In der Nacht kommt es in Hamburg bei der G20-Demo zu Krawallen. Doch die Rollen der Guten und der Bösen sind nicht immer klar verteilt.

Hamburg - Eskalation, Protest, Gewalt. Zur Demo „Welcome to hell“ sind in der Nacht viele Stichworte gefallen. Sie alle treffen zu. Es war ein Protest. Eine Situation, die eskaliert ist. Gewalt war von beiden Seiten zu spüren. Von den Demonstranten, von der Polizei. Was Gewalt wirklich bedeutet, sieht man, wenn ein offensichtlich harmloser Passant von der Polizei überwältigt und abgeführt wird, weil er nicht sofort aus dem Weg geht. Es ist Gewalt, wenn Polizisten mit Steinen, Feuerwerkskörpern und Flaschen beworfen werden. Wenn Mülltonnen brennen und Straßen verwüstet werden.

Eine friedliche Situation schlägt um

Es macht sprachlos zu sehen, wie schnell eine friedliche Situation umschlägt. Am Hamburger Fischmarkt ist genau das passiert. Geplant war, dass der Demonstrationszug „Welcome to hell“ in Richtung Reeperbahn loszieht. Kurz setzt sich der Zug in Bewegung. Dann stehen an Anfang und Ende der Menge wie aus dem Nichts plötzlich Polizeiwagen und Wasserwerfer. Die Demonstranten würden gegen das Vermummungsverbot verstoßen, heißt es. Sie werden aufgefordert, das zu ändern. Das tun auch einige – aber längst nicht alle.

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Dann geht alles sehr schnell. Niemand kann mit Gewissheit sagen, wer wen provoziert hat und weshalb die Situation so schnell eskaliert – es gibt von vielen Seiten viele Schilderungen. Selbst die, die mitten im Pulk stehen, wissen nicht genau, was passiert ist. Klar ist aber: die Polizei rückt mitten in den Pulk der Demonstranten. Die wiederum fordern die Beamten auf, sich zurück zu ziehen. Was nicht geschieht. Die Polizei drückt die Demonstranten auseinander. Dann geht ein kleiner Teil Demonstranten auf die Polizei los, während andere versuchen, über die Seiten zu fliehen.

Wasserwerfer kommen zum Einsatz

Die Wasserwerfer kommen zum Einsatz. Menschen rennen in Panik auseinander, andere skandieren „Hass, Hass, Hass“. Vor allem aber hört man eins: Unverständnis bei vielen Demonstranten, die zu friedlichen Protesten gekommen waren. Enttäuschung und Wut ist herauszuhören, dass die Situation gekippt ist. „Hört auf, hört auf!“, rufen viele immer wieder.

Der Zug löst sich auf, in vielen Gesichtern ist Angst zu sehen. Begleitet wird alles von einer schier unendlichen Masse internationaler Journalisten, die mit Helmen, Warnwesten und Taucherbrillen (gegen Tränengas) zu jedem Brandherd rennen. Die Konflikte verlagern sich nach Auflösung der Demo in die Seitenstraßen. Vermummte lieferten sich Kämpfe mit der Polizei. Immer wieder rennen Gruppen durch die Straßen, verfolgt von der Polizei. Zwischendrin: Pfandsammler und Schaulustige. Fast wie bei einem Straßenfest. Auch getanzt wird, während eine Ecke weiter Steine und Flaschen fliegen.

Das normale Leben gibt es auch

In einigen Straßen sitzen die Anwohner auf Treppen und vor Restaurants. Sie Rauchen, trinken, plaudern miteinander. Zwei Polizeiautos rasen vorbei, einer ruft „Ey, hier ist 30er Zone“. Viele sind auf dem Weg zum Kulturzentrum „Rote Flora“. Der Italiener an der Ecke hat offen, „bisher alles ok“, sagt ein Gast. Draußen vor der Tür stehen mehrere Polizisten. Drinnen sitzt ein Pärchen, das sich bei Kerzenlicht eine Pizza teilt. Zwischen den Demonstranten bahnt sich ein Lieferservice-Kurier auf einem Fahrrad den Weg.

An einer anderen Ecke formiert sich der Protestzug neu. Wieder wird er von der Polizei aufgehalten. Immer wieder schallt es durch die Lautsprecher: „Ruhe bewahren. Gebt keinen Grund, zu eskalieren“.