Ein Handwerker vor der Tür – nicht immer ist er tatsächlich einer. . . Foto: André Pöhlmann / Mauritius

Die Zahl der Wohnungseinbrüche in Stuttgart hat sich in den Sommerferien einigermaßen in Grenzen gehalten. Nur einer macht keinen Urlaub: Ein Einbrecher, der als Handwerker getarnt in Mehrfamilienhäuser einsteigt.

Stuttgart - Die 42-jährige Bewohnerin ist wie vom Donner gerührt, als sie im Stuttgarter Westen nach Hause kommt, ihre Wohnungstür öffnet – und in ihrem Flur steht ein Handwerker. Der Fremde will beruhigen: Es habe einen Wasserrohrbruch gegeben und er habe etwas nachschauen müssen, sagt er in akzentfreiem Deutsch und verschwindet. Die verdutzte Frau muss feststellen, dass sie einem Einbrecher begegnet ist. In ihrem Schlafzimmer liegt ihre hochwertige Fotoausrüstung zum Abtransport bereit.

Der Vorfall, der sich am Montag um 10.10 Uhr abgespielt hat, elektrisiert die Ermittler des Dezernats für Eigentumsdelikte und Bandenkriminalität. „Erstmals haben wir eine relativ gute Täterbeschreibung von diesem Mann“, sagt Dezernatschef Thomas Oesterwinter. Bei dem Fremden handelt es sich um einen Einbrecher, der als vermeintlicher Handwerker durch die Mehrfamilienhäuser in der Stadt zieht – vor allem in den Innenstadtbezirken West und Süd. Etwa 45 Jahre alt, 1,70 Meter groß, dunkle wellige Haare.

Und es passiert mitten in der Stadt

Der geheimnisvolle Handwerker-Einbrecher dürfte auch dafür verantwortlich sein, dass die Zahl der Wohnungseinbrüche in Stuttgart in den Sommermonaten nicht merklich rückläufig ist. Zwar herrscht relative Ruhe. Doch im August gab es mehr als 40 Anzeigen, im Vorjahreszeitraum waren es knapp 30. Immerhin: „Die organisierten reisenden Banden sind derzeit nicht in Stuttgart und Umgebung unterwegs“, sagt Dezernatsleiter Oesterwinter.

Dafür aber macht der Mann in dunkler Arbeitskleidung oder mit Werkzeugkoffer keinen Urlaub. Etwa seit vergangenem Mai sind den Spezialisten der Stuttgarter Kripo Fälle bekannt, bei denen „Personen in Handwerkerkleidung“ im Zusammenhang mit Einbrüchen gesichtet wurden. Und zwar nicht in abgelegenen Wohngebieten am Randbezirk in der Nähe einer Autobahn – sondern mitten in der Stadt.

Böse Überraschung nach dem Einkauf

Die Serie beginnt mit einem Einbruch am 10. Mai in der Möhringer Straße und setzt sich Ende Juni in der Kornbergstraße im Stuttgarter Westen fort. Ein Mann in Arbeitskleidung klingelt bei einer 76-Jährigen und erklärt, dass er das Wasser für eine Stunde abstellen müsse. Die Bewohnerin geht in der Zwischenzeit zum Einkaufen – und muss nach ihrer Rückkehr entsetzt feststellen, dass sie bestohlen worden ist. Schmuck im Wert von mehreren Tausend Euro ist spurlos verschwunden. Bei einem weiteren Fall am 24. Juli sieht ein Anwohner einen Unbekannten in einem Mehrfamilienhaus an der Bachwiesenstraße im Stuttgarter Süden: Ein schwarz gekleideten Handwerker mit schwarzem Werkzeugkoffer, mit schwarzem Käppi und weißen Turnschuhen. Erst später stellt sich heraus, dass aus einer der Wohnungen im Haus Schmuck, Kleidung und ein tragbarer Computer gestohlen wurden. Wohl vom Mann in Schwarz.

Ist es ein Einzeltäter? Oder sind mehrere Täter mit der Masche am Werk? „Es gibt immerhin zwei Fälle, bei denen von zwei Verdächtigen die Rede ist“, sagt Oesterwinter. Zum Beispiel am 30. August in der Bottroper Straße auf dem Hallschlag. Zwei Männer mit handwerkertypischen Cargohosen mit vielen Seitentaschen. Oder am 31. August in der Pelikanstraße in Neugereut. Zwei Männer klingeln an der Haustür, sagen, dass sie in den Heizungskeller müssten, den Ölstand kontrollieren. Als sie eingelassen werden, suchen sie aber nicht den Keller auf. In einer Wohnung im fünften Stock ist niemand zu Hause – sie brechen die Tür auf. Schubladen und Schränke werden durchwühlt. Laut Zeugen soll es sich um Männer mit sportlicher Statur und sonnengebräunter Haut gehandelt haben.

Von Tresorknackern und Trunkenbolden

Mutmaßlich gibt es noch viele weitere Fälle – allerdings wurde dabei überhaupt niemand beobachtet. Es dürfte wohl aber kein Zufall sein, dass vor allem Wohnungen im Stuttgarter Westen, im Süden sowie in Bad Cannstatt betroffen waren. Nur eines scheint sicher: Der Coup auf dem Killesberg, bei dem Mitte August Tresorknacker Gold und Münzen für mehrere Hunderttausend Euro erbeutet wurden, trägt nicht die Handschrift des Handwerkers.

Und auch nicht der ungewöhnliche Fall vergangenen Freitag auf dem Hallschlag. Mit einem Spaten und lautstarker, brachialer Gewalt war ein 38-Jähriger in ein Mehrfamilienhaus eingedrungen. Der Polizei hat er die Arbeit indes recht leicht gemacht. Oesterwinter: „Der Täter war mit über zwei Promille vor der Wohnungstür eingeschlafen.“