Vom Limesblick Pfedelbach kann man über die Hohenloher Ebene schauen Foto: TG Hohenlohe

Sie haben ihren eigenen Dialekt, unglaublich viele Schlösser, jede Menge Fürsten: Hohenlohe ist ein Landstrich, der durch Grenzen aller Art geprägt und gestaltet wurde. Eine Spurensuche.

Öhringen - Wo beginnt Hohenlohe? Wo sind die Grenzen dieser lieblichen, hügeligen Landschaft im nördlichen Württemberg? Einfach lassen sich diese Fragen nicht beantworten. Anders als Schwarzwald oder Schwäbischer Wald ist Hohenlohe kein klar abgegrenztes Gebiet. Auch sprachlich und kulturell lässt es sich nicht so einfach in einen festen Rahmen pressen. Noch am leichtesten sind Verwaltungszuständigkeiten definiert, wie etwa für den Hohenlohekreis. Zu ihm gehört aber nur ein Teil hohenlohischer Gemeinden wie Öhringen, Forchtenberg und Künzelsau. Ganz grob könnte man vielleicht sagen, Hohenlohe liegt im Dreieck zwischen Heilbronn, Bad Mergentheim und Crailsheim. „Dem Gesamtphänomen Hohenlohe wird man mit solchen Festlegungen aber nicht gerecht“, stellt Historiker und Kreisarchivar Thomas Kreutzer klar. Hinter dem Begriff stehe viel mehr als nur eine Landschaft oder Region.

Wo Hohenlohe anfängt und aufhört, kümmerte die Römer nicht. Sie bauten im ersten Jahrhundert den Limes einfach schnurgerade in die Landschaft. Vom einstigen Grenzwall selbst finden sich kaum noch Überreste, aufmerksame Beobachter erkennen die einstige Linie aber an Vertiefungen und Geländesprüngen. Einen Überblick bekommt, wer auf einen der drei neuen Aussichtspunkte steigt, die in Zweiflingen, Öhringen und Pfedelbach gebaut wurden. Die offenen Stahlkonstruktionen mit Aussichtsplattform, Limesblicke genannt, haben mit einem römischen Wachtturm nichts gemein. Aber eine „moderne Formensprache“ zu entwickeln war beabsichtigt, sagt Limes-Cicerona Doris Köhler am Limesblick Pfedelbach, der mitten im Wald liegt. Von der Plattform aus schaut man weit über die Hohenloher Ebene.

Auch die üblichen Darstellungen des Limes mit Palisadenzaun und Graben seien für Forscher überholt. „Vermutlich war beides nie gleichzeitig funktionsfähig, denn nach 186 n. Chr. gibt es keinen Nachweis mehr für Holz am Limes“, berichtet Köhler, die in der Entstehung des Grenzwalls durchaus Parallelen zur Gegenwart sieht. Ähnlich wie heute prallten damals zwei Kulturräume aufeinander, das hoch entwickelte Römische Reich und die eher rückständigen Germanen. Doris Köhler zeigt eine Illustration: Europa und Nordafrika sind einheitlich mit einer Farbe schraffiert. „Was, glauben Sie, ist hier eingezeichnet?“, fragt Doris Köhler in die Runde. „Es zeigt den Raum, in dem das Schengener Abkommen gilt. Er hat eine ähnliche Größe wie das Römische Reich.“ Dahinter lägen, wie damals, weniger wohlhabende Länder.

Sechs Fürstenhäuser sind bis heute erhalten

Rund 100 Jahre bestand der Limes, der gerade mal zwei Reiche teilte, Rom und Germanien. Viel kleinteiliger wurde es erst Jahrhunderte später, als Deutschland von einer Vielzahl an Fürstentümern, Grafschaften und Reichsstädten überzogen war. Besonders ausgeprägt war die Kleinstaaterei im Südwesten. Jeder Landesherr setzte sich mit einem prächtigen Gebäude ein Denkmal. Baden-Württemberg gehört deshalb zu den Bundesländern mit einem großen Erbe an Schlössern und Burgen, was sich besonders in Hohenlohe zeigt, wo praktisch „in jedem Neschd a Schlouss“ ist. Bis heute sind sechs Fürstenhäuser erhalten, die Hohenlohe im Namen führen – eine Adelsdichte, die hinsichtlich der Frage, was eigentlich Hohenlohe ist, auf die richtige Fährte lenkt. „Bei Hohenlohe handelt es sich vor allem um einen dynastischen Begriff, der im Lauf der Jahrhunderte auf das Land übertragen wurde“, so Historiker Kreutzer.

Die Fürsten zu Hohenlohe residieren immer noch auf ihren feudalen Adelssitzen, wie etwa der Chef zu Hohenlohe-Langenburg oder sein Kollege zu Hohenlohe-Öhringen, der in Neuenstein sitzt. Der Erhalt der alten Gemäuer führte so manchen an seine finanziellen Grenzen, weshalb die meisten sich längst von einem Teil ihrer Herrenhäuser trennten. So ist der Stammsitz, Schloss Weikersheim, seit 1967 im Besitz der Staatlichen Schlösser und Gärten, das Jagdschloss Friedrichsruhe, ein luxuriöses Hotel, gehört seit 2005 Schraubenkönig Reinhold Würth.

Einst waren die Fürsten als Alleinherrscher niemandem Rechenschaft schuldig, auch nicht, wenn sie die moralischen Grenzen ihrer Zeit überschritten, wie etwa Graf Wolfgang von Hohenlohe, Bauherr von Schloss Weikersheim. Er soll die Kammerzofe seiner Frau geschwängert haben. Flugs verheiratete er das Fräulein daraufhin mit seinem Kammerherrn. Eine öffentliche Maßregelung in der Kirche, wie sie damals nach solchen Fehltritten üblich war, blieb diesem Paar dank adeligem Schutz erspart. Der Graf wurde sogar Pate des kleinen Johann Wolfgang und verhalf ihm zu einer ordentlichen Ausbildung. „Es könnte ein Vorfahr von Goethe gewesen sein, denn seine Familie stammte ursprünglich aus Hohenlohe“, erzählt Hofdame Anja, die in herrschaftlichem Gewand durchs Schloss führt.

Sprachlich und historisch gehört Hohenlohe zu Franken

Doch sind die Hohenloher nun Schwaben oder Franken? Sprachlich sind sie wohl eher Grenzgänger, die aus jedem Dialekt etwas für sich übernommen haben, aber auch ihre Eigenheiten pflegen. Wo im Schwäbischen ein „le“ angehängt wird, ist es im Hohenlohischen ein „lich“. Das „Mädle“ ist also ein „Madlich“, „Spätzle“ sind „Spätzlich“, der Tag der „Dooch“. Die fünf Sänger der Mundartband Annäweech würden sicher einen eigenen Status als Hohenloher für sich reklamieren. Die haben schließlich nicht nur sprachlich, sondern auch charakterlich so ihre Besonderheiten, welche sie in ihren Liedern humorvoll aufs Korn nehmen. So ist des Hohenloher liebster Tag der „Samsdooch“, denn das sei der „Ouhengerlesdooch“ (Anhängerlestag). Die fünf Mundartsänger feiern dieses Jahr ihren 20. Geburtstag und touren durch ihre Heimat. Jeder, der ein Konzert besucht, bekommt eine CD mit 20 „Lieäder“ geschenkt.

Nicht nur sprachlich, auch historisch betrachtet gehört Hohenlohe nicht zu Schwaben, sondern zu Franken, bestätigt Experte Kreutzer. Jahrhundertelang verlief die Grenze zwischen Alemannien und Franken von Baden-Baden über Calw, Ludwigsburg bis nach Ellwangen. Auch nach deren Auflösung blieb sie in den Köpfen verankert. So zählten sich die Hohenloher Landesherren und Ritter meist zum fränkischen Reichskreis.

Dass Franken heute zu Bayern gehört, ist eine Grenzziehung, die der Franke noch immer für einen schwerwiegenden Irrtum hält und eigentlich nicht akzeptieren mag. „Achtung, Sie betreten den bayerisch besetzten Sektor Deutschlands“, warnt daher das Schild neben dem Gasthaus Holdermühle im Taubertal. Mitten durch das Gasthaus verläuft nämlich die baden-württemberg-bayerische Grenze, was in der Gaststube an einem Holzbalken mit den jeweiligen Wappen veranschaulicht wird. Früher stand hier der Kuhstall, erzählt Wirt Fritz Körner und fügt trocken hinzu. „Da haben die Kühe in Württemberg gefressen und auf Bayern geschissen.“ Heute kehren Wanderer und Radler in der Holdermühle ein, trinken fränkisches Bier und Wein aus dem Taubertal. Grenzenloser Genuss. Wohl bekomm’s.

Infos

Hohenloher Grenzen sehen, schmecken und erleben

Limes: Mit 550 km Länge, 900 Wachposten sowie 120 größeren und kleineren Kastellplätzen bildete der äußere obergermanisch-raetische Limes eines der eindrucksvollsten archäologischen Denkmäler Mitteleuropas. Die neuen Limesblicke verdeutlichen den schnurgeraden Limesverlauf und ermöglichen einen 360-Grad-Blick auf Hohenlohe. Die Limesblicke finden sich in Zweiflingen am Pfahldöbel, in Öhringen bei Cappel und in Pfedelbach-Gleichen beim Sechseckturm (www.limes-in-hohenlohe.de). Limes-Cicerona Doris Köhler bietet auf Anfrage Führungen für Gruppen an (ab drei Personen), Telefon 0 79 48 / 788.

Schloss Weikersheim: Es gilt als das schönste der hohenlohischen Schlösser, vor allem der Barockgarten ist sehenswert. Es gibt ein vielfältiges Veranstaltungsprogramm. Eine Führung durch die Orangerie im Winter gibt es beispielsweise am Sonntag, 13. Dezember, um 14.30 Uhr (Kosten: 10 Euro). Von Freitag, 11., bis Sonntag, 13. Dezember, findet der Weikersheimer Weihnachtsmarkt im Schlosshof statt. Das Schloss hat im Winter Montag bis Sonntag von 10 bis 12 Uhr und von 13 bis 17 Uhr geöffnet. Eintritt: Erwachsene 6,50 Euro, ermäßigt 3,30 Euro. www.schloss-weikersheim.de

Gasthaus Holdermühle: Das Gasthaus liegt direkt am Radweg durch das Taubertal. Im Gästehaus stehen Ferienwohnungen (ab 40 Euro pro Nacht) zur Verfügung. Winterpause ist bis zum 19. März 2016. Adresse: Holdermühle, 97993 Creglingen, Tel. 0 79 33 / 91 23 17. www.gasthaus-holdermuehle.de

Mundartband Annäweech: Im Oktober ist die neue CD „Noune“ erschienen. Weitere Infos unter www.annaweech.de

Essen und Trinken: Mitten in den fürstlichen Weinbergen liegt die Wiesenkelter in Öhringen-Verrenberg. Hier gibt es hohenlohische Spezialitäten wie die Verrenberger Rieslingsuppe, aber auch Zwiebelrostbraten oder Fisch. Öffnungszeiten im Winter: Dienstag bis Freitag: 11 bis 14 Uhr und 17.30 bis 24 Uhr. Samstag und Sonntag , 11 bis 22 Uhr. Telefon, 0 79 41 / 98 90 44. Direkt gegenüber ist der Weinverkauf des Fürsten Hohenlohe-Öhringen. www.verrenberg.de

Grenzenloser Weingenuss: Im Taubertal treffen die beiden Weinregionen Württemberg und Franken zusammen. Bei einer Erlebnistour durch die Weinberge lernt man die Besonderheiten der Anbaugebiete kennen und schmecken. Sechs verschiedene Weine sowie ein Winzervesper werden kredenzt. Ausgangspunkt ist Tauberrettersheim, Ende in Queckbronn im Weingut von Rainer Hofäcker. Kosten: 35 Euro. Bisher nur für Gruppen ab drei Personen möglich, Telefon 0 79 34 / 75 50.

Allgemeine Infos: Touristikgemeinschaft Hohenlohe, Allee 17, 74653 Künzelsau, Telefon 0 79 40 / 1 82 06. www.hohenlohe.de (gk)