein, die Macron meistern möchte. Bei den meisten anderen Punkten dürfte der Staatschef auf große Widerstände stoßen.
Ein Haushalt für die Eurozone
Vor allem in Deutschland stößt Macron damit auf allergrößte Widerstände. Dass Deutschland in einen Eurohaushalt einzahle, mit dem dann der „Staatskonsum“ in Frankreich finanziert oder die „Verfehlungen von Herrn Berlusconi“ in Italien kompensiert würden, sei „unvorstellbar“, sagt FDP-Chef Christian Lindner. Das wäre für seine Partei „eine rote Linie“. Und auch CSU-Chef Horst Seehofer meldete sich zu Wort. „Beim Euro gilt der Grundsatz strikte Stabilität, also auch die Stabilitätskriterien“, sagt Seehofer. Die implizite Botschaft: Den Einstieg in eine Transferunion, in der die reichen Länder für die Schulden der ärmeren geradestehen, gibt es nicht.
Europaweit einheitliche Steuern
„Wir brauchen ein gestärktes Budget im Herzen von Europa, im Herzen der Eurozone“, sagte Macron. Er regte an, diesen Haushalt mit einer Steuer zu finanzieren - etwa mit der Unternehmensteuer, die dazu jedoch EU-weit angeglichen werden müsste. Insbesondere Länder wie Luxemburg, Irland oder Malta dürften davon wenig begeistert sein. Sie setzen Niedrigsteuern gezielt ein, um Großkonzerne anzulocken.
Harmonisierung der Märkte
Macron bringt komplett integrierte Märkte bis 2024 ins Spiel, mit gemeinsamen Regeln für Unternehmen. Die Harmonisierung der Märkte Deutschlands und Frankreichs wiederum könnte insbesondere Osteuropäer aufschrecken. Sie sind strikt gegen ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten. Ihre Befürchtung ist, dass sie von der wirtschaftlichen Entwicklung im Westen Europas abgehängt werden.
Eine europäische Armee
Für ein „souveränes Europa“ braucht es nach Ansicht von Macron eine gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Er strebt ein europäisches Verteidigungsbudget an und eine gemeinsame Interventionstruppe. Viele Länder stehen diesem Ansinnen sehr positiv gegenüber. Die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat die Pläne begrüßt. Allerdings müsse über die Details noch geredet werden. Bislang scheiterten Pläne für eine engere Zusammenarbeit im Bereich der Verteidigung vor allem am Veto des Noch-EU-Mitglieds Großbritannien.
Problembereich Flüchtlingspolitik
Macron und Merkel waren beide Ende August bei einem Migrations-Gipfel in Paris, wo auch afrikanische Staaten am Tisch saßen. Die Europäer zeigten sich dabei offen, manchen Schutzbedürftigen aus Afrika einen legalen Weg nach Europa zu ermöglichen. Allerdings koppelten sie dies daran, illegale Migrationsströme über das Mittelmeer zu stoppen. Macrons Linie lässt sich so zusammenfassen: Besserer Schutz der EU-Grenzen, würdige Aufnahme von Asylbewerbern und schnelle Abschiebung von Menschen ohne Asylanspruch.
Europadebatte in Deutschland
In Deutschland werden die Debatten über Europa nach dem guten Abschneiden der europakritischen AfD sicher erheblich ruppiger. Macron ist aber der Überzeugung, dass es besser ist, Europa offen zu verteidigen. Bei der Präsidentenwahl im Frühjahr ist er gegenüber der rechtsextremen Front National (FN) ohne Wenn und Aber als Europabefürworter angetreten. Das sei eine Antwort gewesen, die die Menschen erwartet hätten, heißt es aus seinem Umfeld. Die Linie habe ihm Recht gegeben: Er setzte sich mit sehr deutlichem Vorsprung gegen die europafeindliche Rechtspopulistin Marine Le Pen durch, die in der Stichwahl aber immerhin über zehn Millionen Stimmen einfuhr. Das Land ist immer noch gespalten - und der mit gesunkenen Umfragewerten konfrontierte Macron muss liefern und zeigen, dass sich sein europafreundlicher Kurs tatsächlich auszahlt.