Wollen es noch einmal miteinander versuchen: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Martin Schulz (SPD). Foto: dpa

28 Seiten lang ist das Papier zu den Sondierungen zwischen Union und SPD. Es gibt Veränderungen für Familien, Steuerzahler und Rentner. Die Vereinbarungen im Detail.

Berlin - Das Papier zur Sondierung ist länger geworden als erwartet. Ursprünglich waren zehn Seiten geplant, jetzt sind es 28. Die Vereinbarungen bringen durchaus gewichtige Veränderungen für Familien, Steuerzahler und Rentner. Die Vereinbarungen im Detail:

Steuerpolitik: Die Steuerzahler sollen bis 2021 um insgesamt zehn Milliarden Euro entlastet werden. Das ist gemessen an den hohen Steuermehreinnahmen moderat. Union und SPD wollen mit dem Abbau des Solidaritätszuschlags in mehreren Schritten beginnen. Die Entlastung beim Soli soll bis 2021 zehn Milliarden Euro betragen. Im Vergleich dazu: Das Soli-Aufkommen beträgt knapp 20 Milliarden Euro jährlich. Bis 2021 sollen 90 Prozent der Soli-Zahler vollständig von dem Zuschlag entlastet werden. Erreicht werden soll dies durch eine Freigrenze. Doch schon heute zahlen rund 40 Prozent aller Steuerzahler keinen Soli, da für sie jetzt schon Freigrenzen gelten. Die im Vorfeld diskutierte Entlastung bei der Einkommensteuer kommt nicht. Das ist eine Enttäuschung für die Union. Gleichzeitig verzichten die Partner in spe auf Steuererhöhungen. Auch die Anhebung des Spitzensteuersatzes in der Einkommensteuer, den sich die SPD auf die Fahnen geschrieben hat, fällt aus. Das ist eine gute Nachricht für mittelständische Unternehmen und Spitzenverdiener. Einig sind sich die Verhandlungsparteien, dass am ausgeglichenen Bundeshaushalt festgehalten werden soll.

Kommentar zur GroKo-Sondierung: Warum die Regierungsbildung nicht einfacher wird

Kindergeld soll steigen, Rente stabilisiert werden

Familien: Die Familien sollen finanziell entlastet werden. Das Kindergeld steigt zum 1. Juli 2019 um zehn Euro pro Kind. Zum 1. Januar 2021 soll es um weitere 15 Euro erhöht werden. Insgesamt beträgt der Aufschlag damit 25 Euro pro Kind. Um Berufstätigkeit und Kindererziehung zu erleichtern, soll der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter eingeführt werden. Dieses Ganztagsschulprogramm kostet bis 2021 rund zwei Milliarden Euro.

Rente: Die SPD hat sich mit dem Wunsch durchgesetzt, dass das Rentenniveau in den nächsten Jahren stabil bleibt. Das Rentenniveau beträgt gegenwärtig 48 Prozent vom Bruttoeinkommen. Dieses Niveau soll bis 2025 nicht sinken. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach den Hochrechnungen der Rentenversicherung das Rentenniveau wegen der guten Arbeitsmarktlage bis 2020 ohnehin stabil bleibt. Erst nach Beginn der 20-er Jahre sinkt es. Um das zu verhindern, soll die Rentenformel geändert werden. Eine Rentenkommission soll Vorschläge für einen verlässlichen Generationenvertrag erarbeiten.

Die SPD hat sich ebenfalls mit dem Wunsch durchgesetzt, dass die Solidarrente kommt. Damit soll die Lebensleistung von Geringverdienern besser anerkannt werden. Menschen mit geringem Gehalt, die 35 Jahre in die Rentenversicherung einbezahlt haben oder Zeiten mit Kinderbetreuung und Pflege vorweisen können, soll eine Grundrente garantiert werden, die zehn Prozent über der staatlichen Grundsicherung liegt. Voraussetzung für den Bezug der Grundrente ist eine Bedürftigkeitsprüfung durch die Behörden. Das selbst genutzte Haus oder die Wohnung soll aber nicht angerechnet werden. Die Grundrente wird durch die Rentenversicherung abgewickelt. Außerdem soll die Erwerbsminderungsrente aufgestockt werden. Die CSU hat sich mit ihrem Anliegen einer höheren Mütterrente nur teilweise durchgesetzt: Die Mütter, deren Kinder vor 1992 geboren sind, erhalten seit 2014 zwei Rentenpunkte. Jetzt gibt es für ältere Mütter, die drei und mehr Kinder haben, einen dritten Rentenpunkt. Dafür sollen die Beitragszahler der Rentenversicherung aufkommen.

Zuwanderung, Pflege und Bildung

Bürgerversicherung kommt nicht

Gesundheit: Die von den Sozialdemokraten geforderte Bürgerversicherung, die auf die Abschaffung der privaten Krankenversicherung hinauslaufen würde, kommt nicht. Union und SPD wollen aber die unterschiedliche Beiträge für Arbeitgeber und Arbeitnehmer wieder abschaffen. Der Zusatzbeitrag für Arbeitnehmer wird abgeschafft. Unternehmen und Beschäftigte sollen sich den Krankenversicherungsbeitrag teilen, wie das früher schon der Fall war. Das bedeutet, dass die Arbeitgeber künftig ungefähr einen halben Prozentpunkt mehr an Beiträgen zahlen müssen. Dies läuft auf eine Belastung von rund fünf Milliarden Euro pro Jahr hinaus.

Beitragssenkung:: Im Gegenzug profitieren aber auch Unternehmen von der vorgesehenen Senkung des Arbeitslosenbeitrags. Das kommt ebenfalls Arbeitnehmern zugute. Der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung soll um 0,3 Prozent gesenkt werden. Es steht aber nicht dabei, wann dies erfolgt. Vermutlich soll dies 2019 geschehen, denn dann hat die Arbeitslosenversicherung rund 20 Milliarden Euro an Rücklagen aufgebaut. Die Koalition hält am Ziel fest, dass die Sozialabgaben für Arbeitnehmer und Arbeitgeber unter 40 Prozent gehalten werden. Um Langzeitarbeitslose wieder in Beschäftigung zu bringen, soll ein neues Instrument „Teilhabe am Arbeitsmarkt für alle „ eingeführt werden. Davon sollen 150 000 Menschen ohne Job profitieren.

Wirtschaft: Für forschende kleine und mittelgroße Unternehmen soll eine steuerliche Forschungsförderung eingeführt werden. Die Arbeitgeber sollen steuerliche Prämien für die Personal- und Auftragskosten für Forschung und Entwicklung erhalten. Bis 2025 soll der flächendeckende Ausbau des schnellen Internets abgeschlossen sein. Das kostet rund zehn bis zwölf Milliarden Euro und soll über die Versteigerung von UMTS-Mobilfunklizenzen finanziert werden.

Investitionsoffensive für Schulen

Arbeitsrecht: Es wird ein Rechtsanspruch auf befristete Teilzeit eingeführt. Teilzeitbeschäftigte dürfen danach wieder auf Vollzeitstellen wechseln. Das gilt aber nur unter bestimmten Bedingungen. Der neue Teilzeitanspruch gilt nur für Unternehmen, die mehr als 45 Mitarbeiter beschäftigen. Für Unternehmen mit 45 bis 200 Mitarbeitern wird eine Zumutbarkeitsgrenze eingeführt: Der Betrieb muss pro angefangenem 15 Mitarbeitern nur einem Beschäftigten den Rechtsanspruch auf Teilzeit und die anschließende Rückkehr auf Vollzeit gewähren.

Bildung: Es soll eine Investitionsoffensive für Schulen geben. Die Länder sollen insbesondere bei Investitionen in die Bildungsinfrastruktur und Digitalisierung unterstützt werden. Auch Berufsschulen sollen stärker gefördert werden. Durch eine Grundgesetzänderung soll es dem Bund erleichtert werden, die Hilfen an Kommunen zu geben. Die Kultushoheit der Länder wird aber nicht in Frage gestellt. Bis 2025 will Deutschland mindestens 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Forschung und Entwicklung investieren. Bisher gilt das 3-Prozent-Ziel.

Pflege: Die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung in der Alten- und Krankenpflege sollen verbessert werden. Es werden Sofortmaßnahmen für eine bessere Personalausstattung in der Altenpflege und im Krankenhausbereich ergriffen. Außerdem soll es eine Ausbildungsoffensive geben.

Zuwanderung:: Die Zuwanderungszahlen sollen jährlich die Spanne von 180 000 bis 220 000 nicht übersteigen. Damit wird faktisch eine Obergrenze eingeführt. Der Familiennachzug für subsidiär Schutzbedürftige, der bis März 2018 begrenzt wird, soll neu geregelt werden: monatlich dürfen 1000 Familienangehörige der Nachzug nach Deutschland erlaubt werden.