Das twitterte die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Foto: Twitter

In der Autodebatte zählen Emotionen mehr als Argumente. Es zeigt sich, dass sich auch Umweltschützer im Werkzeugkasten der Populisten bedienen, gezielt Emotionen schüren und diese für ihre Ziele instrumentalisieren, meint StN-Autor Klaus Köster.

Stuttgart - Schwere Geländewagen haben „in unseren Städten nichts zu suchen“, twitterte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) vor wenigen Tagen. Denn die vier Toten, darunter ein Kleinkind, seien die Bilanz eines schrecklichen Raserunfalls mit einem Porsche-Geländewagen in Berlin. „Und wenn es nach den Autokonzernen geht, soll mehr als jeder zweite Neuwagen ein SUV werden. Wir kämpfen dagegen an!“ Die Internationale Automobil-Ausstellung in Frankfurt hat ihr Thema gefunden – auch wenn mittlerweile alles darauf hindeutet, dass der Unfallfahrer einen epileptischen Anfall hatte.

Wenn Populismus darin besteht, für komplizierte Fragen einfache Lösungen zu finden, zu denen auch das Benennen und Ausgrenzen eines Sündenbocks gehört, hat die DUH ein Musterbeispiel geliefert. Mit einem ähnlichen Argumentationsschema hantierten rechtslastige Politiker, nachdem ein psychisch kranker Eritreer einen achtjährigen Jungen und seine Mutter vor einen Zug gestoßen hatte: Menschen aus Afrika seien von vornherein als gemeingefährlich einzustufen und hätten hier nichts zu suchen, hieß es da. Dabei gibt es psychisch Kranke in allen Ländern, und die allerwenigsten von ihnen sind gemeingefährlich. Das gilt in gleicher Weise für die Fahrer von Geländewagen. Die DUH hat den unrühmlichen Beweis dafür erbracht, dass ausgrenzender, auf die Ausbeutung menschlicher Gefühle abzielender Populismus auch im grünen Gewand auftritt.

Unaufrichtigkeit gibt es auch bei der EU

Allerdings darf die Industrie nicht den Fehler machen, ihre missliche Lage der DUH zuzuschreiben. Denn die Angriffsfläche hat sie eigenhändig geschaffen. Selbst Dieselautos, die sie noch vor Kurzem auf den Markt gebracht hat, überschreiten – ob zulässig oder nicht – auf der Straße die Stickoxid-Grenzwerte meist um ein Mehrfaches. Zugleich tun sich viele Hersteller bis heute schwer damit, den Schaden für Umwelt und Kunden durch eine Nachrüstung wenigstens zu mindern. Lediglich Daimler und VW übernehmen dafür überhaupt so etwas wie Verantwortung. Da darf sich die Branche über den Vertrauensverlust nicht wundern.

Doch die fast schon wehrlose Lage der Autoindustrie im öffentlichen Diskurs bedeutet nicht, dass jede Forderung, die nun an sie herangetragen wird, berechtigt ist. Das gilt auch für die Vorgaben der EU, die die Hersteller durch extreme Vorgaben für die Verringerung des CO2-Ausstoßes zur radikalen Elektrifizierung ihrer Modellpalette zwingt. Denn schon jetzt steht fest, dass ein großer Teil dieser CO2-Einsparungen nur auf dem Papier stehen wird. Die Emissionen eines Elektroautos werden mit null Gramm gewertet – obwohl jeder weiß, dass diese Fahrzeuge noch auf lange Zeit mit reichlich Kohlestrom betrieben werden. Die Täuschung der Öffentlichkeit, die die EU den Herstellern beim Diesel zu Recht vorwirft, betreibt sie beim Elektroauto selbst. Doch eine Täuschung wird nicht dadurch aufrichtig, dass sie in guter Absicht erfolgt.

So wichtig das Batterieauto für den Stadtverkehr auch sein wird – gerade für die deutsche Autoindustrie wird es darauf ankommen, sich nicht von einer Sackgasse in die nächste bugsieren zu lassen. Technologien wie die Brennstoffzelle bieten gerade für größere Fahrzeuge gewaltige, ressourcenschonende Potenziale, die bisher brachliegen. Auch klimaneutrale Kraftstoffe führen ein Schattendasein, obwohl sie besonders schnell wirken. Durch bahnbrechende Pionierleistungen könnten die deutschen Hersteller ihre Technologieführerschaft zurückholen. Doch bisher fürchten sie um die kurzfristige Rendite und übersehen dabei, dass ein Weiter-so der teuerste Weg sein wird.

klaus.koester@stuttgarter-nachrichten.de