Vor 500 Jahren erlebte Württemberg ein Schicksalsjahr: Der gewalttätige Herzog Ulrich fiel beim Kaiser in Ungnade und musste fliehen, das Land verlor seine Selbstständigkeit und kam zu Habsburg. Erst 15 Jahre später kehrte Ulrich zurück.
Stuttgart - Selten haben der Ruf und die Realität eines Herrschers so wenig zusammengepasst wie bei Herzog Ulrich von Württemberg (1487–1550). Er war ein jähzorniger und ichbezogener Mensch, den manche schlicht als Henker und Mörder bezeichneten. Mit seinem unbeherrschten Charakter hat er Württemberg vor jetzt genau 500 Jahren schwer ins Unglück geritten. Und doch hatte er lange Zeit den Nimbus eines edlen, gottesfürchtigen und vom Volk geliebten Landesvaters. Dazu hat vor allem Wilhelm Hauff 1826 mit seinem berühmten Roman „Lichtenstein“ beigetragen. Man müsse trotz allem, schrieb der Dichter über Ulrich, „die erhabenen Seiten seines Charakters, hohe Seelenstärke und einen Mut, der nie zu unterdrücken ist, bewundern“.
Was war also passiert im Schicksalsjahr 1519? In den Jahren zuvor hatte es Ulrich toll getrieben. 1514 drangsalierte der notorisch bankrotte Herzog die Bauern so sehr mit neuen Steuern, dass es zum ersten Aufstand in Württemberg kam – dem Armen Konrad. Im nächsten Jahr ermordete er im Forst von Böblingen seinen Freund und Stallmeister Hans von Hutten. Ulrich liebte dessen Ehefrau und hatte dies Hutten auf Knien gestanden. Doch der erzählte den Vorfall weiter, und das kränkte Ulrich so sehr in seiner Ehre, dass er Hutten mit dem Schwert tötete; fünf Stiche trafen ihn von hinten.
Der Kaiser verliert die Geduld
Und es ging permanent weiter. Ulrich hasste seine Gattin Sabina von Bayern und drangsalierte sie; 1515 flüchtete sie in ihre Heimat, eine unsagbare Schmach für den Herzog. Und schon da zog er allmählich den Zorn des Kaisers in Wien auf sich. Dann ließ er einige höchst angesehene Männer der Ehrbarkeit, wie den Cannstatter Vogt Vaut und den Stuttgarter Bürgermeister Stickel, festnehmen, foltern und hinrichten – der krankhaft misstrauische Herzog war der Ansicht, sie hätten seine Absetzung betrieben, was wohl sogar richtig war. Das Fass zum Überlaufen brachte zuletzt der skandalöse Angriff Ulrichs auf die Freie Reichsstadt Reutlingen im Januar 1519.
Im Frühjahr, längst war der Herzog vom Kaiser geächtet und damit vogelfrei, jagte ein Heer des Schwäbischen Städtebundes ihn schließlich zum Teufel, oder besser gesagt: erst in die Schweiz und dann nach Mömpelgard, in das kleine Besitztum in Frankreich, das Ulrich geblieben war. Der Städtebund und Kaiser Karl V. schacherten lange, anfangs war von einer halben Million Gulden die Rede, die Württemberg wert sein sollte – bei 210 000 Gulden schlug Österreich dann zu: Württemberg gehörte fortan zum Reich der Habsburger. Insofern haben alle Württemberger ein klein wenig auch eine österreichische Vergangenheit.
Die Rückkehr scheitert zweimal
Doch Herzog Ulrich gab nicht auf. Drei Anläufe machte er, um sein Land zurückzuerobern. Obwohl er 15 Jahre warten musste, verzagte er nie – das war vielleicht die positive Kehrseite seines sturen Charakters. Im Spätsommer 1519 ritt Ulrich das erste Mal mit 2500 Soldaten, meist Söldner, für die der Herzog gar kein Geld hatte, nach Württemberg. Tatsächlich huldigten ihm viele Städte. Trotz seiner Vergangenheit gab es auch im einfachen Volk eine verblüffend große Anhänglichkeit; insofern hat Hauff seine Saga nicht ganz aus dem luftleeren Raum gegriffen. Anfang Oktober kam es zwischen Hedelfingen und Wangen zur entscheidenden Schlacht, die Ulrich jämmerlich verlor. Aus Rache zerstörten Wilhelm von Bayern und der Städtebund auch die Stammburg der Württemberger bei Rotenberg.
Während des Bauernkriegs 1525 sah Herzog Ulrich das zweite Mal seine Chance gekommen, unterlag aber wieder. Erst beim dritten Mal 1534 hatte Ulrich bei der Schlacht von Lauffen am 12. Mai Erfolg – das lag aber vor allem an seinem zwar jungen, aber überaus gewieften Verbündeten Philipp von Hessen, der zuvor jahrelang die Rückkehr Ulrichs politisch vorbereitet hatte. Wie auch immer: Nach 15 Jahren im Exil wurde Ulrich quasi zum zweiten Mal Herzog von Württemberg. Und er blieb es bis zu seinem Tod im Jahr 1550.
Die Urteile der Historiker sind gegensätzlich
Das Urteil, das die Historiker über Ulrich fällten, ist ebenso vielschichtig, wie der Herzog selbst es war. In einer zerrissenen Epoche und Zeitenwende, wie es das frühe 16. Jahrhundert war, sei Ulrich irgendwie doch der richtige Mann gewesen, sagen manche. Susanne Dieterich formuliert es in ihrer „Württembergischen Landesgeschichte für Neugierige“ so: „Herzog Ulrich war in seiner kantigen, oft gewalttätigen Art gewiss kein liebenswerter, aber einer der bedeutendsten Landesherren, der Württembergs Position behauptete, stärkte und festigte.“ Ulrich größte Verdienste waren diese: Er hat erstens, wenn auch nicht freiwillig, 1514 den Tübinger Vertrag geschlossen und damit in einer feudalen Gesellschaft Bürgern erste, in Anklängen demokratische Rechte überlassen. Und er hat zweitens nach seiner Rückkehr die Reformation in Württemberg eingeführt, jedoch wiederum in einer aggressiven Art und sehr zur eigenen Freude und der seiner Finanzverwalter.
Der legendäre Landeshistoriker Martin Decker-Hauff sah dagegen in Ulrich einen „vom Verfolgungswahn geplagten, von Misstrauen verzehrten, von Hassausbrüchen geschüttelten Kranken“. Auch der Landeshistoriker Otto Borst kam zu dem Schluss, dass der Staat für Ulrich immer nur zu dessen Reputation und Selbstfindung da gewesen sei: „Es geht bei ihm nie um die Leute oder die Sache.“
Und so müht sich die Forschung bis heute ab, diesem zwiespältigen Herzog gerecht zu werden.