Bette Nash (links unten) fliegt auch mit 82 noch jede Woche, in der Regel den Shuttle zwischen Washington und Boston. Foto: American Airlines

Hummer, Hot-Pants, Hungerkuren: Bette Nash arbeitet seit 60 Jahren als Flugbegleiterin. Die „Königin der Lüfte“ erzählt im Interview wie es früher war und warum sie sich den Stress mit 82 noch antut.

Washington - Hummer, Hot-Pants, Hungerkuren: Die US-Amerikanerin Bette Nash arbeitet seit 60 Jahren als Flugbegleiterin bei „American Airlines“. Die 82-Jährige erzählt im Interview wie es früher war und warum sie sich den Stress in ihrem Alter noch antut.

Gratulation Mrs Nash, Sie haben vor ein paar Tagen Ihr 60. Dienstjubiläum gefeiert.
Danke. Vom Chef meiner Fluglinie American Airlines habe ich diamantbesetzte Ohrringe von Tiffany bekommen. Sie verstehen, wegen Diamanthochzeit, also dem 60. Hochzeitstag mit meinem Arbeitgeber, haha. Ich arbeite immer noch jede Woche, mache zig Shuttleflüge zwischen Washington und Boston. Meine Lieblingsstrecke. Die fliege ich seit 1961.
Ist das nicht langweilig? Viele wollen als Flugbegleiter arbeiten, um die weite Welt kennenzulernen.
Ich mag es, meine Routine zu haben und jede Woche die gleichen Menschen zu treffen. Ich weiß, dass auch die Passagiere es mögen, wenn sie vertraute Gesichter sehen. Außerdem ist mein Sohn behindert und ich möchte jeden Abend bei ihm zuhause sein und für ihn sorgen können.
Für viele ist Fliegen heutzutage eine Qual. Für Sie nicht?
Da hätten Sie mal früher fliegen müssen! Die Klimaanlagen waren bei weitem nicht so gut wie heute, es war brüllend heiß oder eiskalt. Ich hatte sechs bis neun Landungen und 13-Stunden-Schichten. Vieles, was heute automatisiert ist, musste man damals mit der Hand machen, das Essen haben wir im Flugzeug zubereitet. Aber natürlich wird es in meinem Alter anstrengender. Ich muss zum Beispiel jedes Jahr einen Test bestehen, bei dem ich zeigen muss, dass ich in der Lage bin, einen erkrankten Passagier aus dem Sitz in den Gang zu bugsieren, um dann dort Mund-zu-Mund-Beatmung zu machen. In meinem Alter ist Gesundheit wirklich alles. Ich bin schon geflogen, da war Barack Obama noch gar nicht geboren. Es gibt auch niemanden, der das so lange macht wie ich. Die meisten meiner Kolleginnen von früher sind heute tot.
Früher galt Fliegen als Luxus.
Das war es auch. Wir servierten Hummer auf Porzellantellern, es gab Cocktails, das Corned Beef schnitten wir vor den Augen der Passagiere in Scheiben. Wir servierten Kuchen und Tee in Silberkannen. Nach dem Essen gingen wir mit Zigaretten durch den Gang, Marlboros, Winstons und Kents, natürlich gratis. „Eine Marlboro für Reihe 14? Klar!“ Die Streichhölzer kamen auf einem eigenen Tablett. Die Fluggäste zogen ihre Sonntagskleider an, wenn sie einen Flug unternahmen. Wir trugen weiße Handschuhe und auf dem Kopf ein Hütchen. Wie verrückt, wer würde schließlich daheim einen Hut aufsetzen, wenn er das Abendessen serviert. Auf meiner Pendelstrecke zwischen Washington und Boston waren übrigens häufig die Kennedys unterwegs. Manchmal saß da Jackie Kennedy und fragte, ob sie noch ein bisschen Milch für den Kaffee haben könnte. Es war schon glamourös.
Da war es sicher nicht einfach, einen Job als Stewardess zu ergattern.
Jeder wollte das machen, der Wettbewerb war riesig. Wir machten Witze, dass wir sogar umsonst arbeiten würden, wenn man uns nur nähme. Wurde man ausgewählt, ging es erst los. Die Fluglinie hatte sogar Kosmetikerinnen angestellt, die den Stewardessen Schminktipps gaben. Wimperntusche war okay, Lidschatten nicht. Die Haare durften nicht zu lang sein. Wenn Kolleginnen mal das vorgeschriebene Gewicht überschritten, bekamen sie eine Woche Zeit, um mit Hungerkuren die Pfunde wieder wegzubekommen. Wenn nicht, wurde ihnen gekündigt. Schließlich die Kleider! Am Anfang sehr formell, irgendwann kamen sogar Hotpants oder weiße hohe Stiefel oder Rollkragenpullover. Inzwischen sind unsere Uniformen viel vernünftiger.
Was haben Ihre Eltern zu Ihrer Berufsentscheidung gesagt?
Als ich 16 war, saß ich neben meiner Mutter auf einem grünen Sofa hier im Flughafen von Washington. Es war vor meinem ersten Flug. Uns kamen zwei Piloten und eine Flugbegleiterin entgegen. Sie sahen so elegant aus, so professionell, hatten makelloses Benehmen. Von dieser Minute an wusste ich, dass es genau das war. Dass ich nur diesen Beruf ergreifen wollte. Am 4. November 1957, da war ich 21, fing ich an. Meine Mutter schlief nächtelang nicht, weil sie sich so um mich sorgte. Aber das hat sich irgendwann gelegt.
Kommen Sie eigentlich bei der technischen Entwicklung noch mit?
Ich bin da nicht so schnell, aber inzwischen kann ich ein Tablet prima bedienen. Die Technik entwickelt sich und man muss sich mit ihr entwickeln. Das sind natürlich riesige Fortschritte, die unseren Job so viel leichter machen. Früher gab es zwar am Flughafen Automaten, wo man für 2,50 Dollar eine Lebensversicherung abschließen konnte, aber ansonsten war alles auf Papier. Unsere Dienstpläne wurden mit Kreide auf Tafeln geschrieben und die Flugtickets stellte ich oft während des Flugs von Hand aus. Aber es waren auch weniger Passagiere als heute.
Doof gefragt, aber warum tun Sie sich das mit 82 noch an?
Ehrlich, für mich ist es das Größte, beim Ein- und Aussteigen die Menschen anzulächeln und „Thank you“ zu sagen. Ich lächle gern und man bekommt immer ein Lächeln zurück. Die Kunden brauchen genau das, ein bisschen Liebe und ein Lächeln, „human touch“ eben. Ich glaube Flugbegleiterinnen wird es immer geben, weil Menschen eben gerne lächelnde Menschen um sich haben.
Letzte Frage: Tomatensaft oder Kaffee?
Immer Wasser, im Job und im Restaurant. Beim Fliegen passiert es leicht, dass man zu wenig trinkt und dehydriert. Daheim ab und zu gerne mal ein Glas Brombeerwein. Der wird hier bei uns in Virginia hergestellt – und er hilft bei Verdauungsproblemen.