Der Vielflieger: Außenminister Steinmeier in einem Regierungsflugzeug. Foto: photothek

Bald ist Frank-Walter Steinmeier Bundespräsident. Was von ihm als Außenminister bleibt, hängt entscheidend von US-Präsident Donald Trump ab.

Berlin - Jetzt also auch die Liberalen: Neben Union und seiner SPD unterstützt die FDP die Kandidatur von Frank-Walter Steinmeier für das Amt des Bundespräsidenten. Parteichef Christian Lindner verkündete am Montag in Berlin, er werde den Wahlleuten der FDP in der Bundesversammlung am 12. Februar empfehlen, für Steinmeier als Nachfolger von Joachim Gauck zu stimmen. In Zeiten, in denen die „Grundachsen“ der Bundesrepublik wie die Europäische Union oder das transatlantische Verhältnis infrage gestellt würden, sei es ein „guter Schritt“, einen „politisch professionell handelnden Mann“ und einen „engagierten Verteidiger“ der Grundausrichtung Deutschlands an der Staatsspitze zu haben.

Werbung für komplexe Antworten

Mit Blick auf die Krisen in allen Regionen der Welt hatte es Steinmeier zu Beginn seiner Werbetour in der vergangenen Woche in Stuttgart so formuliert: „Die Probleme sind komplexer geworden, aber wir müssen auch sagen, dass die Antworten deshalb nicht einfacher werden können. Dafür um Verständnis zu werben, sehe ich als meine Rolle.“ Sein derzeitiges Bild in der Bevölkerung umriss er mit einem Schmunzeln: „Der mit den schlechten Nachrichten abends in der ,Tagesschau‘.“

Soll keiner sagen, Steinmeier habe vor seiner sehr wahrscheinlichen Kür zum Bundespräsidenten Resturlaub im Amt genommen. Rege äußerte sich der 61-Jährige auch jüngst zu allem, was außenpolitisch von Relevanz ist. Sei es zu den Brexit-Plänen der britischen Premierministerin Theresa May, sei es zum Nahost-Friedensprozess. Zu sehr liegt ihm die Außenpolitik nach sieben Jahren im Auswärtigen Amt am Herzen, und noch immer filetiert er die Krisen der Welt in Gesprächen mit Ausdauer und Akribie.

Schwierige Bewertung

Es ist kein leichtes Unterfangen, die Arbeit eines deutschen Außenministers zu bewerten. Das übliche Versprochen-gehalten-Schema passt nicht. Deutschland mag eine führende Wirtschaftsmacht sein, eine Weltmacht ist das Land nicht, und es erhebt bisher aus sehr guten Gründen auch niemand den Anspruch, dies zu ändern. Im Alleingang kann kein Außenminister etwas reißen. Er braucht Bündnispartner, muss Zugang zu den zahllosen Gesprächsformaten haben, in denen die verschiedenen Länderinteressen abgeglichen werden, um gemeinsam irgendwie voranzukommen. Ein gefragter Gesprächspartner war der Sozialdemokrat Steinmeier allemal. Das wird auch von der Opposition anerkannt.

Es sei „sehr beeindruckend“ gewesen, wie schnell Steinmeier das Auswärtige Amt wieder zu einem Dreh- und Angelpunkt der deutschen Diplomatie gemacht hat, urteilt der außenpolitische Sprecher der Grünen, Omid Nouripour, im Gespräch mit unserer Zeitung. „Das Auswärtige Amt war zutiefst verunsichert und hatte unter dem Vorgänger dem Kanzleramt gegenüber massiv an Bedeutung verloren“, so Nouripour. „Das hat Steinmeier so schnell wieder verbessert, dass wir witzelten, er habe womöglich noch als Fraktionschef in der Opposition heimlich zu Hause im Keller sein Comeback eingeübt.“

Coup in Kiew

Beispiel Ostukraine: Mag der Waffenstillstand dort noch so brüchig sein – dass dort bis heute kein offener Krieg inmitten von Europa ausgebrochen ist, muss man auch Steinmeier als Verdienst zuordnen. Im Februar 2014, kurz nach Beginn seiner zweiten Amtszeit, gelang Steinmeier in Kiew ein Coup. Auf dem Höhepunkt der Unruhen auf dem Kiewer Maidan mit Dutzenden Toten hatte Steinmeier Signale aus Moskau vernommen, Präsident Wladimir Putin stehe nicht mehr bedingungslos hinter dem ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch. Steinmeier trommelte Radoslaw Sikorski und Laurent Fabius zusammen, seine damaligen Amtskollegen aus Polen und Frankreich, und bewog Janukowitsch nach einem 30 Stunden langen Verhandlungsmarathon dazu, einem Kompromiss mit der Europa zugewandten Opposition um Vitali Klitschko zuzustimmen.

In Kiew war damit zunächst ein Bürgerkrieg abgewendet. Janukowitsch wurde dann allerdings entgegen der Vereinbarung umgehend abgesetzt, floh nach Russland, und Putin nutzte die Gunst der Stunde, um nach der Krim zu greifen. Als dann auch die Ostukraine mit russischer Unterstützung in kriegerische Auseinandersetzungen abdriftete, organisierte Steinmeier an der Seite von Bundeskanzlerin Angela Merkel die Minsker Vereinbarungen, die einen Waffenstillstand ermöglichten, der zwar bis heute brüchig ist, aber zumindest eine Eskalation vermeidet.

Ein unermüdlicher Vermittler

Steinmeier zeigte in dieser Phase und in den Monaten danach sein Talent als unermüdlicher Vermittler. Ihm ist es auch maßgeblich zu verdanken, dass im Streit über Sanktionen gegen Russland in Europa die Balance gewahrt blieb zwischen den Härte einfordernden osteuropäischen Nachbarländern Russlands und den Süd- und Westeuropäern, die mit Blick auf wirtschaftliche Nachteile eher Milde walten lassen wollten. Zugleich gelang es Merkel und Steinmeier, die USA davon zu überzeugen, dass eine Bewaffnung der ukrainischen Armee das unkalkulierbare Risiko eines Stellvertreterkrieges der Supermächte auf europäischem Boden birgt. Auch von der Opposition erntet er dafür Lob: „Er hat sich mit hoher Intensität und großer Tiefe in den Ukrainekonflikt geschmissen, weil er frühzeitig erkannte, dass Europa bedroht ist“, sagt der Grüne Nouripour. Die Minsker Abkommen und der fragile Frieden seien „auch Steinmeiers Verdienst“.

Trumps Umgang mit der Ukraine unsicher

Allerdings weiß keiner, wie der Putin-Fan Donald Trump mit dem Ukrainekonflikt umgeht. Bestenfalls ist er ihm egal. Schlimmstenfalls überlässt er Putin die Ostukraine. Sollte Putin Trumps irrationale Zuneigung nicht zufriedenstellend erwidern und dieser wie gewohnt mit Hassattacken reagieren, wird unter deutschen Außenpolitikern auch nicht ausgeschlossen, dass die Idee der Bewaffnung der ukrainischen Armee wieder auf den Tisch kommt. Dann wäre Steinmeiers Einsatz umsonst gewesen.

Die Iranvereinbarung ist Steinmeiers zweite bemerkenswerte Energieleistung. Er profitierte dabei von einer Besonderheit der deutschen Außenpolitik: einem Höchstmaß an Kontinuität, egal welche Partei den Chefposten im Außenamt bekleidet. 13 Jahre währten die Verhandlungen, die noch zu Zeiten des Grünen Joschka Fischer begannen und verhindern sollten, dass der Iran Atomwaffen herstellen kann.

Wegen dieses langen Atems, der traditionell guten Handelsbeziehungen zum Iran und der besonderen Stellung Deutschlands zu Israel konnte die Bundesregierung dabei wie ein ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates agieren, ohne eines zu sein.

Steinmeiers enge Freundschaft mit Ex-US-Außenminister John Kerry war dabei von Nutzen. Auch hier geht er mit dem unguten Gefühl, nicht zu wissen, was die Mühe wert war. Trump hat im Wahlkampf versprochen, die Vereinbarung zu kündigen.

Im Syrienkonflikt keine Akzente gesetzt

Im Syrienkonflikt und in der Auseinandersetzung mit dem Islamischen Staat ist es Steinmeier hingegen nicht gelungen, Akzente zu setzen. Ähnlich ratlos wie der ganze zerstrittene Westen agierte er, anders als Putin, ohne erkennbares strategisches Ziel. „Um Syrien hat Steinmeier sich erst gekümmert, als die Flüchtlinge kamen, um den Irak war er erst besorgt, als Mossul gefallen war“, kritisiert Nouripour: „Das war beide Male viel zu spät.“ Der außenpolitische Sprecher der Linken, Jan van Aken, vermisst nicht nur in diesem Konflikt die Bereitschaft Steinmeiers, die Initiative zu ergreifen. „Er hat sich nie getraut, einmal alleine einen Schritt nach vorne zu gehen.“

Wenn es zwischen dem Kanzleramt und Steinmeier Irritationen in der Außenpolitik gab, dann im Umgang mit Russland. Steinmeier wählte stets eine moderatere Tonlage, kritisierte Nato-Manöver an der Bündnisgrenze zu Russland gar als „Säbelrasseln“. Merkel brandmarkte das russische Vorgehen in Russland hingegen als Bruch des Völkerrechts. Immerhin schafften es Merkel und Steinmeier, den latenten Konflikt nicht eskalieren zu lassen.

Ein „Meister des Dialogs“, so lobte ihn SPD-Fraktionschef Andreas Stoch in Stuttgart und übergab ihm als Geschenk ein Buch mit Grillrezepten und einen Grillhandschuh. „Wir gehen davon aus, dass du das eine oder andere heiße Eisen anfassen musst und du damit zurechtkommst.“