Paula Martin Santiveri macht die Arbeit in der Kita Daimlerstraße in Kornwestheim viel Freude . Foto: Werner Kuhnle

Paula Martin Santiveri arbeitet seit dem 7. Oktober in der Kornwestheimer Kita Daimlerstraße – und ist voll des Lobs über das deutsche Erziehungssystem und die Selbstständigkeit der Kinder.

Eigentlich ist Paula Martin Santiveri studierte Grundschullehrerin und hat daheim zuletzt in einer Englisch-Akademie gearbeitet und Kinder unterrichtet. Doch als sie in Spanien in einer Anzeige darauf stieß, dass in Deutschland Erzieherinnen gesucht werden, zögerte die 23-Jährige aus dem Großraum Barcelona nicht lange und bewarb sich – mit Erfolg.

 

Nach zwei Telefoninterviews und einem persönlichen Treffen mit zwei städtischen Mitarbeiterinnen schnupperte sie im Juli erstmals in den Betrieb der Kita in der Daimlerstraße hinein. Man war sich sympathisch, die Aufgabe lockte, und so fing die junge Spanierin am 7. Oktober mit der Arbeit in einer U3-Gruppe an.

Freieres Bildungssystem und mehr Selbstständigkeit

Freunde und Verwandte, die in Deutschland leben, hatten ihr vom hiesigen Bildungssystem vorgeschwärmt, das viel besser sei als in Spanien. „Es ist vielfältiger, man ist freier bei der Wahl bei der Schule und der weiteren Ausbildung und hat viel mehr Möglichkeiten“, so Santiveri. In der kurzen Zeit, die sie hier ist, hat sie auch selbst schon gestaunt – über die Selbstständigkeit der Kinder. „Hier ziehen sich schon die Kleinen selbst an, das ist in Spanien nicht so.“ Und völlig überrascht war sie darüber, dass die Kinder in der Kita normale Trinkgläser in die Hand bekommen, also keine Plastikbecher oder Ähnliches, und dass man ihnen beim Trinken auch nicht helfen muss. „In Spanien wäre das undenkbar.“

Was aus deutscher Sicht ebenso überraschend ist wie das Lob für ein Erziehungssystem, das hierzulande fast nur noch in der Kritik steht, ist die Freude über das deutsche Wetter, selbst im derzeitigen Novembergrau: „In Spanien ist es viel zu heiß und zu trocken, ich wollte kälteres Wetter und mehr Regen.“ Darauf angesprochen, dass der Osten Spaniens in der Region Valencia ja gerade viel zu viel Regen abbekommen hat, nickt sie ernst. Ja, auch sie habe Freunde und Verwandte im Osten und auch im derzeit von starken Regenfällen betroffenen Süden Spaniens. Ihnen sei glücklicherweise nichts passiert, aber das Ganze sei sehr schlimm und traurig und mache betroffen.

Wo die Sprache manchmal noch fehlt, helfen Mimik, Gestik und Empathie

Und wie klappt es mit der Verständigung? Immerhin haben ja selbst Muttersprachler hin und wieder Schwierigkeiten, kleine Kinder zu verstehen, die nicht die eigenen sind. „Das geht gut“, sagt Paula Santiveri. Vor allem bei den etwas älteren höre man sich rein. Sie selbst hat derzeit zwar „nur“ ein Sprachniveau auf B 1 – das heißt, dass man sich in normalen Alltagssituationen unterhalten kann und arbeitet nebenher in einem sogenannten Anpassungslehrgang am höheren Niveau B 2. Aber für vieles sei perfektes Sprechen gar nicht nötig.

„Ich spiele mit den Kindern, ich habe ein Auge auf sie, im Morgenkreis singe ich auch mit ihnen. Und ich bringe ihnen Empathie bei oder beispielsweise auch, dass es gut ist, mit anderen zu teilen.“ Vieles laufe auch über Mimik und Gestik, ergänzt Rebekka Baur, stellvertretende Leiterin der städtischen Kita in der Daimlerstraße. „Dadurch, dass Paula die Sprache erst lernt, ist sie ein Stück weit auf demselben Niveau wie die Kinder.“ Und: „Sie ist immer am Kind und unterstützt uns bei allem.“ Dabei lerne sie auch sehr viele Begriffe, die im normalen Alltag eher nicht verwendet würden.

Positive Erfahrungen in Deutschland

Die Kinder würden schon merken, dass sie ein bisschen anders sei als die anderen pädagogischen Fachkräfte, sagt Santiveri. Probleme gebe es deshalb aber keine. „Ich glaube, sie mögen mich“, sagt sie mit einem kleinen Lächeln. Und auch sie mag ihre neue Stelle. „Ich fühle mich hier sehr wohl; es ist genau so, wie ich es erwartet habe.“

In Spanien sei es zudem für junge Menschen, speziell für Pädagogen, sehr schwierig, eine Stelle zu finden. Es dauere oft sehr lange, bis man etwas finde, und wenn man Pech habe, könne man auch nur für kurze Zeit arbeiten. Auch so gesehen war es für sie der richtige Schritt, nach Deutschland zum Arbeiten zu gehen.

Aktuell kann sie noch nicht sagen, wie lang sie bleiben wird. Ein Jahr mindestens, eher zwei, vielleicht auch länger. Ihre Erfahrungen bis jetzt sind durchweg positiv. „Die Menschen hier sind sehr freundlich und hilfsbereit“, findet sie. Auch den anderen jungen Spaniern, die mit ihr nach Kornwestheim gekommen sind – zwei Männer und zwei weitere Frauen – gefalle es hier sehr gut. Auch ein Dach über dem Kopf war glücklicherweise kein Problem. Kornwestheim hat den spanischen Fachkräften zwei Wohnungen zur Verfügung gestellt. Die beiden Männer teilen sich eine Wohnung, die drei Frauen die andere.

Mangel in Deutschland
 Wie viele Fachkräfte im Erziehungsbereich tatsächlich fehlen, ist unklar. Der Paritätische Gesamtverband geht von mindestens 125 000 unbesetzten Stellen im letzten Jahr aus. In Ludwigsburg beispielsweise fehlen rund 600 Kitaplätze. Auch hier wurden schon spanische Fachkräfte angeworben. In Kornwestheim sind derzeit 19 Stellen unbesetzt.

Der Weg nach Kornwestheim
 Die Stadt arbeitet bei der Fachkräftegewinnung mit einer Gesellschaft für Personaldienstleistungen und dem Projekt „Career-in-BW“ der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung Baden-Württemberg zusammen. In der ersten Phase fanden Vorstellungsgespräche in Barcelona statt, gefolgt von einer Hospitationswoche im Juli. Die jungen Spanier arbeiten jetzt in den Kitas Otterweg, Daimlerstraße, Villeneuvestraße, Neckarstraße und Starenweg und machen parallel zur Anpassungsqualifikation einen B-2-Sprachkurs.