Mit der Vorhersage-Software Precobs sollen Einbrüche verhindert werden. Foto: dpa

Die Stuttgarter Polizei stellt beim Besuch des Innenministers Thomas de Maizière vor, wie sie mit computergestützten Vorhersagen Einbrüche bekämpft. Die Einbruchszahlen sinken weiterhin.

Stuttgart - Wenn schon mal der alleroberste Chef aller Sicherheitskräfte in der Republik im Haus ist, dann ist es doch schön, wenn ihn die örtliche Polizei beeindrucken kann. Auf dem Pragsattel ist das am Donnerstag gelungen. Beim Besuch des Innenministers Thomas de Maizière (CDU), der zusammen mit seinem Parteifreund und Kollegen auf Landesebene, Thomas Strobl, mehrere Stationen in der Stadt ansteuerte, stellte die Kriminalpolizei im Polizeipräsidium erste Erfahrungen mit der Software Precobs vor, und dabei auch den Erfolg ihrer Arbeit: Nach Jahren des Anstiegs bis zum Negativrekord von 1277 Fällen im Jahr 2014 waren die Zahlen im vergangenen Jahr um knapp 30 Prozent gesunken. Die Zahlen für das aktuelle Jahr verrät die Polizei noch nicht. Sie gibt aber einen Trend an: Es sei weiterhin ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen, verrät der Kripochef Rüdiger Winter.

Zum Versuchsstandort für die Software wurde Stuttgart aufgrund der schlechten Werte in den zurückliegenden Jahren. Neben der Zentralisierung der Erfassung und Bearbeitung der Einbruchsdelikte ist das Programm, das aufgrund von Erfahrungswerten berechnet, wo eine weitere Tat wahrscheinlich ist (Predictive Policing), ein weiterer Baustein der Stuttgarter Polizeistrategie bei der Bekämpfung der Einbruchskriminalität.

Das Programm braucht Erfahrungswerte

Im Versuchshalbjahr zwischen November 2015 und April 2016 wurden in Stuttgart 408 Einbrüche verübt. Vor dem Start trug die Kriminalpolizei die Daten aller Einbrüche der zurückliegenden fünf Jahre in das Programm ein, erläuterte Kripochef Winter. Denn das Programm – die Abkürzung Precobs steht für Precrime Observation System – braucht Erfahrungswerte. Anhand dieser errechnet es die Wahrscheinlichkeit, dass in einer Gegend erneut eingebrochen wird; im Fachenglisch der Kriminaler heißt das „near repeats“, Wiederholungen in der unmittelbaren Umgebung. Dann löst das Programm Alarm aus. Während der Erprobungsphase waren es 112 Alarme, von denen aber nur ein Drittel allein vom Programm und zwei Drittel von Polizisten, die das Programm bedienten, ausgelöst wurden. „Der Polizeibeamte trifft die letzte Entscheidung“, sagte der Kriminalhauptkommissar Hendrik Weiß. Denn manchmal fehle dem Programm noch eine Information – etwa die Beute oder die Uhrzeit –, und dann könne es keine vollständige Berechnung liefern.

Die Methode gefiel dem Bundesinnenminister so gut, dass er sogar am liebsten eine Rund-um -die -Uhr-Überwachung damit sehen würde: „Sie könnten doch, wenn Sie in einer Straße um 23 Uhr und um 1 Uhr Einbrüche gemeldet bekommen, den nächsten um 2 Uhr schon verhindern?“, fragte de Maizière. Ganz so zeitnah gehe es dann doch nicht, erläuterte Weiß. Die Daten würden mehrmals täglich aktualisiert. Aktuelle Ereignisse würden aber ohnehin ins Lagebild einfließen, mit dem sich die Polizei einen Überblick verschaffe.

219 zusätzliche Arbeitsstunden durch Precobs

Auch ohne eine 24-Stunden-Betreuung der Datenbank hat die Polizei mit Precobs schon einige Mehrarbeit gehabt. Auf 219 zusätzliche Arbeitsstunden kam die Kripo bei der Bilanz. Andererseits könne man mit den ausgewerteten Daten das Personal zielgerichteter einsetzen. Die Auswertung gehe auch ohne eine Echtzeitübertragung schneller als früher. „Früher haben die Kollegen eine Anzeige geschrieben und dann mal weitergeleitet. Heute wird alles direkt erfasst“, schilderte der Programmbetreuer Hendrik Weiß.

Die geplante wissenschaftliche Auswertung, die das Max-Planck-Institut vornehmen wird, liegt noch nicht vor. Eine zentrale Erkenntnis hat Weiß aber schon: Der Polizeibeamte vorm Bildschirm trifft die letzte Entscheidung, sein Erfahrungsschatz ist nicht durch Software zu ersetzen.