Anna Hafner inmitten ihrer ausgestellten Werke. Sie lächelt nicht nur vor der Kamera. Foto: factum/Weise

Anna Hafner ist das älteste aktive Mitglied im Kunstverein Korntal-Münchingen. Nach mehr als zehn Jahren Pause will sie noch einmal anfangen. Zum Glück – wie sich beim Besuch zeigt.

Korntal-Münchingen - Das Alter ist kein Hinderungsgrund. Anna Hafner will zwar nicht, dass in dem Lebenslauf zu ihrer Ausstellung ihr Geburtsjahrgang zu lesen ist. Dass sie 88 ist, ist aber im Kunstverein Korntal-Münchingen kein Geheimnis. Anna Hafner gehört dem Verein fast seit dessen Gründung an. 1985 wurde der Bund der kreativ Schaffenden in der Doppelstadt im Strohgäu ins Leben gerufen, die agile Frau trat 1986 ein. Ihr Augenmerk legte sie schon immer auch auf einen Motivbereich: den Menschen.

Künstlerisch tätig war die zierliche Frau mit den immer strahlenden blauen Augen damals schon lange. Ihre Ausbildung an der Kunstakademie in Stuttgart dauerte von 1956 bis 1960. Zuvor hatte sie bereits das Aktzeichnen erlernt – an der Technischen Hochschule in Stuttgart. Schon früh kümmerte sich eine führende Galerie in der Stadt um die Künstlerin, die 1953 nach Stuttgart gekommen war: Bei Fischinger fand ihre erste Einzelausstellung statt. Und an den Jahresausstellungen „ihres“ Kunstvereins in Korntal hat sie sich selbstverständlich auch beteiligt – obwohl dies eine Zusatzbelastung darstellt und das kreative Schaffen unterbricht.

Ein stiller, hellwacher Typ

„Frau Hafner hat immer wieder ausgestellt, sie war auch lange in unserem Vorstand tätig. Sie hat den Verein sehr unterstützt.“ Das erzähltYvonne Benz, die stellvertretende Vorsitzende des Kunstvereins Korntal-Münchingen, als die Ausstellerin sich gerade für den Zeitungsfotografen so hinstellt, wie der das anregt. Anna Hafner würde das niemals selbst sagen. Sie gehört nicht zu denjenigen, die pausenlos reden, und das vor allem über sich selbst. Sie ist eher der stille, aber hellwache und betrachtende Typ.

Eben genau so, wie man es sein sollte, wenn man sich mit anderen Menschen befasst. Wenn man mit Bleistift, Kreide oder Pinsel, oder gar dreidimensional, ein treffendes Abbild eines anderen schaffen will. Wenn man versuchen will, in diesem Werk das Typische eines Menschen herauszuarbeiten. Dazu gehört ein ordentliches Maß Selbstkritik. Oft habe sie Zeichnungen vernichtet, erzählt die Künstlerin, „wenn’s nichts geworden ist“.

Mit anderen hat sich Anna Hafner oft befasst. In ihrer Ausstellung im Kunstvereinshaus hängen fast ausschließlich Abbilder von Menschen. Ihren Mann hat sie ebenso porträtiert wie ihren Sohn und sich selbst. Aber auch Fremde. Ob eine Zeichnung gelinge, „ist Glückssache“, sagt die knitze Frau. „Ich kann zehn Bilder machen, und alle sind schlecht bis auf eines.“ Viele Abende lang habe sie alles wegwerfen müssen. Sie erzählt von Selbstporträtversuchen, von Sitzungen mit Erich Dommes, dem Kollegen, der lange als Maler und Bühnenbildner am Staatstheater tätig war. Mit Bleistift habe sie gerne und oft gearbeitet, aber auch mit Ölkreiden („das gibt schöne leuchtende Farben“) oder mit Aquarell.

Die Nichte als Modell

In der Ausstellung steht auch ihr frühestes Werk von 1955: der Kopf ihrer Nichte als Büste. „Ich war damals bezaubert vom Vollkommenen des Kindes.“ Aber auch andere Kleinplastiken stellt sie aus. Sehr beeindruckend ist, wie Hafner vom konkreten dreidimensionalen Torso zum sehr abstrakten menschlichen Oberkörper kommt. Der dritte Schritt einer Reihe von Plastiken besteht lediglich noch aus stählernen Dreiecken – quasi Trapezfiguren. Da wurde ein Mensch reduziert, vom Konkreten zum Geometrischen. Das sei „ein überzeugender Entwicklungsschritt“, sagt Yvonne Benz. „Ich wollte beweisen, dass ich realistisch arbeiten kann, aber auch abstrakt“, sagt die Künstlerin dazu. Eigentlich hätte sie viel mehr solcher plastischer Arbeiten machen wollen, aber das Material sei teuer.

Das Geld ist bei vielen Künstlern ein ernstes Thema. Anna Hafner finanzierte ihre Werke und ihren Lebensunterhalt immer selbst, war zeitweise Zeichnerin in einem Technikkonzern, oder, näher an ihrem Wirkungsbereich, Kunst- und Werktherapeutin am C.G.Jung-Institut in Stuttgart. In den vergangenen zehn Jahren hat sie ihren Mann gepflegt, bis dieser starb.

In dieser Zeit hatte sie künstlerische Pause. Nun will die 88-Jährige noch einmal durchstarten. Die am Sonntag eröffnete Schau in Korntal ist ihre zweite in diesem Jahr, dann folgt noch eine im Schwarzwald. Und dann, so hofft sie, geht’s wieder ins Atelier. „Die Spannung ist noch in mir. Ich habe Lust, noch einmal neu zu starten.“ Auch 80 begeisterte Besucher bei der Vernissage sind eine Motivation. Farben und Papier, Stifte und Pinsel liegen bereit.

Die Ausstellung

Werke
Anna Hafner stellt in der Galerie 4/1 vor allem Porträts aus, die meisten sind Bleistiftzeichnungen. Dazu kommen Kleinplastiken – mal konkret, mal abstrakt.

Galerie
Das Haus des Kunstvereins ist in der Hans-Sachs-Straße 4/1, geöffnet ist samstags und sonntags von 14 bis 18 Uhr.