Mehrfach verpackte Früchte in einem Pekinger Supermarkt Foto: Küper

Die Stuttgarter Oberärztin Regina Küper über den Einkauf via App in China, Berge von Verpackungsmüll und den harten Job von Pekings Ausfahrern.

Stuttgart/Peking - Für ein bis zwei Jahre ist die Stuttgarter Oberärztin Regina Küper mit ihren beiden Töchtern nach Peking gezogen, wo ihr Mann als Diplomat arbeitet. Wir halten Kontakt.

Frau Küper, unser heutiges Gesprächsthema haben Sie sich ausgesucht. Sie wollen über Einkaufen und Verpackungen reden. Also gut, dann packen Sie mal aus.

Gerne. Ich wurde nämlich oft gefragt, wie das hier mit dem Einkaufen läuft. Es ist so: Alle unter 60 Jahren bestellen wie ich wahnsinnig viel via Smartphone. Das geht über die Apps ganz einfach, und man bekommt alles – von Blumen über Medikamente bis hin zur gebratenen Ente vom Imbiss. Man benötigt dafür nicht einmal chinesische Sprachkenntnisse. Brauche ich neue Sojamilch, fotografiere ich mit meinem Handy die alte Verpackung – und schon wandert das Produkt in den Warenkorb. Meituan liefert innerhalb einer Stunde. Ich schätze, wir bestellen hier mindestens vier Mal so viel wie daheim.

Fällt dabei viel Müll an?

Bei Meituan nicht, die Fahrer kaufen in den normalen Supermärkten und liefern in ein bis zwei Tüten. Dinge, die man aber beispielsweise bei Taobao, dem chinesischen Amazon, bestellt, sind immer so verpackt, als könnte man sie auch vom Flugzeug abwerfen. Um ein Glas Nutella sind dick Folie und Tesafilm gewickelt, der äußere Karton noch mal extra umklebt. Und jedes Produkt kommt einzeln. Gerät dann die Auslieferung ins Stocken, wird einem der dadurch produzierte Müllberg erst so richtig vor Augen geführt.

Inwiefern?

Unsere Tochter hatte Geburtstag, also haben wir Deko für den Geburtstagstisch bestellt. Dummerweise fiel der Kauf in die chinesische Neujahrswoche, die einzige Zeit im Jahr, in der viele Chinesen gleichzeitig frei haben. Einschließlich der Fahrer. Da ist eine riesige Bugwelle entstanden – und die Wachleute hatten am Ende kaum noch Platz in ihrem kleinen Häuschen, weil alles auf einmal nach der Ferienwoche geliefert wurde. Aber ich gönne den Fahrern die Ferien natürlich.

Wer bringt Ihnen denn die Sachen?

Im ganzen Stadtgebiet sieht man die gelb gekleideten Mopedfahrer von Meituan oder die Lieferanten der Express Services mit ihren kleinen Elektroautos, übrigens fast nur Männer. Die holen die Ware auf Umschlagplätzen ab, wo Tausende Pakete rumliegen, um dann die letzte Meile zurückzulegen. Die Bezahlung ist mies. Und stressig ist es obendrein. Um die Lieferzeiten einzuhalten, fahren Lieferanten auch gerne mal entgegen der Fahrtrichtung. Oder nachts ohne Licht, damit der Akku länger hält.

Zwischenfrage eines schwäbischen Kehrwöchners: Gibt es Mülltrennung?

Absolut. Bei schlampiger Mülltrennung wird man seitens der Behörden angemahnt. Außerdem stehen selbst in menschenleeren Gegenden alle paar hundert Meter Mülleimer – mit Trennung für Wegwerf- und Recyclingmüll.

Wie sieht es mit Märkten für frische Lebensmittel aus?

Da ist die Diskrepanz groß. Es gibt Gegenden, in denen offen und unverpackt Lebensmittel verkauft werden. Da schaut einen schon mal ein trauriger Hühnerkopf mit Hals an. In den Supermärkten sind die Dinge dagegen meist mehrlagig verpackt. Früchte liegen in einer Plastikschale, jede Frucht ist zusätzlich einzeln in Folie verpackt und alles zusammen noch mal eingeschweißt. Wenn man vor der Gemüse- und Früchtetheke steht, glänzt einen das viele Plastik an wie das Meer bei der Augsburger Puppenkiste.

Bei uns wird Einkaufen gern als Shoppingerlebnis verkauft.

Ja. Es gibt in Peking riesige Einkaufszentren, in denen man gut betuchte Chinesen antrifft. Aber die Malls sind erstaunlich leer. Mir wurde gesagt, dass dort früher mehr los war. Bleibt abzuwarten, ob das der Pandemie geschuldet ist oder ob der Internethandel auch hier eine Bedrohung für die Vor-Ort-Händler ist. Ich denke, in Kürze wissen wir mehr. Jetzt muss ich leider Schluss machen. Da kommt gerade ein Paket für mich ...